Ein Zitat
"Wenn man weiss, warum man gelebt hat, vielleicht auch nur ahnt, worauf es ankommt und wohin es mit uns hinaus will, dann kann man ebenso gut weiterleben wie abgerufen werden: Man ist einverstanden mit dem einen wie mit dem anderen." Hannelore Frank (1927-1973)Foto © Jörg Niederer
Ein Bibelvers - Prediger 3,1+4
"Für alles gibt es eine bestimmte Stunde. Und jedes Vorhaben unter dem Himmel hat seine Zeit: ... Eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen. Eine Zeit zum Klagen und eine Zeit zum Tanzen."
Eine Anregung
In der Bahnhofsunterführung in Zürich tanzt ein Paar selbstvergessen, während Reisende an ihnen vorbeieilen.
Ich denke zurück an den Besuch bei meiner Mutter, fünf Tage, nachdem mein zwei Jahre jüngerer Bruder überraschend verstorben ist. Auf ihrem Tisch im Altersheim liegt das Gesangbuch der Methodisten aufgeschlagen bei einem Lied, das Gottes Weg bei den Menschen als Tanz beschreibt. Der deutschsprachige Text des englischen Lieds: "I danced in the morning when the world was begun" nimmt mich mit, bewegt von der jüngsten Erfahrungen von Tod und Leben.
"Ich tanzte im Himmel, als die Welt begann, / mit Sonne und Mond; und der Schöpfungstanz fing an. / Ich tanzte voll Liebe in die Welt hinein; / in Betlehem, dort wurde ich ganz klein./ Tanzt! Tanzt! Ich führe euch zum Tanz. / Ich bin der Meister, ich trag den Kranz, / bis die ganze Welt sich dreht in meinem Glanz. / Tanzt mir nach, ich lehr euch den Lebenstanz."
Vor 61 Jahren freuten sich meine Eltern über die Geburt ihres zweiten Sohns. Doch nun sind die Tage tränenreich.
"Ich tanzte am Freitag; doch das Todesholz, / das drückte mich nieder, das Böse tanzte stolz. / Der Himmel war finster und mein Tanz schien aus; / doch mein Tanz, der führt' aus dem Tod hinaus."
Ich weiss gar nicht, ob mein verstorbener Bruder tanzen konnte. Musik und Kunst liebte er.
"... / Bei mir ist das Leben, denn ich bin der Sinn. / Ich führe euch tanzend zum Vater hin."
Im Gesangbuch unter diesem Lied, auf dem verbleibenden Platz, stehen Worte von Hannelore Frank, der ersten Pfarrerin im Ort List auf der Insel Sylt: "Hoffnung / das Vertrauen, dass noch etwas kommt, / fast gegen die Vernunft und sämtliche Erfahrungen." Diese Worte trösten mich.
Die Melodie des Lieds klingt in mir nach:
"Tanzt! Tanzt! Ich führe euch zum Tanz. / ... / Tanzt mir nach, ich lehr euch den Lebenstanz."
Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde
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