Dienstag, 21. Februar 2023

Zweimal den Kopf verloren

Ein Zitat

Die sterblichen Überreste des Heiligen Pankratius in der Stadtkirche St. Nikolaus
Foto © Jörg Niederer
"Nach dem Tod des Onkels wurde Pankratius von einem der Verfolgungsbefehle Kaiser Diokletians erfasst und vor den Kaiser in den Kaiserpalast auf dem Palatin gebracht. Der 14-jährige ließ sich trotz aller Verlockungen nicht vom Glauben abbringen, deshalb wurde er öffentlich vor dem Stadttor der Via Aurelia enthauptet..." Aus dem Heiligenlexikon

Ein Bibelvers - Sprüche 3,3+4

"Liebe und Treue werden dir nicht fehlen. Binde meine Weisung und meine Gebote um deinen Hals! Schreib sie auf die Tafel, die du im Herzen trägst! Dann findest du Zustimmung und Anerkennung bei Gott und bei den Menschen."

Eine Anregung

Heute fand die Pfarrkleingruppen-Sitzung in Wil statt bei meinem Kollegen Chris, der direkt unterhalb der Stadtkirche St. Nikolaus wohnt. Und so besuchte ich anschliessend dort den dritten Stadtheiligen St. Pankrazius (nebst St. Agatha und St. Nikolaus). Dabei handelt es sich um einen Katakombenheiligen aus Rom, der im Jahr 1671 mit 29 weiteren Gebeinen von Papst Clemens X. dem Fürstabt Gallus Alt geschenkt wurde. Im Kloster Notkersegg bei St. Gallen wurden die Gebeine gefasst, kamen dann ich die Schlosskapelle Schwarzenbach, von wo 1672 der Hl. Pankratius in grosser Prozession feierlich nach Wil überführt wurde. Beim Heiligen soll es sich um den Sohn eines reichen Römers in der Türkei handeln, der 290 geboren wurde und ab 303 in Rom lebte. Dort hätte er am Hof des Kaisers Karriere machen können, unter der Vorgabe, dem christlichen Glauben abzuschwören, was er nicht tat. So wurde er 304 als Märtyrer hingerichtet.

1678 hielt der Stadtschreiber Johann Ludwig Müller zum neuen Heiligen in Wil fest: "Gut Ding muss Wyl haben." Tatsächlich beförderte Pankratius in Wil die Wallfahrt in die Stadt viele Jahre lang, was sich finanziell auszahlte. In jeder Zeit gab es Pankratius-Wein zu trinken und zu kaufen. In diesen Wein war zuvor ein Zahn des Pankratius eingetaucht worden, was ihn besonders heilsam gemacht haben soll.

Nun, der Zahn der Zeit nagte auch an Pankratius, und so kamen Zweifel auf, ob der Katakombenheilige wirklich der echte Heilige aus dem 3. Jahrhundert sei. Auszuschliessen ist es nicht.

Noch etwas geschah dem Heiligen in den Neunzigerjahren. Damals verlor er den Kopf zum zweiten Mal. Dieser wurde ihm entwendet, wozu, weiss niemand. Zurück fand er einige Monate später in einem Plastiksack, der an der Türfalle des Pfarrhauses hing.

Nun steht Pankratius mit theatralischem Fingerzeig in seiner vom Augsburger Goldschmied Joseph Anton Seethaler geschaffenen römischen Legionärsrüstung in einem Seitenaltar der Stadtkirche und geniesst wohl seine vorläufig letzte Ruhe.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

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