Freitag, 3. Juni 2022

Der orthodoxe Mönch und der Lippenstift

Priester Mihail Adam am Fenster der Rumänisch-orthodoxen Kirche in Abtwil
Foto © Jörg Niederer
Ein Zitat

"Ikonen begleiteten das Christentum seit seinem Aufbruch bis zum heutigen Tage."

Ein Bibelvers - 1. Petrus 5,14

"Grüßt euch untereinander mit dem Kuss, der eure geschwisterliche Liebe zueinander ausdrückt. Friede sei mit euch allen, die ihr zu Christus gehört!"

Ein Anregung

Die Arbeitsgemeinschaften Christlicher Kirchen von Zürich, Winterthur, St.Gallen und beider Appenzell trafen sich zu ihrer jährlich einmal stattfindenden Weiterbildung in St. Gallen.

Auch zu Besuch war man in der Rumänisch-orthodoxen Kirche, welche in einem Industrie- und Gewerbehaus in Abtwil eingemietet ist. Es ging im Wesentlichen um die Sozialarbeit von Kirchen, aber natürlich liessen sich die Gäste auch gerne über die Einrichtung einer orthodoxen Kirche informieren. Dabei stellte jemand fest, dass einige Ikonenbilder von einer Glasscheibe bedeckt wurden. Priester Mihail Adam erklärte, dass die Verehrung der Heiligen das Küssen der ikonischen Bilder beinhaltet. Mit der Zeit würden diese wertvollen Werke durch Lippenstift der Frauen beeinträchtigt. Auf Glas lassen sich die Spuren leicht entfernen, nicht aber auf der Ikone selbst.

Dazu erzählte der Priester eine Anekdote, ob von sich selbst oder von einem andern Priester weiss ich nicht mehr sicher. Auf jeden Fall fragte der Priester seinen Beichtvater, ein Mönch, der zugleich Fachmann für die Restauration von Ikonen war, ob es möglich sei, den Lippenstift von der Ikone zu entfernen, ohne das Kunstwerk zu zerstören. Der Beichtvater wusste es nicht, hatte er doch sonst mit ganz anderen Verunreinigungen und Schäden zu tun. So meinte er: "Ich werde morgen Lippenstift kaufen, und dann ausprobieren, wie man ihn von den Ikonen wegbekommt."

Nun stelle man sich einen orthodoxen Mönch vor, der sich in einem Kosmetikfachgeschäft bei der jungen Verkäuferin nach Lippenstift erkundigt. Da muss man ja auf falsche Gedanken kommen. Verständlich also, dass der Mönch schlussendlich auf einem anderen Weg zum Lippenstift für das Kunstexperiment gekommen ist.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

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