Montag, 23. Januar 2023

Schräge Vögel

Ein Zitat

Ein Gänsesäger-Weibchen posiert für ein spezielles Portrait.
Foto © Jörg Niederer
"Der Teufel ist ein Pflanzenfresser, er hat Hufe und Hörner." Georges Léopold Chrétien Frédéric Dagobert, Baron de Cuvier (1769-1832)

Ein Bibelvers - 1. Mose 27,21+22

"Da sagte Isaak zu Jakob: 'Komm doch näher, mein Sohn, damit ich dich betasten kann. Bist du mein Sohn Esau oder nicht?' Jakob trat an seinen Vater Isaak heran. Der betastete ihn und sagte: 'Die Stimme ist Jakobs Stimme, aber die Hände sind Esaus Hände.'"

Eine Anregung

Ist sie nicht eine ganz besondere Dame? Das Gänsesäger-Weibchen zeigt sich von der schönen Seite. Man beachte die frisch geputzte Schwingen, den strubbeligen Kopf und die feinen Sägezähne, die dem Vogel zu seinem deutschsprachigen Namen verholfen haben. Bei uns sind die Gänsesäger die grössten Entenvögel. Es gibt etwa 600-800 Brutpaare, und doch ist dieser schöne Fischjäger und Tauchvogel potentiell gefährdet.

Ein anderer schräger Vogel ist mir gestern begegnet. Es begann damit, dass ich in der Morgendämmerung beim Bahnhof St.Gallen einen Storch klappern hörte. Verwundert schaute ich hoch in die Richtung, aus welcher das Geräusch kam. Da war aber weit und breit kein Adebar zu sehen. Später dann klapperte der Storch wieder, diesmal direkt vor meinem Bürofenster. Draussen sass lediglich eine Rabenkrähe zuoberst auf der Eiche und schaute zu mir herunter. Dann öffnete sie den Schnabel und krächzte nicht etwa, sondern klapperte, wie es die Störche tun. Das intelligente Tier (Rabenkrähen verwenden Werkzeuge) ahmte das Begrüssungsritual der Störche perfekt nach: Selbst das Anschwellen und Abschwellen des Klapperns war deutlich zu hören. Ich war fasziniert.

Ob die Rabenkrähe einfach Spass daran hat, andere Vogellaute nachzumachen? Ob sie sich dadurch einen Vorteil verschaffen kann? Haben wir es mit einem Fan des Storchs zu tun?

Auch Menschen geben sich immer einmal wieder für etwas anderes aus, als sie sind. Oder sie eifern äusserlich und in der Sprache ihren Idolen nach. Da frage ich mich, ob ich nicht auch ab und zu jemand anderes sein möchte, unzufrieden bin mit mir selbst? Oder bin ich gar ein schräger Vogel, und sollte alles tun, um genau das zu bleiben: ein schräger Vogel?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

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