Samstag, 25. Januar 2025

Loslassen

Ein Zitat

Skulptur 'Loslassen' von Niklaus Wechsler aus Eriswil auf dem Friedhof Huttwil.
Foto © Jörg Niederer
"Besser zu sterben, wenn man noch voller Wünsche ist, als nicht sterben zu können, wenn man keine Wünsche mehr hat." Grabinschrift auf dem Friedhof Huttwil

Ein Bibelvers - 1. Mose 28,3

"Der allmächtige Gott segne dich. Er mache dich fruchtbar und schenke dir viele Nachkommen. So werden viele Völker aus dir hervorgehen."

Eine Anregung

Kennst du Mascha Kaléko? Sie lebte von 1907 bis 1975? 50 Jahre nach ihrem Tod ist sie noch immer die Dichterin nach Goethe mit der höchsten Buchauflage im deutschsprachigen Raum. Ihr Grab findet sich auf dem israelitischen Friedhof Friesenberg in Zürich.

Der Zufall will es, dass ich folgendes Lied von ihr auf dem Friedhof Huttwil las, und gleichzeitig ein Artikel über sie auf dem reformierten Newsportal ref.ch veröffentlicht wurde.

Südpolen, Berlin, New York, Jerusalem und Zürich waren ihre Lebensstationen. Heimatlosigkeit führte sie zur Aussage: "Zur Heimat erkor ich mir die Liebe."

Hier also ihr Gedicht "Letztes Lied".

'Letztes Lied' 

Ich werde fortgehn, Kind. Doch Du sollst leben
und heiter sein. In meinem jungen Herzen brannte
das goldne Licht. Das hab ich Dir gegeben,
und nun verlöschen meine Abendkerzen.

Das Fest ist aus, der Geigenton verklungen,
gesprochen ist das allerletzte Wort.
Bald schweigt auch sie, die dieses Lied gesungen
sing Du es weiter, Kind, denn ich muss fort. 

Den Becher trank ich leer, in raschem Zug
und weiss, wer davon kostete, muss sterben …
Du aber, Kind sollst nur das Leuchten erben
und all den Segen, den es in sich trug:

Mir war das Leben wie ein Wunderbaum,
von dem in Sommernächten Psalmen tönen.
– Nun sind die Tage wie geträumter Traum;
Und alle meine Nächte, alle – Tränen.

Ich war so froh. Mein Herz war so bereit.
Und Gott war gut. Nun nimmt er alle Gaben.
In Deiner Seele, Kind, kommt einst die Zeit,
soll, was ich nicht gelebt, Erfüllung haben.

Ich werde still sein; doch mein Lied geht weiter.
Gib Du ihm deinen klaren, reinen Ton.
Du sei ein grosser Mann, mein kleiner Sohn.
Ich bin so müde - aber Du sei heiter.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

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