Ein Zitat
"Vor fünf Jahren war ich Lehrer als jetzt." Toni Lüthy (1940-2018), einst Lehrer, zuletzt Pfarrer in St. GallenFoto © Jörg Niederer
Ein Bibelvers - Richter 20,16
"Außerdem befanden sich unter den Kriegsleuten 700 ausgewählte Soldaten, allesamt Linkshänder. Die konnten Steine haargenau schleudern, ihr Ziel verfehlten sie nicht."
Eine Anregung
Gelegentlich nehme ich alte Notizhefte hervor, und lese darin. Es gab eine Zeit, in der ich bitterböse Geschichten voller sinistrer Gedanken geschrieben habe.
"Sinister" ist ein anderes Wort für "düster, finster, unheilvoll". Als weitere Synonyme nennt wiktionary auch "links, linksseitig". Denn das lateinische Adjektiv "sinister", das wir im Deutschen als Fremdwort verwenden, bedeutet nichts anderes als "links". So habe ich also sinistre Gedanken mit meiner sinistren Hand zu Papier gebracht.
Sinister = links, finster, unheilvoll; Ich fühle mich gerade etwas diskriminiert als Linkshänder. Nicht, dass ich beim Schreiben mit Tinte weit häufiger Seiten noch einmal erstellen musste, weil ich mit Links die Tinte verwischt habe, und dies selbst wenn ich beim Schreiben die Arm- und Handhaltung unnatürlich über den Text drehte. Nein, nicht genug damit. Jetzt erfahre ich auch noch, dass dieses Schreiben sinister sei, also finster und unheilvoll schon in der Ausführung.
Zweifellos sind die Linken die Schlechten; linke Hunde, solche, die man links liegen lässt. Selbst die Redensart: "Etwa mit Links machen" meint abwertend, dass es dafür kein besonderes Geschick brauche.
Gerade lese ich, dass die biblische Bezeichnung für Linkshänder indirekt geschah, indem man auf deren "ungeschickte, lahme, gehemmte rechte Hand" hinwies. Voila, da haben wir es.
Ehud war ein Benjaminit. Benjamin bedeutet wörtlich übersetzt: "Sohn der rechten Seite". (Richter 3,15). Ausgerechnet dieser Mann der rechten Seite war Linkshändler.
Versöhnlich stimmt mich der Hinweis, dass es unter den Soldaten im Stamm Benjamin 700 Elitesoldaten gab, die – allesamt Linkshänder – mit ihrer Steinschleuder ein Haar treffen konnten. Also aufgepasst, dass ich nie eine Steinschleuder in die Hand bekomme!
Beim Kampf und Krieg scheinen Linkshänder erwünscht gewesen zu sein. Sonst wurde ihnen, Mädchen wie Knaben, die Linkshändigkeit über viele Jahrhunderte hinweg mit Schlägen ausgetrieben. Bei mir zum Glück nicht mehr. Aber der schlechte Ruf der Linken ist geblieben und lebt in den Redensarten und der Sprache fort.
Ein Gutes hat es, meine Linkshändigkeit: Ich kann nun mit meiner linken Hand mit gutem Grund sinistre Gedanken und düstere Geschichte niederschreiben. Sinistre Handschrift, sinistrer Inhalt. Wer ein Muster davon lesen möchte, muss mich halt dazu ermuntern.
Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde
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