Mittwoch, 20. Juli 2022

Von Schiffen, Unterwäsche und dem besten Ausweg

Ein Zitat

Hinweistafel zu einer Schiffsrampe auf der Insel Reichenau.
Foto © Jörg Niederer
"Wie ein Schiff auf dem Trockenen sitzen..." Redewendung aus der Seefahrt

Ein Bibelvers - Epheser 4,22-24

"Deshalb sollt ihr den alten Menschen ablegen, denn er entspricht der früheren Lebensweise. Er wird sich zugrunde richten durch seine trügerischen Begierden. Lasst euch dadurch erneuern, dass Gottes Geist in eurem Verstand wirkt. Und zieht den neuen Menschen an wie ein neues Gewand."

Ein Anregung

Gelegentlich kommt es vor, dass ich einem neuen Wort begegne, das ich zuvor ausschliesslich aus anderen Zusammenhängen gekannt habe. So tauchte vor meinem inneren Auge Kurioses auf, als ich auf der Insel Reichenau dem Hinweisschild zu einer Slipanlage begegnete. Von einer Produktionsstätte für Unterwäsche war weit und breit nichts zu sehen. Auch nichts von einer Anlage zur vorübergehenden Unterbringung der Slips (der Wäsche) während des "Schwumms" im Untersee.

Die leichte Verwirrung kommt daher, dass das englische Wort "Slip" für "Gleiten" im Deutschen zur Bezeichnung für sehr Unterschiedliches verwendet wird. Bei der Slipanlage (engl. "slipway" = Gleitweg) handelt es sich um ein Bootsrampe, an der man eben Boote ins Wasser gleiten lassen beziehungsweise wieder herausziehen kann.

Der Slip dagegen ist die "schnelle" Unterhose. Früher gab es ja noch keine Gummizüge, und so musste die Unterwäsche mit Bändern, Schleifen und Knöpfen am Körper fixiert werden. Dieser Sicherungsschritt fiel weg, als die elastische Wäsche erfunden wurde. Nun konnte man einfach hinein-"slipen". Der Slip war geboren, und in der Folge auch der "Schlüpfer". Allerdings bezeichnet man heute im Deutschen mit "Slip" und "Schlüpfer" verschiedene Unterwäschemodelle.

Zurück zum Slipway. Früher konnte man das Wort "Schlupfweg" verwenden und meinte damit einen Ausweg aus einer misslichen Situation bei gleichzeitiger Überwindung aller Hindernisse.

Nun wird im Epheserbrief ja im Bild des Kleiderwechsels von der grundsätzlichen Änderung zum christlichen Lebensstil gesprochen. Der alte Mensch, die überholte Lebensweise, soll wie veraltete Wäsche ausgezogen, und der neue Mensch wie ein modernes funktionales Wäschestück angezogen werden. Ich stelle mir vor, dass man diesen neuen Menschen ganz leicht überziehen kann, wie ein Slip, in den man einfach hineinschlüpft und er hält und bleibt wo er soll. Da muss man nichts mehr festzurren, da ist alles angenehm zu tragen, eine Befreiung von Last und Konvention. Es ist ein lohnender Schlupfweg, ein Fluchtweg aus allerlei Lebensbelastungen. Oder noch in einem anderen Bild gesprochen: Es ist, als würde das auf dem trockenen liegende Boot über die Slipanlage zu Wasser gelassen, dahin, wo es der Bestimmung gemäss, in seinem Element, Fahrt aufnehmen kann. Genau so ist es, wenn ein Mensch sich bewusst Gott zuwenden!

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

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