Mittwoch, 1. Mai 2024

Konferenzmuster und Minority Report

Ein Zitat

Am vergangenen Montag performten auch Tänzerinnen beim Auftritt der methodistischen Frauen von United Women in Faith an der Generalkonferenz in Charlotte.
Bildschirmfoto aus dem Livestream
"Vielleicht ist die Hölle nichts als eine gewaltige Konferenz derer, die wenig oder nichts zu sagen haben, aber eine Ewigkeit dafür brauchen." Dudley C. Stone, amerikanischer Topmanager

Ein Bibelvers - Nehemia 8,3

"Vom Morgen bis zum Mittag las Esra auf dem Platz vor dem Wassertor daraus vor. Die Männer, Frauen und alle, die es verstehen konnten, hörten aufmerksam zu. Das ganze Volk folgte gespannt den Worten der Schrift."

Eine Anregung

Die Leichtigkeit eines Tanzes hat eine Generalkonferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche nicht gerade. Vielleicht kann man sogar sagen: im Gegenteil. Was sich an dieser wichtigsten und grössten methodistischen Konferenz zeigt, lässt sich bei allen Konferenzen beobachten.

Finanzfragen: Da wäre das Ringen um die Finanzen. Geld hat eine Kirche nie genug. Und wenn sie genug hat, dann wird sofort dafür gesorgt, dass es beim nächsten Mal wieder so ist, dass Geld für die Arbeit knapp ist. Entsprechend dauern die Beratungen über Finanzen oft lange und sind in ihrem Inhalt umstritten. Gestern wurde ein Minority Report angenommen. Das hat nichts mit dem spannenden Science-Fiction-Film gleichen Namens zu tun, sondern mit der Möglichkeit, dass die Konferenz sich auch einer Minderheitenmeinung anschliessen kann. Was sie denn auch getan hat, wobei durch die Verhandlungen ein Kompromiss herausgekommen ist zwischen der finanziellen Unterstützung der Ortsgemeinden und dem gesamtkirchlichen Finanzbedarf.

Geschäftsordnung und Zeit: Da wären die Vorgaben durch die parlamentarischen Regeln. Diese sehen vor, dass ein leitender Bischof nur leitet und nicht mitredet. Werden komplizierte Fragen gestellt, können schon einmal Minuten vergehen, bis man sich auf eine Antwort einigt.
Allein schon die elektronische Abstimmung dauert in der Regel 2 Minuten, da es immer wieder technische Probleme gibt. Rednerinnen und Redner brauchen weiter Zeit, um an die Mikrofone zu gelangen. Noch einmal Zeit kosten der Rattenschwanz bei der Selbstvorstellung, und weil sich auch bekannte Personen, die viel reden, jedes Mal wieder von neuem vorstellen in der Form: Name, Vorname, Laien- oder Pfarrperson, Geschlecht, Altersgruppe, Hautfarbe, Herkunft, Abstammung, Gender und Pronomen, vergeht je nach Redetempo dafür beachtlich viel Konferenzzeit. Eine Beschränkung auf das nicht Offensichtliche schiene mir angemessener.
Mit jedem Änderungs- oder Ergänzungs- oder Rückweisungsantrag nimmt ein Geschäft weitere Zeit in Anspruch. Da die Regeln vorsehen, dass jeweils bis drei Personen je dafür und dagegen sprechen können und dabei drei Minuten Redezeit bekommen, dauern solche Verhandlungsteile in der Regel mindestens 20 Minuten. Gestern wurde dann die Redezeit parlamentarisch verkürzt auf zwei Minuten. Das soll bis acht Stunden Zeit einsparen.

Verhandlungsstau: Ein weiteres Muster ist, dass gegen Ende der Konferenz die Zeit für all die Geschäfte, die noch nicht behandelt wurden, knapp wird. So hat die Generalkonferenz zwar gestern einige Vorlagen mehr als die Tage zuvor bearbeitet, und doch sind es heute sogar noch mehr Vorlagen als Gestern, die es bis zum Ende der Generalkonferenz zu behandeln gilt. Auch ein Muster: Eingesparte Zeit wird für anderes wieder verschwendet.

Begleitprogramm: Präsentationen der verschiedenen Player an einer Konferenz müssen unterhalten. Das zumindest ist die Meinung der Macher. Also werden Filme gezeigt, es wird getanzt, und vorgestellt und vieles mehr. Würde man sich auf die Fakten beschränken, dann würde dafür die halbe Zeit ausreichen. Aber es wäre halt nicht so nice.

Konferenzende: Jede Konferenz findet ein Ende. Das ist zumindest eine tröstliche Erfahrung. Also bleiben wir guter Hoffnung. 

PS: Ein beachtlicher Teil der neuen, revidierten Sozialen Grundsätze wurde bereits von der Generalkonferenz angenommen. Es bleiben Abschnitte, für die es Verhandlungen im Plenum braucht.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

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