Ein Zitat
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Foto © Jörg Niederer |
"Wie man beten soll, das steht in der Bibel; und was man beten soll, das steht in der Zeitung." Karl Barth (1886-1968)Ein Bibelvers - Psalm 119,103
"Wie süss schmeckte mir dein Wort, noch süßer als Honig in meinem Mund."
Eine Anregung
Dass Matthias Wenk von der katholischen Cityseelsorge St. Gallen von der katholischen zur reformierten Kirche wechseln wird, davon haben die Medien schon ausführlich berichtet. Der Stadt St. Gallen bleibt Wenk treu. In Zukunft arbeitet er in der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde St. Gallen Centrum in einem Teilzeitpensum, und weiterhin in der Cityseelsorge, diesmal aber der evangelischen.
Gestern fand eine kleine Abschiedsfeier im Domzentrum statt. Die Kolleginnen und Kollegen der Cityseelsorge bereiteten ihm einen berührenden und fröhlichen Abschied mit Würsten aus seiner früheren und aktuellen Heimat, mit Kuchen, Wein und weiteren Getränken, und vor allem mit Worten, Symbolen und Musik.
Roman Rieger, Erika Miskos-Fritschi, Ann-Kathrin Gässlein, Chika Usor und Oliver Bischof beriefen sich dabei nicht auf die 14 Nothelfer-Heiligen der katholischen Tradition, sondern auf "Heilige" ökumenischer und evangelischer Provenienz.
Als erstes überreichte ihm Chika Usor eine handgefertigte afrikanische Tasche, um all die Abschiedsgaben fassen zu können.
Der Reigen der Heiligen begann mit Dietrich Bonhoeffer, dessen Brautbriefe aus der Zelle 92 Matthias Wenk in Buchform überreicht wurde.
Weiter ging es nicht mit dem evangelischen, aber dem Evangelisten (!) Johannes und einer WortLicht-Kerze.
Unbekannt dagegen ist der Schreiber oder die Schreiberin von Psalm 119. Sein oder ihr Vergleich von Wort Gottes und Honig schaffte die Möglichkeit, Matthias Wenk Honig zu überreichen. In diesem Zusammenhang erfuhr man auch, dass das Lieblingswort des scheidenden Cityseelsorgers "Stille" ist.
Unter den evangelischen Heiligen durfte natürlich auch der pfeifenrauchende Karl Barth nicht fehlen. Die drei Pfeifen, die Matthias Wenk erhielt, sind jedoch aus Schokolade und damit ein andersgearteter Genuss.
Die Pilgerin und Heilige Egeria schrieb über ihre Reise in den Sinai ein Tagebuch. Etwas, das auch Matthias Wenk mit dem Geschenk eines 6-Minuten-Tagebuchs nahegelegt wurde auf seinen kommenden Pilger- und Kirchenreisen.
Der Verweis auf den Bibelübersetzer und Reformatoren Martin Luther erinnerte seinerseits an die Wichtigkeit der griechischen Sprache für das theologische Arbeiten in einer evangelischen Kirche. Passend gab es dazu ein 2-Minuten-Sprachtrainer des biblischen Griechisch.
William Tyndale war in England der erste Bibelübersetzer, eine Guttat, die ihm am 6. Oktober 1536 im Alter von 42 Jahren das Leben kostete. Er wurde hingerichtet. In Erinnerung an ihn erhielt Matthias Wenk eine Tasse mit Stichworten zu wichtigen Bibelstellen und dazu natürlich auch Teebeutel.
An Martin Luther King und seine berühmte Rede vom 28. August 1963 (I have a dream...) erinnert ein Plakat, extra angefertigt für Matthias Wenk.
Als neunter evangelischer Heiliger wurde der unkonventionellen Pfarrer, Autor und Politiker Klaus Schädelin genannt. Sein offenes Haus und mehr wird in einer Ausgabe der nun für Matthias Wenk "verbindlichen" reformierten Zeitschrift bref erinnert.
Mit diesen 9 "Heiligen" ausgestattet folgte der Höhepunkt. Johann Sebastian Bach, zehnter "Heiliger" in dieser Serie, gab Ann-Kathrin Gässlein und Roman Rieger die Möglichkeit, gemeinsam das Stück "Jesus bleibet meine Freude" zu interpretieren. Hier geht es zum Video!
All dies und viele Gespräche an diesem Abend zeigen die Wertschätzung, die Matthias Wenk entgegengebracht wird, genauso wie auch den Respekt für seinen Entscheid, die Kirche zu wechseln. Und immer schwang in den Gesprächen die begründete Hoffnung mit, dass die Zusammenarbeit über Kirchengrenzen hinweg mit dem rührigen Theologen und Praktiker weitergehen darf.
Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen