Samstag, 22. Juni 2024

Hoffnungszeichen am Abgrund

Ein Zitat

Eine Pyramiden-Knabenkraut, auch Pyramiden-Hundswurz genannt, wächst am Bord der Schnellstrasse von Rothrist.
Foto © Jörg Niederer
"Nichts ist so gut, wie es zunächst den Anschein hat." George Eliot (1819-1880), eigentlich Mary Ann Evans

Ein Bibelvers - Kolosser 2,2b-4

"Denn sie sollen das Geheimnis Gottes erkennen: Christus. In ihm sind alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen. Das sage ich, damit euch niemand durch seine Überredungskünste täuschen kann."

Eine Anregung

Während der Tagung der Jährlichen Konferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche Schweiz-Frankreich-Nordafrika führte mich mein täglicher Fussweg entlang der Ausfallstrasse zwischen dem Dorf Rothrist und der Autobahnausfahrt. Es war nicht einfach, zwischen den mit 80 Stundenkilometern heranbrausenden Autos die Strasse zu überqueren, da, wo auf der anderen Seite eine kleine Holztreppe ins Quartier führte. Genau dort fiel mir die Orchidee auf, die da ganz allein und hellrot blühend den Blick buchstäblich auf sich zog. Wer hätte an diesem Ort ein Pyramiden-Knabenkraut vermutet. Es passte so gar nicht in diese trostlose Umgebung. Doch es stand da und verstreute Freude.

Warum heute der deutsche Namen Hundswurz bevorzugt wird, weiss ich nicht. Benannt ist sie wohl so, weil man früher dachte, die Orchidee sei für Hunde giftig. Das hat sich aber als falsch erwiesen. Auch gaukelt die Pflanze den bestäubenden Schmetterlingen reiche Nahrung vor. Diese finden dort aber gar keinen Nektar, so dass sie ohne Gegenleistung wieder abflattern müssen.

Mich hat das blühende Pyramiden-Knabenkraut jeden Morgen und jeden Abend auf meinem Weg erfreut. Schön, dass es in dieser unwirtlichen Situation am Rand des Abgrunds Signale der Hoffnung aussendet.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Freitag, 21. Juni 2024

Türschliessung

Ein Zitat

Nach 6 Jahren schliesst am Samstag, 22. Juni das Be You Café in Frauenfeld.
Foto © Jörg Niederer
"'Die Leute sollen sich wohlfühlen', sagt sie. Daher komme auch der Name 'Be You'." Aus dem Beitrag der Zuger Zeitung zur Eröffnung des Be You Cafés in Frauenfeld.

Ein Bibelvers - 1. Mose 24,31

"Komm mit, du vom Herrn Gesegneter! Warum stehst du hier draußen? Ich habe im Haus schon alles herrichten lassen, auch für die Kamele ist genug Platz."

Eine Anregung

Ich besuche an meinem Wohnort in Frauenfeld nicht oft Restaurants. Aber im Be You Café gleich zwischen Bahnhof und Murg war ich gerne zu Gast. Nun schliesst das Café nach sechs Jahren am morgigen Samstag um 18.00 Uhr seine Türen für immer.

Hinter dem Be You Café stand mit Linda Portmann eine Absolventin des ISTL (International Seminary of Theology and Leadership). Bevor sie 2018 das Café eröffnete, arbeitete sie als Jugendpastorin bei der Viva Kirche (Chrischona) Stein am Rhein. 

Das Café am Lindenplatz zog nebst den Bahnhofpassanten entsprechend viele Menschen mit kirchlichem und christlichem Hintergrund an. Im Be You Café kam ich auch mit dem Buchautor Usama Al Shahmani näher ins Gespräch. Kinder waren gerne gesehen. Und zuletzt trafen sich die drei in Frauenfeld wohnhaften Methodistenpfarrer genau da zu ungezwungenen Gesprächen.

Das Café war eines dieser Projekte, welche man als Fresh Expressions of Churches bezeichnen könnte. In unaufdringlicher Weise wird dabei der christliche Glaube hinausgetragen, dahin, wo die Menschen sind. Gemeinsam mit der Restaurantkultur haben solche Projekte den Charakter der zeitlichen Begrenzung. Sie kommen und gehen. Ich finde es Schade, dass morgen Samstag nun die Dernière stattfindet. 

Linda Portmann dankt zum Abschied den Gästen des Cafés: "Jetzt so kurz vor dem Ende wird es doch noch sehr emotional für mich, denn ich habe die Zeit die ich im Café mit euch, meinen Kunden verbringen durfte, sehr genossen. Ich bin extrem positiv überrascht von all den wohlwollenden, grossartigen und liebeswürdigen Menschen, die mich über diese Jahre hinweg unterstützt und ermutigt haben; einfach dadurch, dass sie gerne in mein Café gekommen sind."

So sage ich an dieser Stelle auch ganz herzlich Danke. Ich war gerne im Be You Café zu Gast, und werde es vermissen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Donnerstag, 20. Juni 2024

urban und höflich

Ein Zitat

Der Prime Tower in Zürich.
Foto © Jörg Niederer

"Begegne den Menschen mit der gleichen Höflichkeit, mit der du einen teuren Gast empfängst."
Konfuzius (551-479 v.Chr.)

Ein Bibelvers - Römer 12,10-11

"Liebt einander von Herzen als Brüder und Schwestern. Übertrefft euch gegenseitig an Wertschätzung. Lasst nicht nach in eurem Eifer. Lasst euch vom Geist anstecken und dient dem Herrn."

Eine Anregung

Wo sind die Menschen höflicher; auf dem Land oder in der Stadt?

Im Dorf, da grüsst man sich, in der Stadt geht man wortlos aneinander vorbei. Auf dem Land kennt man sich und hilft sich. In der Stadt nimmt niemand vom andern Notiz. In der Stadt beschimpfen die staugeplagten Autofahrenden die unverschämten Fahrradfahrer. Auf dem Land hat man Zeit und Fahrrad fahren sowieso nur die Schülerinnen. In der Stadt gibt es ein ausgeprägtes, parfümiertes Kulturleben, im Dorf riecht es in besten Fall einmal nicht nach Jauche. In der Stadt ist Schickimicki, auf dem Land herrscht gelassene Normalität.

Wo sind die Menschen also höflicher? Ich würde sagen, auf dem Land. Weil man sich da noch kennt? 

Das war aber nicht immer so. Angesichts der Urbanität von Zürich habe ich mich gefragt, woher das Wort oder der Name "Urban" kommt. Wikipedia sei Dank habe ich es herausgefunden. Grundlage dieses in viele Sprachen übernommenen Fremdworts ist der lateinische Begriff "urbs" (nein, kein Rülpser). "Urbs" steht für "Stadt" und insbesondere für "Rom". Davon abgeleitet bedeutet "urban" "städtisch" oder "der Städter"; und nun kommts: "urban" steht auch für "der Höfliche, Feingebildete".

Zur Zeit von Papst Urban I. (gestorben 230) wurden die Städter also gleichgesetzt mit höflichen Menschen. Ob das wohl eine schmeichelhafte Selbstbezeichnung war, in Abgrenzung zur barbarischen, ungebildeten Landbevölkerung? Sahen sich so die Urbanen und Feingeistigen? 

Fragt sich, ob Höflichkeit eine christliche Tugend ist? Es sieht ganz danach aus. So soll gemäss Bibel ein Mensch jede andere Person höher achten als sich selbst (Philipper 2,3). Paulus rät weiter, dass wir uns gegenseitig an Wertschätzung übertreffen sollen. So sieht Höflichkeit aus, die auf die Spitze getrieben ist. Wie sähe wohl die Welt aus, wenn wir uns alle daran halten würden? Wenn alle urban, höflich und zuvorkommend handeln und leben?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Mittwoch, 19. Juni 2024

Leben aus trüben Tassen

Ein Zitat

Ein ungepflegter, zugewachsener Brunnen im Zentrum von Rothrist.
Foto © Jörg Niederer
"...ein Brunnen, der in den Himmel schaut." Fernando Pessoa (1888-1935)

Ein Bibelvers - Sprüche 13,14

"Die Weisung, die ein kluger Mensch gibt, ist eine Quelle des Lebens. Wer sich daran hält, entgeht dem Tod."

Eine Anregung

Der Brunnen bringt viel Wasser. Auch wenn die Ausflussröhre schief sitzt, und der Wasserstrahl nicht die Mitte der Brunnenachse trifft. Der Brunnen bringt viel gutes Wasser. Auch wenn sich im Wasser Algen bilden und am Rand des Brunnentrogs als einen grünen Saum ansammeln. Der Brunnen bringt viel gutes Trinkwasser, auch wenn Gras und Brombeerdornen es nicht leicht machen, aus ihm zu trinken. Der Brunnen plätschert lustig vor sich hin, auch wenn am dazugehörigen Haus die Läden schief, die Schilder verrostet sind; der Anblick traurig macht.

Mir gefällt dieser Brunnen. Weil er aus der Reihe fliesst bei all den schönen anderen öffentlichen Wasserspendern in Rothrist. So unansehnlich wie er ist, tut er doch, was er soll. Er kommt seiner Bestimmung nach, Wasser zu geben, Leben zu sichern.

Es ist viel besser, einen solchen Brunnen im Garten zu haben, als einen, der, kunstvoll geformt, trocken da liegt.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Dienstag, 18. Juni 2024

70 Jahre, und das Ende ist nicht abzusehen

Ein Zitat

Ernst Gisler ist mir auch als "Wort zum Sonntag"-Sprecher in guter Erinnerung. Das Foto entstand an seinem 60-Jahr-Jubiläum als Methodistenpfarrer an der Jährlichen Konferenz 2024.
Foto © Sigmar Friedrich (bearbeitet)
"Neben der 'Tagesschau' ist das 'Wort zum Sonntag' das zweitälteste TV-Format von SRF, das ununterbrochen ausgestrahlt wird." SRF

Ein Bibelvers - Jesaja 40,8

"Ja, das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt für alle Zeit."

Eine Anregung

Seit 70 Jahren gibt es das "Wort zum Sonntag", das, anfänglich auch an Sonntagen ausgestrahlt, heute seinen Platz im Samstag-Vorabendprogramm von SRF gefunden hat. Dazu gibt es nun eine Jubiläumssendung, in der die katholische Theologin Ines Schaberger von St. Gallen einige Einblicke in frühere Sendungen gibt.

Als an der Tagung der Jährlichen Konferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche Schweiz-Frankreich-Nordafrika die Jubilarinnen und Jubilare gefeiert wurden, sass da mit Ernst Gisler, er feierte das 60. Dienstjubiläum als Pfarrer, ein von mir gern gesehener "Wort-zum-Sonntag"-Sprecher in der Runde. Das liegt allerdings schon wieder einige Jahre zurück. Als einer meiner ersten Distriktsvorsteher war er ein motivierender und prägender Pfarrkollege, ohne den ich vielleicht nicht da wäre, wo ich heute bin. 

Zurück zum "Wort zum Sonntag". Ob das Format die galoppierende Säkularisierung weitere 70 Jahre überleben wird, halte ich für eher unwahrscheinlich. Mal schauen, ob ich das 100-Jahr-Jubiläum dieser Meinungs- und Glaubenssendung erleben darf. Das ist ja nicht nur von der Sendung abhängig.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Montag, 17. Juni 2024

Die Ersten und die Letzten

Ein Zitat

Helferinnen und Helfer an der Tagung der Jährlichen Konferenz versammeln sich vor dem Breitesaal Rothrist zu einem Gruppenfoto.
Foto © Jörg Niederer
"Christen glauben an einen bedürftigen, durstigen Gott." Bischof Stefan Zürcher in der Konferenzpredigt

Ein Bibelvers - Offenbarung 21,6

"Ich bin das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende. Ich werde dem Durstigen Wasser geben, das aus der Quelle des Lebens fließt. Ich gebe es ihm umsonst."

Eine Anregung

Sie sind da, bevor alle anderen kommen, und sie bleiben auch noch, wenn alle anderen gegangen sind. Die Helferinnen und Helfer an Veranstaltungen. So war es auch an der gestern zu Ende gegangenen Tagung der methodistischen Jährlichen Konferenz Schweiz-Frankreich-Nordafrika. 

Ohne die Helferinnen und Helfer geht es nicht. Sie haben den Delegierten die Tage ausgesprochen angenehm gestaltet, waren da, wenn man sie brauchte, gaben Rat und förderten auch eine Säge zu Tage, wenn danach gefragt wurde, selbst wenn diese dann gar nicht zum Einsatz kam.

Helferinnen und Helfer sind die Ersten und die Letzten an einem Anlass. Damit rücken sie ganz nahe zu Gott, von dem die Bibel sagt, er sei der Erste und Letzte, der Anfang und das Ende, Alpha und Omega.

Was inhaltlich dabei an so einer Tagung herauskommen kann, wenn dank Helferinnen und Helfer Infrastruktur und Rahmenprogramm und Toilettensauberkeit und Gepäckaufbewahrung stimmen, davon kann man sich auf der Webseite zur Jährlichen Konferenz ein Bild machen. Das ist auch die ideale Quelle, um vom gelungenen Anlass im Rothrist der Wasserläufe und Tranksame in den eigenen Gemeinden zu berichten.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Sonntag, 16. Juni 2024

Anfangen und Vollenden

Ein Zitat

Grégoire Chahinian präsentiert den Bericht der Distriktsvorsteherin und der Distriktsvorsteher.
Foto © Jörg Niederer
"Deshalb liegt es an uns, auf sie zuzugehen, uns zu 'destabilisieren'... aus Liebe!" Grégoire Chahinian

Ein Bibelvers - Johannes 17,18; 20,21

"Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich jetzt euch!"

Eine Anregung

Der Konferenzgottesdienst der methodistischen Kirche Schweiz-Frankreich-Nordafrika ist ein Höhepunkt im Kirchenjahr und wird heute ab 10.00 Uhr aus Rothrist per Livestream übertragen.

Im Rückblick auf die Tagung des methodistischen Kirchenparlaments möchte ich einige Sätze aus dem Bericht der Distriktsvorsteherin und der Distriktsvorsteher hier wiedergeben. Formuliert hat den Bericht in diesem Jahr Grégoire Chahinian. Seine Worte, er ist für Frankreich zuständig, haben eine besondere Aktualität in diesen Tagen, in der sich ein Teil der französischsprachigen Gemeinden aus der Evangelisch-methodistischen Kirche gelöst und eine eigene Kirche gegründet hat. 

Hier also einige Zitate aus dem Bericht der Distriktsvorsteherin und der Distriktsvorsteher: 

"Jesus ist dafür bekannt, ein Freund der Sünder zu sein, und nicht nur 'Kontakte' zu ihnen zu haben."

"Es ist zwingend notwendig, dass unsere Gemeinden heute ihren öffentlichen Aussenraum definieren, damit sie wissen, wie sie dort präsent sein und ihre Mitmenschen lieben können."

"Man muss sich wirklich der (realen und normalen) psychologischen Barriere unserer Zeitgenossen bewusstwerden: wie schwierig es für sie ist, zu uns zu kommen, sich von ihrer Familie abzugrenzen, an einen unbekannten Ort zu kommen. Es ist eine fast unmögliche Mission für sie! Sich so sehr verunsichern lassen? Stellen wir uns vor, wir würden uns in ihre Lage versetzen und sie zu einer Veranstaltung begleiten, die uns selbst irritiert: zum Beispiel zu einem Hahnenkampf!"

"Wie auch immer, ob er es will oder nicht, der Christ trägt Christus (mit und) in sich!"

"Wir wollen, dass unsere Freunde an Christus glauben... aber: Haben wir den Mut, sie unserer Kirche so vorzustellen, wie sie sind; oder ziehen wir es vor, dass sie erst 'geläutert' werden, bevor wir sie in die Kirche integrieren?"

"Und noch bevor sie [die Jünger] wirklich bekehrt sind (vgl. Lukas 22,31ff), lässt Jesus sie arbeiten, gibt ihnen Taten auf, die sie tun sollen, bezieht sie in seinen Auftrag ein..."

"All dies, um zu zeigen, dass die Pädagogik Jesu nicht lautete: 'Glauben -> im Leben umsetzen -> Dazugehören', sondern umgekehrt: 'Dazugehören -> im Leben umsetzen -> Glauben'."

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen 

Samstag, 15. Juni 2024

Sprudel und Harfe wacht auf

Ein Zitat

Pernilla Palmberg spielt konzentriert auf der Harfe, beobachtet von Gunnar Wichers.
Foto © Jörg Niederer
"Wenn eine Apfelsine und ein Apfel eine Konferenz abhalten würden, könnte dabei eine Birne herauskommen." Ronald Reagan (1911-2004)

Ein Bibelvers - Sprüche 10,19

"Wo viel geredet wird, bleiben Fehler nicht aus. Wer aber seine Zunge im Zaum hält, zeigt Verstand. Was ein Gerechter sagt, ist reines Silber wert, was Frevler sich ausdenken, dagegen nichts."

Eine Anregung

An Konferenzen sammelt sich das ganze Spektrum menschlicher Reaktionsfähigkeit. Absolute Aufgeregtheit wechselt sich ab mit einem gefahrlosen Sekundenschlaf. Einmal ist man ganz bei der Sache, dann nur noch halb oder gar nicht. Auch das Studium menschlicher Frisuren und Lautäusserungen hilft mitunter, sich die Zeit totzuschlagen. Wobei die einen etwas langweilig finden, dieweil andere vor Aufregung über die gleiche Sache ganz aus dem Häuschen geraten. Meist sind die Vortragenden die, welche ihre Anliegen besonders spannend finden, ohne dass diese Ansicht auch von den Zuhörenden geteilt werden muss. Die Gewichtung ist sowieso Geschmackssache. Die einen freuen sich über ein Wort, das bei zwanzigstündigem Verhandlungsmarathon in einem Ausschuss geboren wurde, andere dagegen fragen sich, ob da nicht ein Berg eine Maus geboren hat. 

Richtig erhebend wird es aber, wenn einmal die Konzentration der einen auf die ungeteilte Aufmerksamkeit der andern trifft, und sich im Konferenzraum eine gespannte und erfüllte Stimmung ausbreitet. So geschehen bei den Harfenklängen von Pernilla Palmberg im Rahmen der Ehrungen von Jubilarinnen und Jubilaren. Da ereignete sich ein Wunder. Für einmal zerstörte kein Handy-Klingelton den Fluss der Harmonien, die in den kollektiven Gehörgang der atemlos staunenden Konferenz drangen. Fragt sich, ob das wohl auch so gekommen wäre, wenn jene Delegierten auch da gewesen wären, die es vorgezogen hatten, das Auftakt-Fussballspiel der Europameisterschaft zu schauen. 

Ein Gedanke gebiert den nächsten, und ich frage mich nun, ob eine Harfe sich eignen würde, um die Fangesänge in Stadien anzuleiten? Es wäre zumindest eine ästhetische Aufwertung der dortigen Szenerie. Statt bierbauchig paukenschlagender Recke, die fingerfertige Künstlerin und ihr Zauberinstrument. Noch eine Frage: Wie würde sich der Paukenmusiker aus dem Fussballstadium an der Tagung der Jährlichen Konferenz machen?

An Konferenzen kommen ja Welten zusammen. Gut ersichtlich wird das daran, ob man zur Partei der Sprudeltrinkenden gehört oder zu der, welche pures Wasser vorzieht. Es gibt da eine atemberaubende Bandbreite an Persönlichkeiten und Lebensstilen und grenzt an ein Wunder, dass wir trotz sprudelnder Unterschiede es lange vier Tage miteinander aushalten; und das alle Jahre wieder.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Freitag, 14. Juni 2024

Befindlichkeitsrituale

Ein Zitat

Annegret Jende und Sigmar Friedrich in intensivem Gespräch während einer Konferenzpause.
Foto © Jörg Niederer
"Alles wirkliche Leben ist Begegnung. Wenn wir aufhören, uns zu begegnen, ist es, als hörten wir auf zu atmen." Martin Buber (1878-1965)

Ein Bibelvers - Johannes 4,6+7

"Dort befand sich der Jakobsbrunnen. Jesus war müde von dem langen Weg und setzte sich an den Brunnen. Es war um die sechste Stunde. Da kam eine Samariterin, um Wasser zu schöpfen. Jesus bat sie: 'Gib mir etwas zu trinken.'"

Eine Anregung

Begegnungen sind ein wesentlicher Teil von Konferenzen. In diesem Jahr kommen nebst den vielen Delegierten, die ich kenne, auch noch die Gemeindeglieder der Methodistenkirche Rothrist dazu. Es sind schöne Begegnungen, die mich an die Zeit erinnern, als ich Pfarrer hier im Dorf war. So wurde und werde ich immer wieder gefragt, wie es mir gehe. Die schnellen Floskeln würden mich vor längeren Erklärungen retten. Soll ich wirklich sagen, es gehe mir gut, wenn es gar nicht so eindeutig ist? Also sage ich, und bewege den Kopf dabei nachdenklich hin und her, es sei mir auch schon besser gegangen. Das führt unweigerlich zu weiteren Erklärungen. Ich komme auf meine Schmerzen zu sprechen und dann auch auf den kürzlichen Tod meines jüngsten Bruder. Nun mag das wiederholte Erzählen mir helfen, diese belastenden Dinge zu verarbeiten. Zugleich möchte ich nicht jedes Mal die Aufmerksamkeit auf mich und meine Sorgen lenken. Auch ist es ja nicht so, dass es da nicht auch Schönes gibt im Leben, selbst jetzt, in diesen durchzogenen Tagen. Ich freue mich über all die interessanten Gespräche und Begegnungen, die oft anknüpfen an Erlebnissen, die schon weiter zurückliegen. Zugleich sind meine Gedanken immer wieder bei meinem Bruder, mit dem ich solche Begegnungen viel zu wenig hatte, und die ich nun auch nicht mehr nachholen kann.

Also frage ich zuerst, noch bevor man mich fragen kann: Wie geht es dir? Je nach Antwort folgt ein intensives Gespräch oder auch nicht. Beides ist und tut gut.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Donnerstag, 13. Juni 2024

Geschwisterlich beten

Ein Zitat

Die Schwestern Marianne Hasler und Christine Moll leiten das Gebet zum Auftakt der methodistischen Jährlichen Konferenz 2024 in Rothrist.
Foto © Jörg Niederer
"Die Menschen sind da, um einander zu helfen, und wenn man eines Menschen Hilfe in rechten Dingen nötig hat, so muss man ihn dafür ansprechen." Jeremias Gotthelf (1797 - 1854)

Ein Bibelvers - Psalm 3,9

"Beim Herrn findet sich Hilfe. Sprich deinen Segen über dein Volk."

Eine Anregung

Marianne Hasler und Christine Moll sind Schwestern und beide in Rothrist aufgewachsen. Also an dem Ort, an dem die Tagung der Jährlichen Konferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche Schweiz-Frankreich-Nordafrika aktuell bis zum kommenden Sonntag stattfindet. Gestern Abend nahmen sie die bereits angereisten Delegierten mit in eine Gebetszeit. Zu Psalmworten zeigte Marianne Hasler Fotos, welche sie in und um Rothrist herum aufgenommen hatte. Passend zum Konferenzthema "Zäme em Läbensdorscht of de Spuur" waren darauf viele Brunnen und Wasserläufe zu sehen. Der Lobpreis mit bekannten Liedern und auch die Gebetszeiten wurden von allen Anwesenden wohltutend und motivierend für die bevorstehenden Geschäftssitzungen erlebt.

Für mich klang der Abend aus an einem Tisch, den ich noch gut kenne aus meiner Zeit als Pfarrperson in Rothrist vor 15 Jahren. Zusammen mit einige weiteren Personen durfte ich die Gastfreundschaft und ein Bier bei Marianne und Daniel Hasler geniessen. Danke ihnen und allen anderen, welche sich vor Ort für eine gelingende Jährliche Konferenz einsetzen. Da geschieht viel Hilfe, um den Lebensdurst zu löschen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Mittwoch, 12. Juni 2024

Lebensdurst und intensive Gespräche

Ein Zitat

Erstmals wird der 2022 gewählte neue Bischof Stefan Zürcher die Jährliche Konferenz über die ganze Zeit leiten.
Foto © Jörg Niederer
"Sportlicher und konditionell anspruchsvoller sind hier die angesprochen, die joggend Natur, Autobahn, Bahnstrecke, Aare und körperliche Herausforderung suchen." Aus der Information zum Konferenz-Workshop "Tuusigerstägeli"

Ein Bibelvers - Offenbarung 22,17b

"Wer Durst hat, soll kommen! Wer will, bekommt das Wasser des Lebens geschenkt."

Eine Anregung

Heute um 20.00 Uhr beginnt die Tagung der Jährlichen Konferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche (EMK) Schweiz-Frankreich-Nordafrika in Rothrist mit einer Gebetszeit. Die Konferenz die unter dem Thema "Zäme em Läbensdorscht of de Spuur" steht, dauert bis zum kommenden Sonntag. Geleitet wird die Tagung vom 2022 neu gewählten Bischof Stefan Zürcher. Die Sitzungszeit ist zweigeteilt. Bis zum späteren Donnerstagnachmittag werden Themen behandelt, welche ausschliesslich den Teil Schweiz betreffen. Danach geht es um Anliegen, welche auch Frankreich und Nordafrika betreffen. Zusätzlich integriert in die Tagung sind die Hauptversammlungen von Connexio hope und develop, den beiden Hilfswerk-Bereiche der Evangelisch-methodistischen Kirche.

Nebst Geschäftssitzungen wird die Tagung geprägt von vielen Gottesdiensten und Feierstunden und am Samstag und Sonntag auch von Besuchen ausgewählter Orte, an denen Wasser eine bedeutende Rolle spielt. Dafür hat die örtliche Kirchgemeinde einen interessanten Mix an Workshops zusammengestellt. So geht es etwa zum Flusskraftwerk oder in ein Biberrevier. Man kann entlang von Kanälen von Murgenthal nach Rothrist wandern oder sich mit Yoga und christlicher Spiritualität beschäftigen. Für diese Workshops ist eine Anmeldung erforderlich.

Höhepunkt ist der Konferenzsonntag. An diesem Tag reisen Methodistinnen und Methodisten an den Konferenzort, um dort den Tag mit Gottesdienst und Begegnungen zu erleben, und um sich erneut als Nachfolgende von Jesus Christus senden zu lassen. Aus diesem Grund fallen viele methodistische Gottesdienste in der Schweiz und Frankreich aus. Für Personen, welche nicht nach Rothrist reisen können, wird der Konferenzgottesdienst per Livestream übertragen, so wie zuvor auch die meisten anderen Feiern und Geschäftssitzungen an den anderen Konferenztagen.

Alle Informationen für diese besondere Zeit in Rothrist können auf der Webseite der EMK Schweiz gefunden werden.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Dienstag, 11. Juni 2024

Klatschmohn klatschen

Ein Zitat

Klatschmohnfeld beim Nussbaumersee.
Foto © Jörg Niederer
"Die einen klatschen im Takt, die andern aus Freude."

Ein Bibelvers - Jesaja 55,12

"Voll Freude werdet ihr aus Babylon fortziehen und wohlbehalten nach Hause gebracht werden. Berge und Hügel brechen in Jubel aus, wenn sie euch sehen. Die Bäume in der Steppe klatschen in die Hände."

Eine Anregung

Der Klatschmohn blüht auf Feldern oder als Begleitflora im Weizen. Schön sieht das aus, und ist für die Ernte auch kein Problem, da moderne Mähdrescher und die Mühlen die Fremdsamen sicher aussortieren können.

Heute habe ich gelesen, woher der Name Klatschmohn kommen soll. Wenn man die Blütenblätter vorsichtig zu einem kleinen Ballon formt und dann draufklatscht, entweicht die Luft mit einem lauten Ton. Das habe ich noch nie ausprobiert, werde es aber bei Gelegenheit überprüfen.

Für heute lade ich ein, in ein Lied hineinzuhören, das ohne Klatschen nicht funktioniert. Auch ohne Mohnballon kann ich so mit einem rhythmische Morgenklatschen in den Tag starten: "Es ist die Kraft des Herrn...Es ist die Kraft des Herrn...".

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Montag, 10. Juni 2024

Ein methodistisches Manifest

Ein Zitat

Überdimensionierter Trichter als Werbeträger für die Klangwelt Toggenburg.
Foto © Jörg Niederer
"Führe uns über die ausschließliche Sorge um das Wohlergehen anderer Menschen hinaus zu einer umfassenderen Sorge um das Wohlergehen der Vögel in unseren Hinterhöfen, der Fische in unseren Flüssen und aller Lebewesen auf dem Erdboden." John Wesley (1703-1791)

Ein Bibelvers - Daniel 3,4

"Dann rief ein Ausrufer mit lauter Stimme: 'Euch wird etwas befohlen, euch Menschen aller Völker, Nationen und Sprachen!'"

Eine Anregung

Selbst als ein gestandener Methodist entdecke ich doch ab und zu etwas Neues (Danke Sarah Staub!), das mir bisher entgangen war. So habe ich heute auch vom "Wesley Manifesto" erfahren, das man auf Deutsch auch in einem Beitrag auf Jesus.de finden kann.

Es seien erstaunlich zeitgemässe Aussagen von einem Menschen, der vor 300 Jahren gelebt habe, wird dort gesagt. Kein Wunder, werden doch die Originalaussagen von John Wesley, so wie sie uns im Wesley Manifesto begegnen, bereits in eine moderne und auf ihren Kern zusammengefasste Sprache heruntergebrochen. Ich habe nun die zugrundeliegenden Originalsätze mit der Hilfe von DeepL.com auf Deutsch übersetzt. Auch diese sind durchaus lesenswert.

1. Seid bereit, an alle zu geben, wie sie es nötig haben.

2. Böse und teuflisch falsch ist der übliche Einwand: 'Sie sind nur deshalb arm, weil sie faul sind. Verschafft ihnen Arbeit... Dann werden sie ihr eigenes Brot verdienen und essen.' 

3. Wie viele gibt es in diesem christlichen Land, die sich abmühen und arbeiten und schwitzen... aber gleichzeitig mit Müdigkeit und Hunger kämpfen? Ist es nicht schlimm, wenn man nach einem harten Arbeitstag in eine arme, kalte, schmutzige, unbequeme Unterkunft zurückkehrt und dort nicht einmal das Essen vorfindet, das notwendig wäre, um seine erschöpften Kräfte wiederherzustellen?

4. Hüte dich vor der gewöhnlichen, aber verflixten Art, Kinder zu Nachplapperern zu machen... Achte nicht darauf, wie viel, sondern wie gut und zu welchem guten Zweck sie lesen können. Der Zweck der Erziehung... [ist], uns zu helfen, jedes falsche Urteil unseres Verstandes zu entdecken und jede falsche Leidenschaft in unseren Herzen zu unterdrücken... [und] so viel zu verstehen, wie wir dazu fähig sind.'

5. Ich träume weiter... [von der Zeit, in der das Potenzial] jedes Menschen entfesselt werden kann.

6. Wenn wir auch nicht gleich denken können, können wir dann nicht gleich lieben? Können wir nicht eines Herzens sein, auch wenn wir nicht einer Meinung sind?

7. Können nicht auch Frauen, so wie die Männer, einen ehrenvollen Platz einnehmen... und sich nicht länger der schändlichen [gesellschaftlichen] Fessel beugen müssen? Ihr seid ebenso wie die Männer vernunftbegabte Geschöpfe. Ihr seid, wie sie, nach dem Bilde Gottes geschaffen.'

8. Indem ihr [Menschen] das Glück im Reichtum sucht, strebt ihr nur danach, aus leeren Bechern zu trinken. Und mögen sie noch so schön bemalt und vergoldet sein, sie sind trotzdem leer.

9. Niemand soll dir dienen, außer durch sein selbstbestimmtes Tun und Handeln, durch sein eigenes freiwilliges Handeln. Weg mit allen Peitschen, allen Ketten, allem Zwang!... Behandle jeden anderen so, wie du willst, dass er dich behandelt.

10. Krieg: Welchen weiteren Beweis brauchen wir für die völlige Entartung aller Nationen von den einfachsten Prinzipien der Vernunft und Tugend, von dem absoluten Mangel sowohl an gesundem Menschenverstand als auch an gesunder Humanität, der das ganze Menschengeschlecht durchzieht?

11. Die Welt ist meine Kirchengemeinde.

12. Führe uns über die ausschließliche Sorge um das Wohlergehen anderer Menschen hinaus zu einer umfassenderen Sorge um das Wohlergehen der Vögel in unseren Hinterhöfen, der Fische in unseren Flüssen und aller Lebewesen auf dem Erdboden.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen 

Sonntag, 9. Juni 2024

Umkehr in der Asylpolitik

Ein Zitat

Jeder einzelne Zettel um die Kirche St. Laurenzen in St. Gallen steht für einen auf der Flucht nach Europa getöteten Menschen.
Foto © Jörg Niederer
"Seit 1993 sind mehr als 60'000 Babys, Kinder, Frauen und Männer, gestorben beim Versuch, nach Europa zu flüchten." Beim Namen nennen

Ein Bibelvers - 5. Mose 10,18+19

"Gott verhilft Waisen und Witwen zu ihrem Recht. Er liebt die Fremden und versorgt sie mit Nahrung und Kleidung. Darum sollt auch ihr die Fremden lieben. Denn ihr wart selber Fremde im Land Ägypten."

Eine Anregung

Es schmerzt, von all den Menschen zu hören, die irgendwo auf der Flucht nach Europa in den Fluten der Meere verschwunden sind. Jede einzelne Frau, jeder einzelne Mann, jedes Kind wird mit Namen genannt oder als besonderer Mensch sichtbar gemacht. Es sind unglaublich traurige Schicksale, welche in St. Gallen in der St. Laurenzen-Kirche an der Aktion "Beim Namen nennen" nicht vergessen werden.

In der Flüchtlingspolitik läuft gerade so Vieles grundfalsch. Aus christlicher Sicht halte ich eine Asylpolitik für inakzeptabel, welche auch nur einen toten Menschen in Kauf nimmt. Und doch sind es Tausende, die jedes Jahr das Leben an den Grenzen Europas lassen. Es braucht nicht weitere Verschärfungen, nicht noch besser bewachte Grenzen, nicht noch mehr Abschreckung, nicht noch mehr Bollwerk Europa. Es braucht eine Umkehr, ein U-Turn, eine totale Kehrtwende. Es braucht endlich eine humane Asylpolitik. Es braucht vor allem offenere Herzen.

Vom Umkehren handelt heute auch der Gottesdienst in der Methodistenkirche Weinfelden. Alle sind um 10.00 Uhr herzlich an die Hermannstrasse 10 eingeladen. Und wer nicht aus dem Haus kann, der kann zur selben Zeit den Gottesdienst auf Musig24.tv schauen. Auch da ist der U-Turn das entscheidende Thema.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Samstag, 8. Juni 2024

Ein Morgen mit Gesängen

Ein Zitat

Ein Schilfrohrsänger singt am Rand des Nussbaumersees.
Foto © Jörg Niederer
"Ein Spaziergang am frühen Morgen ist ein Segen für den ganzen Tag." Henry David Thoreau (1817-1862)

Ein Bibelvers - 1. Chronik 23,30

"Sie sollen jeden Morgen und jeden Abend bereitstehen, um den Herrn zu loben und zu preisen."

Eine Anregung

Nein, ein Glanzstück der Tierfotografie ist das Bild nicht gerade. Aber nach Vergrösserung und weiteren Bearbeitungsschritten ist der Schilfrohrsänger doch deutlich erkennbar. Angetroffen haben wir den auffälligsten unter den Rohrsängern 200 Meter vom Ufer des Nussbaumersees entfernt in einem kleinen Schilfbestand. 

Gestern früh am Morgen durfte ich einen befreundeten Ornithologen beim Kartieren von Vögeln begleiten. Rund um den Nussbauersee hatten wir rund 250 Vogelsichtungen, die entsprechend erfasst auf einer Onlinekarte eingetragen wurden. Interessant waren die Kuckucke, von welchen mindestens ein halbes Duzend in beachtlicher Aufregung früh Morgens um den See herum einander Verfolgungsjagden lieferten. Auch hörten wir den an ein Bellen erinnernden Ruf der Zwergdommel.

Aber das Highlight war der Schilfrohrsänger. Dass er jetzt im Juni mit seinem Ruf ein Revier markiert, könnte Hinweis auf ein Brutpaar sein. Das wäre bemerkenswert, brütete doch im Jahr 2016 kein einziger Schilfrohrsänger mehr in der Schweiz. Sicher ist die Brut damit aber noch nicht. Dazu braucht es einen weiteren Nachweis ein, zwei Wochen später. Ich bin gespannt.

Ich habe es genossen, früh am Morgen an einem schönen Ort die Ohren zu spitzen. Das hatte etwas Meditatives. Ein Morgen mit Gesängen, inklusive Fuchsgebell, Rehsichtung und anregenden Gespräche.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen


Freitag, 7. Juni 2024

Umweltrassismus und die Kirche

Ein Zitat

Allegorie zu Johannes 16,33: Die Kirche zwischen Umweltverschmutzung und Kriegsfolgen. Glasfenster von Edy Werlen nach einem Entwurf von Walter Jüstrich in der Evangelischen Kirche Berneck.
Foto © Jörg Niederer
"Der Begriff 'Umweltrassismus' ist in den 1980er-Jahren in den USA entstanden und artikuliert die rassistischen Effekte ungleicher Verteilung von Umweltgütern und -risiken." Heinrich-Böll-Stiftung Hessen e.V.

Ein Bibelvers - Klagelieder 5,7

"Unsere Väter sind schuld, sie leben nicht mehr. Doch wir müssen die Folgen ihrer Schuld tragen."

Eine Anregung

Die an der Generalkonferenz angenommenen revidierten Sozialen Grundsätzen der Evangelisch-methodistischen Kirche enthalten auch einen Abschnitt zum Umweltrassismus. Darunter versteht man eine ungleich verteilte Last. Nicht die Hauptverursacher tragen die Konsequenzen. Diese werden den Menschen aufgebürdet, welche meist deutlich weniger zum menschgemachten Klimawandel beigetragen haben. 

Es folgt der entsprechende Auszug aus den Sozialen Grundsätzen: 

Haushalterschaft der Schöpfung

In Genesis 1 lesen wir, dass Gott die Schöpfung für gut erklärt (Genesis 1,4.10.12.18.25.31), und in Genesis 2, dass Gott «den Menschen nahm und ihn in den Garten Eden setzte, dass er ihn bebaue und hüte» (Genesis 2,15). Die Güte der Schöpfung Gottes und der Wert, der jedem Teil davon zukommt, ist ein Aufruf an die Menschen, die Schöpfung und alle mit ihr zusammenhängenden Aspekte zu respektieren, zu schützen und für sie zu sorgen.

A. Umweltrassismus

Wir geben zu, dass die negativen Auswirkungen, die aus der Zerstörung der natürlichen Welt resultieren, in unverhältnismäßiger Weise marginalisierte Gemeinschaften treffen, darunter indigene Stämme, religiöse und ethnische Gemeinschafen, Menschen, die in Armut leben und andere gefährdete Gruppen. Wir versprechen daher, uns allen Formen der Umweltausbeutung, Vernachlässigung und Diskriminierung zu widersetzen. Diese Praktiken führen dazu, dass verarmte Bevölkerungsgruppen und Entwicklungsländer die Hauptlast von gefährlichen Umweltbelastungen, industrieller Verschmutzung, Giftmülldeponien und städtischem Verfall zu tragen haben. Solches Verhalten ist Umweltrassismus. Wir wenden uns gegen politische Massnahmen und Praktiken, welche marginalisierte Gemeinschaften auf Dauer in die Unterschicht abdrängen und indigene und andere Quellen gemeinschaftlicher Weisheit ignorieren, welche dazu aufrufen, Luft, Land und Wasser mit tiefem Respekt zu behandeln.

Darüber hinaus leiden diese Bevölkerungsschichten überproportional an vermeidbaren Krankheiten wie Asthma, Krebs, Geburtskomplikationen usw. Diese Gesundheitsprobleme werden mit Schadstoffen und anderen Chemikalien im Boden, im Wasser und in der Luft in Verbindung gebracht, welche unser Trinkwasser, unsere Lebensmittel und die natürliche Umwelt belasten. Wir fordern Regierungen, Unternehmen und die Zivilgesellschaft auf, den Zugang zu Präventions- und Therapieangeboten zu verbessern.

Wir verlangen die Einführung von umweltgerechten Standards, Strategien und Massnahmen. Wir bekräftigen die Weisheit und das Recht indigener Völker und marginalisierter Bevölkerungsgruppen, selbst über Praktiken und politische Massnahmen zu entscheiden, die ihre menschlichen Grundbedürfnisse auf giftfreie Nahrung, Wasser, Unterkunft und Boden am besten erfüllen. Selbstbestimmung bedeutet unter anderem, Zugang zu allen relevanten Informationen und ein erhebliches Mass an Entscheidungsgewalt über industrielle, landwirtschaftliche und andere Entwicklungen, die das Potential haben, Land, Luft und Wasser erheblich zu beeinträchtigen.

Siehe zu diesem Teil der Sozialen Grundsätze auch die Beiträge vom 1. Mai 2024, vom 20. Mai 2024 und vom 22. Mai 2024

(Anmerkung: Die Sozialen Grundsätze wurden in der hier verwendeten revidierten Version an der diesjährigen Generalkonferenz in Charlotte angenommen. Die vorläufige deutschsprachige Übersetzung der Sozialen Grundsätze hilft zwar beim Verstehen des englischen Originals, hat aber diverse sprachliche und orthografische Mängel. Diese versuche ich im von mir wiedergegebenen Text zu korrigieren. Es handelt sich also nicht um eine von den deutschsprachigen Zentralkonferenzen autorisierte Version.

Die Sozialen Grundsätze sind nicht kirchenrechtlich verbindlich, sondern als Anleitung zu einer im Glauben an Christus begründeten Lebensführung zu verstehen. Ihre Geschichte begann vor mehr als 110 Jahren mit dem ersten Sozialen Bekenntnis, das durch die Bischöfliche Methodistenkirche formuliert wurde.)

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Donnerstag, 6. Juni 2024

Schön böse

Ein Zitat

Kürbisspinne mit Beute.
Foto © Jörg Niederer
"Je weniger wir Trugbilder bewundern, desto mehr vermögen wir die Wahrheit aufzunehmen." Erasmus von Rotterdam

Ein Bibelvers - Matthäus 12,33

"Entweder ein Baum ist gut, dann sind auch seine Früchte gut. Oder ein Baum ist schlecht, dann sind auch seine Früchte schlecht. Denn an seinen Früchten könnt ihr einen Baum erkennen."

Eine Anregung

Manche Spinnen lauern am Rand des Netzes auf ihre Beute. Nicht so die Kürbisspinne. Sie sitzt meist mitten im Zentrum. Durch ihr schönes grünes Kleid ist sie gut getarnt in ihrem pflanzenreichen Lebensraum.

Auch mit den Menschen verhält es sich so. Nicht immer versteckt sich, wer Böses im Sinn hat. Nicht immer sind die Schönen auch die Guten. Und wer sich zum Mittelpunkt der Welt macht, hat meist nichts Erfreuliches im Sinn. Aber auch das gilt: Nicht jede Bescheidenheit ist ein Zier. Nicht aus jedem grauen Entchen wird einmal ein Schwan. 

Lassen wir uns nicht von Äusserlichkeiten täuschen. Es sind auch nicht die inneren Werte, die uns vor Augen liegen. Ich glaube, letztlich hat Jesus recht. An den Früchten erkennt man einen guten Baum. An der Weise, wie ein Mensch lebt und was er bewirkt, wird sein wahre Charakter sichtbar.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Mittwoch, 5. Juni 2024

Kirchenkulisse zur Erinnerung

Ein Zitat

Ein Paar bei einem professionellen Fotoshooting im Dombezirk St. Gallen.
Foto © Jörg Niederer
"Die Liebe ist vor allem ein Lauschen im Schweigen." Antoine de Saint-Exupéry

Ein Bibelvers - Hohelied 6,5a

"Schau mich nicht so an, deine Augen bringen mich ganz durcheinander."

Eine Anregung

Fotoshooting, wohl für den schönsten Tag des Lebens, in einem Durchgang im Stiftsbezirk. Die tiefstehende Sonne zeichnet ein weiches, warmes Licht auf das Paar das nur wenige Meter vom Bischofssitz entfernt sich Erinnerungen schafft für eine weitreichende Entscheidung.

Ich bin auf dem Weg zum Theologiestammtisch an den beiden vorbeigekommen, höre, wie der Fotograf ihnen Anweisungen gibt. Im Theologiestammtisch dann sprechen wir auch darüber, dass es immer weniger kirchliche Trauungen gibt, manche davon wohl auch nur deshalb, weil das Ambiente in den historischen Gemäuern stimmt. Längst dirigieren die kirchlichen Zeremonienmeister, die Pfarrer und Pfarrerinnen, nur noch einen kleinen Teil der Traupaare in den Hafen der Ehe. Die christliche, religiöse Sicht auf die Partnerschaft schwindet rasant.

Zugleich wird in der Kirche gerade wieder einmal diskutiert, welche Paare ein Anrecht auf den kirchlichen Segen haben und welche nicht. Als wäre Gottes Segen rationiert, reichte nicht für alle. Als würden die einen Paare ihn verdienen und die anderen nicht. Als hätte Segen etwas mit der richtigen Orientierung zu tun.

Auch dieser Satz ist (sinngemäss) am Theologiestammtisch gefallen: "Die Menschen interessieren sich nicht für kirchliche Dogmen... Sie wollen einen glaubwürdigen, christlich oder anders religiös geprägten Lebensvollzug dort sehen, wo sie sich einer Institution wie der Kirche bedienen."

Freuen wir uns über jedes Paar, das sich auf einen gemeinsamen und auf Dauer angelegten Lebensvollzug vorbereitet und erinnern wir es daran, dass auf diesem Weg der Segen Gottes die tragende Rolle spielen wird, ob nun kirchlich getraut oder "nur" fotografisch dokumentiert.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Dienstag, 4. Juni 2024

Grosses bewirken

Ein Zitat

Ein Haselblattroller auf einem Haselblatt.
Foto © Jörg Niederer
"Lasse dir keine Grenzen setzen in deiner Liebe, nicht Maß, nicht Art, nicht Dauer!" Friedrich Schleiermacher (1768-1834)

Ein Bibelvers - Philipper 4,13

"Ich bin allem gewachsen durch den, der mich stark macht."

Eine Anregung

Er wird Haselblattroller genannt und kann 6 bis 8 Millimeter gross werden. Der kleine auffällige Käfer vermag Grosses. Er kann ein Haselblatt zuerst längs falten um es dann geschickt aufzurollen in eine Form, die einem kunstvollen Stumpen ähnelt. Darin legt der Käfer seine Eier ab. 

Im Beitrag zu diesem Tierchen auf Wikipedia kann man eine Bildserie betrachten, wie der Käfer das unmöglich Scheinende bewerkstelligt. 

Wenn es um den Fortbestand des Lebens geht, dann übertreffen sich Lebensformen immer wieder. Etwa Muttertiere, die für ihren Nachwuchs tapfer gegen übermächtige Gegner kämpfen, oder die bis zur Erschöpfung Futter anschaffen.

Wenn wir das Leben in, wie es Schleiermacher sagte, "schlechthinniger Abhängigkeit" von Gott verstehen, dann gelingt es auch uns, dafür alles zu geben, ohne uns selbst dabei aufzuplustern und grösser sein zu wollen, als wir es sind. Dann können wir in menschlicher Bescheidenheit über uns hinaus auf Gottes Liebe verweisen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Montag, 3. Juni 2024

Von Philistern und Gottes Möglichkeiten

Ein Zitat

Die Pushband nimmt die Besuchenden am ersten regionalen Tag in der Methodistenkirche Niederuzwil mit in den Lobpreis.
Foto © Jörg Niederer
"Wenn sich eine Tür schliesst, öffnet sich eine andere; aber wir sehen meist so lange mit Bedauern auf die geschlossene Tür, dass wir die, die sich für uns geöffnet hat, nicht sehen." Helen Keller (1880-1968), amerikanische Schriftstellerin

Ein Bibelvers - 1. Samuel 23,13

"Da machte David sich mit seinen Leuten auf, etwa sechshundert Mann, und sie zogen fort aus Keila und bewegten sich, wo sie sich bewegen konnten."

Eine Anregung

Sich im Rahmen der Möglichkeiten bewegen und das tun, wozu uns Gott Spielraum gibt; darum ging es am ersten gemeinsamen Regionaltag der methodistischen Gemeinden von Romanshorn, Weinfelden, Eschlikon, St. Gallen-Teufen und Uzwil-Flawil am gestrigen Sonntag. Den Auftakt machte ein inspirierender Gottesdienst mit einem in berührender Weise von der Pushband geleiteten Lobpreis. Dazu kamen Predigtgedanken zu der doch eher überraschenden Kriegsgeschichte aus 1. Samuel 23,1-13. Anna Shammas von Bereich Gemeindeentwicklung fand dazu hilfreiche Analogien für die Entfaltungsmöglichkeiten, welche christliche Gemeinden in der heutigen Zeit haben.

Im gewählten Bibeltext eilten David und seine Söldnertruppe der Stadt Keila zu Hilfe, deren Bewohnende durch die heranrückenden Philister bedroht wurden, und das, obwohl David sich selbst aufgrund der Verfolgung durch König Saul in einer misslichen Lage befand und sich durch die Unterstützung der Stadt Keila erst recht angreifbar machte. Jedes Mal, so heisst es im Bibeltext, habe David zuerst Gott befragt, was er tun solle, und dann danach gehandelt.

In der nachmittäglichen Reflektions- und Kennenlernzeit stellte Anna Shammas den anwesenden Gemeindevertreterinnen und -vertretern drei Fragen: 1. Wie würdest du anderen deine Gemeinde möglichst positiv beschreiben und so für sie werben. 2. Was sind die "Philister", also die Bedrohungen, denen deine Gemeinde ausgesetzt ist? 3. Wie kannst du auf diese Bedrohung auf gute Weise und gewinnbringend reagieren?

Im Rückblick an diesen besonderen Sonntag, an dem es auch Essen, Kaffee, Pausengespräche, Kinderangebote und feine Bauernhofglace gab, scheint mir die Aussage in der Version der Einheitsübersetzung von 1. Samuel 23,13 auf hilfreiche Weise zusammenzufassen, worauf es in jeder christlichen Gemeindearbeit ankommt. Dass wir uns, wie das David und seine Söldnertruppe taten, "bewegen, wo wir uns hinbewegen können". Oder anders gesagt: Gehen wir im Vertrauen auf Gott gemeinsam durch die offene Türen, und lassen uns von den Gefahren und verbarrikadierten Wegen nicht davon abhalten, einander und anderen Menschen in christlicher Weise Gutes zu tun.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Sonntag, 2. Juni 2024

Gemeinsam mutig Kirche sein

Ein Zitat

Den Kirchenfenstern nachempfundene Bemalung der Dreiegg-Bar in Frauenfeld.
Foto © Jörg Niederer
"Die Evangelisch-methodistische Kirche bedeutet mir Gemeinschaft, Heimat und Herausforderung. Gemeinschaft mit Menschen, die sich um Fragen der Mitmenschlichkeit kümmern. Heimat, weil ich mich in der EMK von Jugend an mit dem Leben und Wirken von Jesus Christus beschäftigt habe. Herausforderung, weil ich gerne mit Mitmenschen über Themen des Zusammenlebens diskutiere." Walter Arn

Ein Bibelvers - Apostelgeschichte 9,31

"Die Gemeinde in ganz Judäa, Galiläa und Samarien erlebte nun eine Zeit des Friedens. Ihr Glaube wurde immer fester, und sie lebte ganz in Ehrfurcht vor dem Herrn. Der Heilige Geist stand ihr bei und verhalf ihr zu ständigem Wachstum."

Eine Anregung

Seit einiger Zeit ist eine Seite der Dreiegg-Bar in Frauenfeld wie ein Kirchenfenster bemalt. Auf diese Wiese wird die Ausgangsszene religiös aufgeladen. Das wöchentliche Ritual der kollektiven Club-Ekstase wird nun im angemessen gestalteten Ambiente eines säkularen Tempels gefeiert.

In der Welt, das wollen auch die fünf methodistischen Kirchgemeinden sein, die sich entschlossen haben, ab Sommer 2025 näher zusammenzurücken. Das sind die Methodistenkirchen von St. Gallen-Teufen, Frauenfeld-Weinfelden, Romanshorn, Eschlikon und Uzwil-Flawil.

Heute feiern sie in der Evangelisch-methodistischen Kirchen in Niederuzwil am Kindergartenweg 13 um 10.30 Uhr einen gemeinsamen Gottesdienst. Anschliessend wird gegessen, wobei alle das eigenen Essen selbst mitbringen. Dessert und Kaffee werden offeriert. Anschliessend nimmt Anna Shammas als Gastrednerin die Teilnehmenden mit auf eine kirchliche Forschungsreise. Es geht darum, gemeinsam als Kirche mutig neue Schritte zu wagen. Abschluss dieses regionalen Treffens wird so um 15.00 Uhr sein. 

Alle sind dazu herzlich eingeladen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Samstag, 1. Juni 2024

Futschikato

Ein Zitat

Anschrift an einem Einkaufsladen.
Foto © Jörg Niederer
"Futsch ist futsch und hin ist hin!" Redewendung

Ein Bibelvers - Philipper 4,6

"Macht euch nicht futsch und fertig. [Original: Macht euch keine Sorgen.] Im Gegenteil: Wendet euch in jeder Lage an Gott. Tragt ihm eure Anliegen vor in Gebeten und Fürbitten und voller Dankbarkeit."

Eine Anregung

Läden und Geschäfte sind oft auch noch mit dem Inhaber-Namen angeschrieben. So kann ein "Geschäft für Besen+Blumen" noch zusätzlich angeschrieben sein mit: "Inhaberinnen: Rosa Erdloch und Töchter". Das nur als Beispiel.

Gestern ging ich in zügigem Tempo - es regnete heftig - an den Läden und Geschäften St. Gallens vorbei, da las ich aus den Augenwinkeln heraus auf einem schwarzen Schild an einer Ladentür: "Handy Futsch" und dachte mir: "Was für ein seltsamer Name". Neugierig geworden schaute ich genauer hin und erkannte mein Versehen. Vielleicht kam es daher, dass ich Leute kenne, die sich Mandy nennen, was ja irgendwie wie Handy klingt, und ein Kollege von mir trägt den Nachnamen Funtsch, was wiederum nahe an Futsch ist.

Laut schweizerischem Idiotikon ist "futsch" ein neudeutsches Wort, das ab 1885 belegt ist und das "zu Grunde gerichtet, zerbrochen, verdorben, unbrauchbar, dem Tode nahe" bedeuten kann. Auch für "bankrottieren" kann es stehen und "in seinem Handeln zu kurz kommen".

Nun frage ich mich natürlich, ob der Begriff überall im deutschsprachigen Raum auch verstanden wird. Weiter frage ich mich, ob es verkaufstechnisch klug ist, ein Wort wie futsch, das ja auch bankrott bedeuten kann, an die Ladentür zu schreiben.

Andererseits: Wenn ich futsch und fertig bin (eine typische und schöne Alliteration) tut es gut, wenn ich mich jemandem anvertrauen kann, der oder die mich wieder aus dem Abgrund meiner Seele herauszieht. Eine solche Anlaufstelle wünsche ich dir heute und für jeden Tag.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen