Mittwoch, 20. März 2024

Bäcker unter Wasser

Ein Zitat

Zweierlei Ellenmasse und eine als Brotmass bekannte, kreisförmige Anomalie finden sich auf der linken Seite des Hauptportals in den Stephansdom von Wien.
Foto © Jörg Niederer
"Bäckerlein, Bäckerlein, / Lass dein Brot gewichtig sein! / Sonst zieh'n wir dich bei Schnee und Wind / Zur Donaulände hin geschwind." Aus einem Spottlied beim Bäckerschupfen

Ein Bibelvers - 1. Mose 40,16+17

"Als der Hofbäcker die erfreuliche Deutung hörte, sagte er zu Josef: 'Auch ich hatte einen Traum. Ich trug drei Körbe mit feinem Gebäck übereinander auf dem Kopf. Im obersten Korb lagen Backwaren für den Pharao. Doch die Vögel fraßen sie auf – aus dem Korb auf meinem Kopf heraus.'"

Eine Anregung

Gleich links vom Haupteingang in den Wiener Stephansdom sind zwei Gusseisenstangen waagrecht in die Mauer eingelassen. Dabei handelt es sich um früher übliche Längenmasse. Oben findet sich die kleine Tuchelle (776 mm) oder Wiener Elle (777,6 mmm), unten die grosse Leinenelle oder Brabanter Elle (896 mm). Dass die Tuchelle um 1,6 mm von der Wiener Elle abweicht, ist auffällig. Die Brabanter Elle hängt wohl mit flandrischen Tuchhändlern zusammen, welche um 1200 ein Handelsprivileg in Wien erhielten. Letzteres Mass war später nicht mehr in Gebrauch. Händler und Kunden konnten also hier öffentlich ihre Stoffe abmessen und kontrollieren.

Über den Ellen findet sich ein Kreis, der unter den Wienern als "Brotmass" bekannt ist, in Wirklichkeit aber nichts mit Brot zu tun hat. Dieser Kreis soll die Normgrösse des Brotes darstellen, an die sich ein Bäcker zu halten hatte. Tatsächlich sind es Einritzungen eines beweglichen Hackens, mit dem auf beiden Seiten des Haupteingangs das Eisentor, das es früher hier gab, befestigt wurde. Durch die Verwendung des Hackens zeichneten sich dessen Spuren eben kreisrund auf dem Sandstein ab.

Eine andere Sache aber gab es zwischen dem 13. Jahrhundert und dem Jahr 1773 in Wien wirklich: Das Bäckerschupfen. Bäcker, die beim Brotmass oder Brotgewicht betrogen, wurden in einem Käfig mehrfach in der Donau untergetaucht. Für den Bäcker war das gar nicht lustig. Beim Untertauchen wurde er mit Spott der Zuschauenden belegt. Auch historisch gesichert ist, dass es beim Bäckerschupfen in Wien mindestens einmal zu einem tödlichen Unfall gekommen war. Diese Strafe war folglich in der Bäckerzunft noch gefürchteter als Geldstrafen, Schandmasken und Pranger.

Dass es Bäcker auch schon zu Pharaos Zeiten schwer hatten, davon zeugt die biblische Josefsgeschichte. Darin wird einem inhaftierten Bäcker, der beim Pharao in Ungnade gefallen war, durch Josef ein Traum gedeutet mit dem Ergebnis: Todesstrafe durch Erhängen. So kam es dann auch.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

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