Mittwoch, 3. Juli 2024

Kirchenwildnis

Ein Zitat

Werbung für den Quereinstieg in den Pfarrberuf in einem Zugabteil.
Foto © Jörg Niederer
"Unsere theologische Arbeit ist biblisch fundiert... wissenschaftlich qualifiziert... praxisorientiert... persönlichkeitsbildend... gesellschaftlich relevant... international geprägt... evangelisch-methodistisch inspiriert... ökumenisch offen..." Webseite der Theologischen Hochschule Reutlingen

Ein Bibelvers - Lukas 10,2

"Jesus sagte zu ihnen: 'Hier ist eine große Ernte, aber es gibt nur wenige Erntearbeiter. Bittet also den Herrn dieser Ernte, dass er Arbeiter auf sein Erntefeld schickt.'"

Eine Anregung

"Auf in den Wildnis" steht da. Aber es könnte auch "Zusammenbauen!" stehen oder "Mittendrin!" oder "Den Takt aufnehmen". Mit solchen Titelzeilen wirbt die Reformierte Kirche per Aushang z.B. in der Bahn für den Pfarrer:innenberuf. Das sei ein Beruf "Nah am Leben. Sinnstiftend. Am Puls der Zeit." Es geht um den Quereinstieg für Akademiker.

Dass überhaupt dafür geworben wird, zeigt ein aktuelles Problem auf. Es gibt viel zu wenig Menschen, die sich aktuell für einen Pfarrberuf entscheiden. Überall herrscht Pfarrer:innenmangel.

So ist es auch bei den Methodist:innen. Die Zeiten sind vorbei, als Pfarrpersonen etwa aus Regionen in Deutschland, wo es noch zu viele Pfarrpersonen gab, in die Schweiz kamen und sich hier anstellen liessen. Also wird versucht, durch Werbung Personen zum Umstieg in den kirchlichen Dienst zu bewegen.

In der Methodistenkirche gibt es auch immer wieder Personen, welche sich über die Dynamo-Schiene eine nichtakademische Kenntnis über die Theologie erarbeiten und sich so als Laienprediger:in ausbilden lassen. Einer Laienpredigerin oder einem Laienprediger kann durch den Bischof eine örtlich begrenzte Dienstzuweisung erteilt werden. Damit ist man dann wirklich in der Wildnis der pastoralen Arbeit angekommen.

Und logisch gibt es auch das reguläre Theologiestudium an der Theologischen Hochschule Reutlingen. Wer sich für eine solche Ausbildung interessiert, kann sich an jede Pfarrperson wenden [also auch an mich :-) ]. 

Wer das ganz sicher nicht möchte, kann zumindest für die Berufung von Menschen beten, die, wie es bei den Reformierten heisst "Menschen lieben, Gott vertrauen und an die Zukunft der Kirche glauben".

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Dienstag, 2. Juli 2024

Unerwünschtes

Ein Zitat

Das Einjährige Berufskraut, ein invasiver Neophyt in Europa, hat sich entlang eines Bahnbords breit gemacht.
Foto © Jörg Niederer
"Du bist's allein, Herr, der stets wacht, zu helfen und zu stillen, wenn mich die Schatten finstrer Nacht mit jäher Angst erfüllen." Jochen Klepper (1903 - 1942)

Ein Bibelvers - Römer 9,39

"Nichts Über- oder Unterirdisches und auch nicht irgendetwas anderes, das Gott geschaffen hat – nichts von alledem kann uns von der Liebe Gottes trennen. In Christus Jesus, unserem Herrn, hat Gott uns diese Liebe geschenkt."

Eine Anregung

Das Bahnbord blüht wunderbar weiss; eine Augenweide. Was da so schön ins Auge sticht, ist aber alles andere als erwünscht. Es handelt sich um das Einjährige Berufskraut. Und das ist in Mitteleuropa einer der leider häufigsten invasiven Neophyten. Für die Biodiversität ist diese aus Nordamerika stammende Pflanze eine ernsthafte Gefahr. Trotzdem darf das Einjährige Berufskraut in der Schweiz noch bis September 2024 verkauft werden. Es bildet auf ungeschlechtliche Weise keimfähige Samen. Kühe fressen es nicht, so dass es sich gut auf Weiden, an Ruderalstandorten und auf Magerwiesen ausbreiten und wertvolle einheimische Pflanzen verdrängen kann. 

 Jetzt, wo das Berufskraut blüht, ist es für dieses Jahr schon zu spät. Will man das Kraut wieder loswerden, muss es vor der Blüte ausgerissen werden.

Das Einjährige Berufskraut ist ein Beispiel dafür, dass etwas, das schön aussieht, nicht gut sein muss. Für mich ist es auch eine Trauerblume, denn heute nehme ich auf dem Friedhof Abschied von meinem jüngsten Bruder. Wenn ich in Zukunft zum Bahnbord hinüberschaue, dann ist das nicht nur ein trauriger Anblick wegen der Blumen, die nicht da sein dürften, sondern auch wegen meines Bruders, der noch da sein sollte.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Montag, 1. Juli 2024

Bluegrass-Gospel in St. Gallen

Ein Zitat

Rosi und Kent Miller spielen Bluegrass-Gospel in der Methodistenkirche St. Gallen.
Foto © Jörg Niederer
"Gloria, Gloria, Gloria, jemand hat mich berührt. Das muss die Hand meines Herrn gewesen sein." The Stanley Brothers

Ein Bibelvers - 1. Mose 1,11

"Und Gott sprach: Es lasse die Erde aufgehen Gras und Kraut, das Samen bringe, und fruchtbare Bäume, die ein jeder nach seiner Art Früchte tragen, in denen ihr Same ist auf der Erde. Und es geschah so."

Eine Anregung

"Ohne den Bass geht es nicht." Gleich mehrfach betonte Kent Miller die Bedeutung des Kontrabasses, gespielt von seiner Frau Rosi. Für einige war es ein schönes Wiedersehen mit dem Bluegrass-Ehepaar, für andere war es das erste Mal, dass sie "The Millers" erleben durften.

Man erfuhr so einiges über den Bluegrass-Gospel, der an diesem Morgen in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen erklang und eine Botschaft aus dem ländlichen Nordamerika in einer Schweizer Stadt erklingen liess. Dass es den Old Stile gibt und den New Stile beim Spielen auf einem Banjo, und dass nicht alle Bluegrass-Musiker beides beherrschen. Dass immer wieder neue Stücke geschrieben werden. Dass man auf dem Banjo kein Tremolo spielen könne, wohl aber auf der kleinen Mandoline. Das Banjo aber sei auch eine kleine Trommel. Dass es ein Instrument ist, das die in die USA verschleppten Sklaven dorthin gebracht haben. Und auch erfuhr man, dass Kent und Rosi beide Staatsbürgerschaft besitzen, die der USA und die der Schweiz, und folglich den Fussball an beiden Orten interessiert verfolgen. Dies auch schon deshalb, weil eines ihrer Enkelkinder selbst Fussball spiele. Ob Bluegrass-Musikerinnen und 
-Musiker eher republikanisch oder demokratisch wählen, war eine Frage, die auch beantwortet wurde. Es gäbe beides, komme auf den Ort an, ob eher im Süden der USA oder im Norden. Und dann gäbe es auch noch jene, welche einen modernen Bluegrass vertreten, so Kent Miller, die hätten etwas im Kopf, und folglich würden sie eher - na was wohl? - wählen.

Was der Bluegrass-Gospel, der in der Kirche erklang, schön vermitteln konnte, war die einfache, herzliche Vertrautheit der Menschen hinter den Liedern mit der christlichen Glaubensbotschaft.

Und welch Überraschung: Nicht etwa der Apfelbaum ist die erste, in der Bibel erwähnte Pflanze, sondern, und das fanden die Kinder heraus, die am Konzert dabei waren, es ist das Gras, passend zu dem sehr ursprünglichen Musikstiel Bluegrass, der auf deutsch "Blaugras-Musik" heissen würde. Den Kindern, aber auch den Erwachsenen, gefiel besonders eine musikalische Dampflokfahrt über den Säntis, bei dem Kohle geschaufelt aber auch gebremst werden musste, und auf diesem Weg zugleich auch die Vielfalt des Banjos demonstriert wurde. 

Das anschliessende Mittagessen mit Beefburgern vom Grill, French fries, Coleslaw und Muffins gab weiter Gelegenheit zu Gesprächen über die eher Sorgen bereitenden US-Präsidentschaftswahlen, über Gott, Nashville, den Gospel, das Leben und die Musik.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen