Freitag, 19. November 2021

Fremd in der Fremde

Ein Zitat

Brunnen auf dem Platz der Auswanderung in Rothrist. Im Hintergrund das Zehntenhaus der Evangelisch-methodistischen Kirche.
Foto © Jörg Niederer
"Der Gemeinde Rothrist seien nur 'zwei Übel' offengestanden, wird erklärt, nämlich entweder ein 'erschreckender Anstieg der Steuern oder Finanzierung der Massenauswanderung.'" Quelle: e-periodica.ch

Ein Bibelvers - 1. Mose 27,43+44

Rebecca zu Jakob: "Hör jetzt auf mich, mein Sohn! Mach dich bereit und flieh nach Haran zu meinem Bruder Laban. Bleib so lange bei ihm, bis die Wut deines Bruders nachlässt."

Ein Anregung

Selten bleiben Menschen da, wo sie aufgewachsen sind. Wegziehen bedeutet, sich an fremde Orte, fremde Menschen, fremde Gepflogenheiten anzupassen. Wer das freiwillig tut, tut sich dabei vielleicht etwas leichter als jene, die in die Fremde müssen.

Dieser Tage bin ich wieder einmal am Brunnen der Auswanderung in Rothrist vorbeigekommen. Am 27. Februar 1855 haben 305 Menschen das Dorf mehr oder weniger freiwillig Richtung Amerika verlassen. Von den wenigsten wissen wir heute, was aus ihnen geworden ist.

Ramin Nikzad ist Arzt. Er lebt in Wien. Er schreibt Kolumnen in der Zeitschrift bref, dem Magazin der Reformierten. Im aktuellen Heft ist sein Beitrag mit "Drei Lektionen" überschrieben. Die dritte gebe ich hier wieder: 

"Wir sind Kinder, solange wir von den Unsrigen geliebt werden wollen.
Wir sind Erwachsene, sobald wir die Unsrigen lieben können.
Aber wir sind erst Menschen, wenn wir Fremde lieben können.
Wer nur die Seinigen lieben kann, ist ein Tier, kein Mensch.
In meinem Verständnis ist es das, was Jesus von Nazareth zeitlebens propagiert hat."
Quelle: bref 10/2021 - 12. November, S.17 

Mein Fazit: Wenn wir alle Fremden lieben würden, dann fiele es uns auch leichter, unter Fremden zu Hause zu sein.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

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