Donnerstag, 16. Juni 2022

Apokalyptisch hoffen und glauben

Ein Zitat

Das Gemälde von Maurice Barraud zum Kampf der Frau mit dem Drachen (aus Offenbarung 12) in der Universitätskapelle Miséricorde in Fribourg
Foto © Jörg Niederer
"Dass dereinst eine Sintflut war, scheint mir kein so großes Wunder wie dies, dass nicht immer eine ist." Thomas Browne (1605-1682), englischer Philosoph

Ein Bibelvers - Offenbarung 12,4

"Der Drache stand vor der Frau, die gerade ihr Kind zur Welt brachte. Denn er wollte das Kind verschlingen, sobald sie es geboren hatte."

Ein Anregung

Die Kapelle Miséricorde ist Teil der Universität in Fribourg. Sie wurde von den Architekten Fernand Dumas und Denis Honegger als typischer Bau der Zwischenkriegsjahre im Stil der "nouvelle tradition" gebaut. Die Kapelle ist ein Beispiel für die von der 1927 entstandenen Lukasgesellschaft geprägten Idee eines Gesamtkunstwerkes mit einheitlichem Konzept, an dem mehrere Künstler beteiligt sind. 

Am 7. Mai 1944 wurde die Kapelle eingeweiht, damals noch ohne die apokalyptischen Bilder des Genfer Künstlers Maurice Barraud (1889-1954). Diese folgten erst 1946.

An der einen Wand ist der Kampf zwischen Frau und Drache dargestellt, wie er in Offenbarung 12 beschrieben wird. Der Seher Johannes sitzt mitten in der Vision und sieht, nicht ohne Furcht: Noch ist der siebenköpfige Drache nicht besiegt. Doch die Frau hat das Kind (Christus) geboren. In der Folge wird es aus Todestiefen in den Himmel entrückt. Die Frau (die Kirche) aber überlebt weitere Angriffe der Schlange.

Es ist ein passendes Bild für die Nachkriegszeit. Das Weltkriegs-Morden ist vorüber, die Welt hat überlebt, die Kirche ebenso. Doch nach wie vor sind beide bedroht. Die Geschichte vom Kampf der Frau mit dem Drachen endet in der Bibel denn auch mit dem unheilschwangeren Satz: "Der Drache trat an den Strand des Meeres".

Was mir am Bild auffällt: Wie gelassen die Frau wirkt; wie das Kind nicht von dem Drachen zurückweicht. In aller Bedrohung ist da eine grosse Sorglosigkeit. Hoffnung, die nicht zerstört werden kann.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

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