Mittwoch, 8. Januar 2025

Der Regenbogen und der alte Opa

Ein Zitat

Ein Regenbogen, aus dem fahrenden Zug heraus fotografiert zwischen Olten und Aarau.
Foto © Jörg Niederer
"Eine Sache, die dem alten weißen Mann immer zu Grunde liegt, ist, dass das Gegenüber, das ihn als alten weißen Mann bezeichnet, sich nicht wohl fühlt." Sophie Passmann (*1994)

Ein Bibelvers - Matthäus Jesaja 46,3-4

Gott spricht: "Schon im Mutterleib seid ihr mir aufgeladen worden. Von Geburt an habe ich euch getragen. Ich bleibe euch treu, bis ihr alt seid. Ich trage euch, bis ihr graue Haare habt. Das habe ich getan und werde es weiter tun. Ich bin es, der euch trägt und rettet!"

Eine Anregung

Die Mutter und das Kind, so entnahm ich ihrem Gespräch im Abteil hinter mir, waren an diesem 6. Januar auf einer Dreikönigsmission. Sie besuchten die neugeborene Cousine des kleinen Mädchens. Ich schätzte die Kleine so auf drei Jahre. Aufgeweckt wurde von ihr alles kommentiert und die Mutter mit Fragen bombardiert, welche diese geduldig beantwortete. Irgendeinmal meinte die Mutter, dass jetzt doch eine gute Gelegenheit sei, aus dem Fenster zu schauen, um zu sehen, was es da alles zu sehen gäbe. All das hörte ich nur, sehen konnte ich die beiden von meinem Sitzplatz aus nicht. Selbst hatte ich draussen einen Regenbogen entdeckt, aber offensichtlich sahen die beiden ihn noch nicht. So stand ich kurz auf, und informierte die Mutter. Von da weg war der Regenbogen das Thema des Mädchens. Verblüfft stelle es fest, dass dieser mit ihnen mitfuhr, also immer etwa gleichweit entfernt war. Auch die Farben wurden der Reihe nach aufgezählt.

Müde wie ich war, schloss ich die Augen, und begann vor mich hinzudösen, da hörte ich ein leises Drippeln, nur ganz kurz. Neugierig wollte das Kind wohl wissen, wer da den Regenbogen entdeckt hatte. Nur einige Augenbliche später rapportierte es der Mutter: "Da sitzt nur ein alter Opa und schläft", und dann ganz vorwurfsvoll: "Das darf man doch nicht."

So, nun weiss ich es: Ich bin ein alter Mann. Kindermund hat es mir verraten. Bekanntlich sagen Kinder und Narren die Wahrheit. Es muss also war sein. Was dem Kind aber noch entgangen ist; ich bin auch noch von heller Hautfarbe. Also ein alter, weisser Mann. Ich bin für viele zu einem bedauernswerten Feindbild herangealtert. Wie schnell das doch gehen kann. Unglücklicherweise kann ich dagegen aber auch so gar nichts machen. Also füge ich mich in mein Schicksal und schliesse noch dort unter dem Regenbogen Frieden mit meinem Pensionsalter-Ich.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

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