Mittwoch, 8. Februar 2023

Wutort Bahnhof

Ein Zitat

Der Bahnhof Stadelhofen ausserhalb der Berufsverkehr-Zeiten.
Foto © Jörg Niederer
"Das Ärgerliche am Ärger ist, dass man sich schadet, ohne anderen zu nützen." Kurt Tucholsky (1890-1935)

Ein Bibelvers - Matthäus 21,12

"In Jerusalem ging Jesus in den Tempel. Er jagte alle Leute hinaus, die im Tempel etwas verkauften oder kauften. Die Tische der Geldwechsler und die Stände der Taubenverkäufer stieß er um."

Eine Anregung

Der Ort, von dem die meisten aggressive Kurznachrichten (Tweets) abgesetzt werden, ist der Bahnhof. Auch auf Brücken und an Bushaltestellen neigen Menschen zu virtuellen Wutausbrüchen. Das ergab ein Forschungsprojekt des Kyoto Institute of Technology in den Städten London und San Francisco. Dass gerade Bahnhöfe und Busstationen Orte von Frust-Tweets sind, könnte mit Verspätungen von Zug, Tram und Bus zusammenhängen. Warum aber Brücken zu den Ärger-Hotspots gehören, ist weitgehend unklar.

Nun könnte dies in der Schweiz ja ganz anders sein. Vielleicht wüten bei uns die Menschen eher in grosser Höhe auf aperen Skipisten, oder in überfüllten Restaurants. Vielleicht kommen sie in Kirchen in Rage (das ist gar nicht so abwegig, ist doch Jesus selbst im Tempel besonders wütend geworden), beim Fahrradfahren, oder auf Autobahnen im Feierabendverkehr? Denn bei uns sind die öffentlichen Verkehrsmittel sauber und pünktlich (wenigstens pünktlicher als an den meisten anderen Orten auf der Welt). Folglich gibt es wenig Grund für getippte Wutausbrüche auf Bahnhöfen.

Wo gehst du mit deiner Wut hin? Gibt es Orte, wo dich der Frust garantiert überfällt und nicht mehr loslässt?

Aber auch: Wo bist du ganz und gar glücklich, ausgeglichen und in jeder Hinsicht dankbar?

Darüber denke ich heute einmal nach. Vielleicht besuche ich dazu einen Bahnhof... Dann höre ich mir wieder einmal das Mani-Matter-Lied von den Bahnhöfen an, an denen der Zug jeweils schon abgefahren ist.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

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