Dienstag, 12. Dezember 2023

Gottes kleine Kuh

Ein Zitat

Ein Marienkäferchen ruht sich auf einer Gallrose aus.
Foto © Jörg Niederer
"Das Röslein, das ich meine, / davon Jesaja sagt, / hat uns gebracht alleine / Marie, die reine Magd. / Aus Gottes ewgem Rat / hat sie ein Kind geboren, / welches uns selig macht." 2. Strophe des Lieds "Es ist ein Ros entsprungen..." von Michael Praetorius (1571-1621)

Ein Bibelvers - Jesaja 11,1+2

"Aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Spross hervor. Ein Trieb aus seiner Wurzel bringt neue Frucht. Auf ihm ruht der Geist des Herrn: Der schenkt ihm Weisheit und Einsicht, Rat und Stärke, Erkenntnis und Ehrfurcht vor dem Herrn."

Eine Anregung

Er hat viele Namen. Aus der Reihe fällt die russische Version: "Gottes kleine Kuh" wird dort der Marienkäfer genannt. Die religiöse Anspielung steckt aber auch hier im Namen. In der deutschen, englischen, dänischen, kroatischen, und spanischen Sprache ist Maria, die Mutter von Jesus, Namensgeberin. In Nordfrankreich wird der kleine rote Käfer mit den sieben Punkten und ähnlich aussehende Arten "bête de la vierge" genannt, Jungfrauentier. In den schweizerischen Dialekten heisst der Marienkäfer auch Frauwen-Tierli, Mueter-Gottes-Tierli und Marien-Tierli. Hinzu kommen als Bezeichnungen Herr-Gotts-Tierli, Heilands-Tierli, Himels-Tierli, Jeses-Tierli, und über das religiöse Namensspektrum hinaus auch Ägersten-Tierli, Flüg-uf-Tierli und Gigen-Tierli. So lese ich im Idiotikon, dem Schweizerischen Wörterbuch. 

Verschiedene Gründe werden in der Literatur aufgeführt, warum der Marienkäfer nach Maria benannt ist. Bei Coccinella septempunctata, so der lateinische Namen, sind die sieben Punkte angesprochen, und diese wurden wohl auf die sieben Schmerzen der Jungfrau Maria bezogen. Andere Erklärungen sehen im Marienkäfer ein von der Jungfrau Maria gesandter Nützling, der die Läuse vertilgt und damit Ernten retten kann. Früher glaubte man auch, dass die Marienkäfer vor Hexen und Unheil schützen. So sind sie denn bis in die säkulare Zeit hinein zu Glücksbringern geworden. Vielleicht liegt es auch daran, dass man mitten im Winter, manchmal sogar am Weihnachtstag, die Marienkäfer in der Wohnung findet. Vermutlich werden sie mit den Tannzweigen oder anderen, in der Adventszeit als Weihnachtsschmuck üblichen Pflanzen in die Innenräume verfrachtet. Im Freien können sie aber gut überwintern, da sie eigene Frostschutzmittel produzieren. 

Auf dem Foto hat sich ein Marienkäfer auf einer Rosengalle niedergelassen. Letzteres sind Wucherungen an Hagenbutten, also Wildrosen, welche durch andere Käferlarven verursacht werden. Damit sind auf diesem Foto gleich zwei Hinweise auf Maria vereint. So wie es etwa im alten Kirchenlied "Es ist ein Ros entsprungen" von Michael Praetorius anklingt, hier in einer Interpretation von "Vosec Suaves".

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen


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