Freitag, 10. Januar 2025

Freiheit. Solidarität. Verantwortung. - Echt jetzt?

Ein Zitat

Schlagzeile von 20 Minuten am 9. Januar 2025.
Foto © Jörg Niederer
"In dieser Welt der Globalisierung sind wir in die Globalisierung der Gleichgültigkeit geraten. Wir haben uns an das Leiden des anderen gewöhnt; es betrifft uns nicht, es interessiert uns nicht, es geht uns nichts an!" Papst Franziskus am 8. Juli 2013 auf Lampedusa

Ein Bibelvers - Lukas 6,35

Jesus: "Nein! Liebt eure Feinde. Tut Gutes und verleiht, ohne etwas dafür zu erhoffen."

Eine Anregung

Bei der SVP ist es ja klar, genauso wie auch bei der FDP. Aber dass "Die Mitte" auch mitmacht bei der fortlaufenden Entmündigung und Abschreckung von Asylsuchenden, das verstehe ich nicht.

Gestern titelte 20 Minuten auf der Frontseite: "Auch die Mitte will kein Bares mehr für Asylbewerber". Es geht darum, dass Asylsuchende ihre finanzielle Unterstützung nur noch per Debitkarte erhalten. Diese kann nur im Inland genutzt werden und mit ihr kann kein Bargeld bezogen werden. Das soll die Asylsuchenden daran hindern, Geld zu ihren Familien ins Ausland zu überweisen und die Attraktivität als Asylland senken. In Deutschland, wo es schon länger diese Zahlkarten statt Bargeld gibt, wirkt die Abschreckung. Es gäbe freiwillige Ausreisen und Arbeitsmarkteintritte.

Einmal mehr ist die Asylpolitik eigentlich eine Asylverhinderungspolitik. Und "Die Mitte", die sich "Freiheit. Solidarität. Verantwortung." auf die Fahnen geschrieben hat, macht bei diesem unmenschlichen Spiel mit. Es war wohl schon folgerichtig, dass man bei der Namensänderung von der CVP zur Mitte das C für Christlich weggelassen hat. Wer mündige Menschen auf solche Weise bevormunden will, handelt mit Sicherheit nicht im Sinn der christlichen Sozialethik, der die Partei laut Eigenaussagen immer noch verpflichtet sei.

Mir scheint, dass wir heute mit Asylsuchenden auf ähnlich unmenschliche Weise umgehen, wie man vor der Änderung der Bundesverfassung im Jahr 1966 mit der jüdischen Wohnbevölkerung umgegangen ist. Die Politik erfindet immer wieder neue diskriminierende Asylrichtlinien, und immer geht es um Abschreckung und um den Versuch, die Asylströme in andere Teile der Welt zu lenken. Diskutiert wird nicht, wie Flüchtenden geholfen werden kann, sondern wie sie davon abgehalten werden können, zu flüchten, und schon gar nicht hierher in die Schweiz. Der humanitäre Gedanke spielt keine Rolle mehr. Auch die Entwicklungshilfe wird zusammengestrichen und soll nicht an Ländern gehen, die in der Asylpolitik nicht kooperieren. Gemeint ist, dass finanzielle Hilfe nur die Staaten erhalten, welche abgewiesene Asylsuchende zurücknehmen. Ob es Länder sind welche die Menschenrechte mit Füssen treten, spielt bei der Beurteilung keine Rolle.

Wer nun aber die Asylsuchenden gegen die einheimischen Armutsbetroffenen ausspielt, muss wissen, dass die, welche sich diese Unmenschlichkeiten gegen Asylsuchende ausdenken, auch die sind, welche die Sozialhilfe zusammenstreichen, oder wie in der Stadt St. Gallen die 50 Franken Weihnachtsgeld an Sozialhilfeempfangende streichen, und zugleich den Beamten ein Lohnerhöhung gewähren. 

"Die Schweiz kann doch nicht allen helfen", heisst es dann schnell. Das mag stimmen. Aber aktuell geht der Trend in die andere Richtung. Es soll so wenigen Bedürftigen geholfen werden müssen wie nur möglich. Darum versucht man abgewiesene Asylsuchende durch Entzug des Lebensnotwendigen aus dem Land zu treiben. Darum wollte man den Familiennachzug für aufgenommene Asylsuchende verhindern. Darum steckt man Flüchtende weit ab vom Schuss in Heime. Darum werden Menschen inhaftiert, deren einzige Schuld es ist, dass sie hier in der Schweiz um Asyl ersucht haben. Darum überlegen sich westliche Staaten, Asylzentren im Ausland einzurichten.

Zurück zum C und der christlichen Soziallehre. Wie sagte doch Jesus: "Behandelt andere Menschen genau so, wie ihr selbst behandelt werden wollt." (Matthäus 7,12) In der Asyl- und Sozialpolitik sind wir auch in der Schweiz weit von dieser Minimalethik entfernt. Es braucht eine Abkehr vom entmündigenden Umgang mit Hilfesuchenden. Ohne diese Umkehr mag die Schweiz eine christliche Tradition haben, aber um ein christliches Land handelt es sich heute nicht mehr. Dazu fehlt der aktuellen Politik das Wesentlichste: Die Nächstenliebe.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

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