Donnerstag, 28. April 2022

Das Kernstück der Falle

Ein Zitat

Der historische Turm eines Roccolo, einer kommerziellen Vogelfanganlage, auf dem Monte Ceneri.
Foto © Jörg Niederer
"Der Vogelfänger bin ich ja, stets lustig, heissa, hopsassa! Ich Vogelfänger bin bekannt bei Alt und Jung im ganzen Land." Emanuel Schikaneder (1751-1812)

Ein Bibelvers - Psalm 124,6+7

"Gepriesen sei der Herr! Er gab uns diesen Raubtieren nicht preis, sie hätten uns mit ihren Zähnen zerrissen. Wie ein Vöglein retteten wir unser Leben, dem Netz des Jägers sind wir entschlüpft. Die Vogelfalle zerbrach, und wir sind frei!"

Ein Anregung

Zuoberst auf dem Monte Ceneri, da wo das Schweizer Militär sich breit macht, findet sich ein seltsamer Turm am Rand einer grossen Wiese. Das ist nun kein alter Wachturm der Carabinieri, die nach den Räubern entlang der Via dei Briganti, auch Via dei Ceneri genannt, Ausschau hielten. 

Es ist ein alter Vogelturm. Glücklicher Weise ist er nicht mehr in Betrieb, vielleicht schon seit 1875, als der Vogelfang per eidgenössischem Jagdgesetz gesamtschweizerisch verboten wurde. Der Turm war Teil eines Roccolo, einer grossen Vogelfanganlage, die bis 2 Kilometer Netz enthalten konnte, getarnt zwischen zwei Baumreihen. Dort lockten gefangengehaltene lebende Vögel ihre Artgenossen an, die auf dem Flug vom Norden in den Süden und wieder zurück an dieser Stelle durchzogen. Sobald genügend Vögel sich im inneren Bereich des Baumrunds aufhielten, warf der Wächter im Turm Dinge durch die Luft, die wie Raubvögel aussahen, verbunden mit lautem Schreien. Die Vögel flogen in Panik unter die Baumreihen und verhedderten sich zu Hunderten in den Netzen. Die gefangenen Vögel landeten auf den Speisekarten der armen Menschen, aber wurden auch als Singvögel in Käfigen gehalten.

In Norditalien waren einige dieser Roccoli noch bis 2014 in Betrieb. Dann schoben Gesetzte der Europäischen Union dieser Massenfangmethode einen Riegel. Warum dies gut ist, auch wenn der Vogelfang in Norditalien aber auch in Teilen Österreichs als immaterielles Kulturgut gilt, kann man in diesem Beitrag lesen.

Der Vogelfang findet sich auch in der Bibel. Dabei sieht sich der oder die Glaubende nicht als Fänger oder Fängerin, sondern als Vogel, der durch Gottes Fügung dem Netz der Feinde entkommt.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen