Samstag, 19. Juni 2021

Kirche als Kaleidoskop verschiedener Glaubenshaltungen

Ein Gedanke

Claudia Haslebacher führt ins Gespräch zum Szenario Kaleidoskop ein
Foto © Jörg Niederer
"Unser Leben gleicht einem Kaleidoskop. Immer wieder neue, wechselnde, bunte Bilder. Geschaffen aus unzähligen Scherben." Elvira von Ostheim

Ein Bibelvers - 2. Könige 10,15

"Jehu ... traf Jonadab... Er grüßte ihn freundlich und fragte ihn: 'Wie sieht es in deinem Herzen aus? Kann ich mich so auf dich verlassen, wie du dich auf mich verlassen kannst?' Jonadab antwortete: 'Ja!' Da sprach Jehu: 'Ja? Dann gib mir darauf deine Hand!' Und er gab sie ihm."

Eine Anregung

"Kaleidoskop" nennt sich das Szenario, das eine Arbeitsgruppe der Jährlichen Konferenz Schweiz-Frankreich-Nordafrika vorschlägt, als Antwort auf eine mögliche bevorstehende Trennung wegen unterschiedlicher Ansichten zur Homosexualität.

Ziel dabei ist, dass möglichst viele Menschen in einer zukünftigen Evangelisch-methodistischen Kirche (EMK) bleiben können. Dies ist nur möglich, wenn die verschiedenen Haltungen eine Heimat finden können innerhalb der Strukturen der EMK. Aus diesem Grund sollen die Ausrichtungen der Gemeinden und der Pfarrpersonen bei den Dienstzuweisungen berücksichtigt werden. Diskriminierende Abschnitte der Kirchenordnung sollen entfernt werden.

Am gestrigen Freitagnachmittag diskutierten die Delegierten den Vorschlag an der Jährlichen Konferenz (Synode). Claudia Haslebacher leitete zum Gespräch an. Noch einmal betonte sie, dass es oberstes Ziel sei, möglichst viele Gemeinden zu einem gemeinsamen Weg zu bewegen.

Hier einige Voten aus dem weiteren Austausch im Plenum:

Heiner Studer vermutet, dass die Entwicklung zu zwei Kirchenteilen "passive Sterbehilfe" bedeute. Die Lebensfähigkeit der EMK sei dann wohl in Frage gestellt. Er sieht im Kaleidoskop eine liberale Ausrichtung.

Bischof Patrick Streiff erklärte darauf noch einmal die Prozesse in der weitweiten Kirche. Die Generalkonferenz 2019 hat einen traditionellen Plan angenommen, bei dem alle nicht gleichdenkenden Menschen und Konferenzen ausgeschlossen würden. Das löste grosses Entsetzen aus und führte zu einer Arbeitsgruppe, bestehend aus allen Lagern, welche einen Antrag formulierten. Das "Protokoll zu Versöhnung und Trennung" sieht vor, dass die EMK als EMK bestehend bleibt, wobei man sich in Fragen der Homosexualität öffnen würde. Alle, die das nicht wollen, können auf versöhnliche Weise und mit den Kirchen-Vermögensanteilen aus der EMK austreten. Das wird vermutlich zu einer neuen konservativen, methodistischen Kirche führen.

Antoine Da Silva sieht einen Paradigmenwechsel bei der Kirche als Leib Christi. "Als Christen sind wir verbunden mit Christus und verantwortlich für die Kirche." Die Anerkennung von LGBTQ würde bedeuten, dass die traditionelle Linie verlassen würde. Das sei gefährlich, und öffnet das Tor für fremde Geister. Er könne es sich nicht vorstellen, lesbische oder homosexuelle Paare zu trauen. Das wäre gegen alles, was er glaube.

Janick Buser berichtet, dass das Kaleidoskop vom Jugendrat einstimmig unterstützt werde. Persönlich sei er für die Öffnung gegenüber den Homosexuellen und möchten die Einheit der schweizerischen EMK bewahren. Zugleich fragt er sich, ob die Spaltung nicht auf die Ebene der Gemeinden und Einzelpersonen verschoben werde.

Johann Wäfler ist besorgt wegen der Extrempositionen auf beiden Seiten. Für die einen scheint das Szenario beschlossen, die andern fühlen sich abgelehnt. Er bittet darum, weiter im Gespräch zu bleiben.

Christian Minder merkt an, dass die Streichung der diskriminierenden Artikel zur Homosexualität aus der Kirchenordnung auch zu einer Liberalisierung führen werde.

Stefan Ilg bittet, dieses ungeliebte Thema weiter zu behandeln, und nicht aus Diskussionsmüdigkeit oder andern Gründen den Dialog abzubrechen. "Warten kann sich lohnen." Das habe er persönlich mit dieser Kirche so erlebt.

Michael Bünger beschäftigt eine Sorge: Dass sich die Kirche nicht verändert. Und er hat die Hoffnung, dass sich die Kirche laufend ändert. Beispielhaft nennt er Themen wie "Kinder beim Abendmahl" oder die Kindertaufe. Er bittet darum, dass die Kirche offen bleibt für alle Menschen.

Théo Paka möchte verstehen, warum es homosexuelle Anziehung gibt. Er unterstützt das Kaleidoskop. "Christus ist nicht nur für mich gestorben, er ist auch für den Freund, Bruder, die Schwester gestorben." An der Generalkonferenz erlebte er den Ausschluss vieler Menschen, und fragt sich: "Wir haben intelligent auf die verschiedenen Taufverständnisse reagiert. Warum geht das nicht auch bei dieser Frage?"

Annemarie Studer wünscht sich wieder andere Diskussionen und Gespräche, z.B. zu den Flüchtlingen.

Etienne George beschäftigt es, warum man nicht mehr mit verschiedenen Meinungen in einer Kirche sein kann. Und er beatwortet diese Frage gleich selbst: "Weil man heute eine Kirche ist, in der man nur noch eine Haltung zulässt".

Esther Wetzel hat die grosse Bitte, trotz Angst und Sorgen im Gespräch zu bleiben. Durch Gespräche sei sie selbst weitergekommen.

Markus Bach möchte in einer Kirche bleiben, aus der niemand ihn wegen abweichender Meinung hinausdrängt. "Das Konferieren ist Teil unseres Kircheseins." Darum unterstütze er Kaleidoskop.

Abschliessend beschreibt Iris Bullinger den weiteren Weg bis 2023 und betont: "Wir haben Zeit, in den Gemeinden/Bezirken aufeinander zu hören, miteinander zu reden, einen Weg zu gehen." Der Bereich Gemeindeentwicklung unterstützt diese Gespräche mit Hilfsmittel und personell. 

Ab Anfang September werden die Texte im Zusammenhang mit dem Szenario Kaleidoskop für die Gemeindeglieder verfügbar sein.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

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