Montag, 3. Januar 2022

Amtlich erwünschte Denunzianten

Ein Zitat

Amtliches Verbot aus dem Jahr 1919 bei einem Privatweg in Ermatingen
Foto © Jörg Niederer
"Mit Adleraugen sehen wir die Fehler anderer, mit Maulwurfsaugen unsere eigenen." Franz von Sales (1567-1622) Fürstbischof von Genf

Ein Bibelvers - 2. Timotheus 3,1.2+4a

"Du musst wissen: In den letzten Tagen stehen uns schwere Zeiten bevor. Denn die Menschen werden selbstsüchtig sein, geldgierig, prahlerisch und hochmütig... Sie werden lieblos sein, unversöhnlich, verleumderisch, unbeherrscht und gewalttätig. Sie werden das Gute hassen und Verrat begehen."

Ein Anregung

1. Ist das Schild noch gültig? Es sieht etwas heruntergekommen aus. Es steht an der Wolfsbergstrasse in Ermatingen. Darauf ist zu lesen: "Privatweg. Unberechtigten ist das Betreten der Strasse und der Gebäude bei Fr.20.- Busse verboten; dem Anzeiger die Hälfte. Der Gemeinderat. Ermatingen, den 11. Nov. 1919." 

2. Der dazugehörige Privatweg ist auf Google Maps nicht eingezeichnet. Er kreuzt die Wolfsbergstrasse und führt auf der westlichen Seite zu einer Villa auf einem vom Fruthwilenbach umflossenen landwirtschaftlich genutzten Grundstück. Das bedeutet, dass es sich immer noch um einen Privatweg handelt. Davor steht ein verschlossenes eisernes Tor, das wohl in der Zeit, als die amtliche Tafel angebraucht wurde, auch schon da war. 

3. 1919 kostete - so denke ich mir - das Weggli noch 5 Rappen. Folglich waren 20 Franken damals viel Geld. 

4. Es lohnte sich also, "Anzeiger" zu sein, oder wie man heute sagen würde: Denunziant.

5. Und jetzt die entscheidende Frage: Falls das Schild noch Gültigkeit haben sollte, bekomme ich dann 10 Franken, wenn ich jemand dazu anstachle, den Privatweg unberechtigt zu betreten, um in dann beim Gemeinderat anzuzeigen? 

6. All das ist natürlich nur ein theoretisches Gedankenspiel. Ich würde das nie tun. Aber es nähme mich halt schon wunder, wie der Gemeinderat auf eine Anzeige reagieren würde? Was denkst du? 

a) Der Gemeinderat erhebt die Busse und zahlt die Hälfte dem "Anzeiger"

b) Der Gemeinderat lässt das Schild restaurieren, weil es von historischem Interesse ist. 

c) Der Gemeinderat lässt das Schild entfernen. 

d) Der Gemeinderat hält dem Denunzianten eine Standpauke. 

e) Der Gemeinderat geht zu einem Lokaltermin, in deren Verlauf dessen Mitglieder wegen unberechtigtem Betreten des Privatwegs verzeigt werden. 

f) Der Gemeinderat schiebt die Anzeige auf die lange Bank worauf das Schild weitere hundert Jahre unbeachtet vor sich hin rostet.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde 

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