Samstag, 8. März 2025

Frauen

Ein Zitat

Selbstbewusste junge Trachtenfrau am Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest 2010 in Frauenfeld.
Foto © Jörg Niederer

"Menschenrechte sind Frauenrechte. Und Frauenrechte sind Menschenrechte."
Hillary Clinton (*1947)

Ein Bibelvers - 1. Samuel 25,32+33

"Da sagte David zu Abigajil: 'Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Er hat dafür gesorgt, dass du mir heute begegnet bist. Gelobt sei deine Klugheit! Du sollst gesegnet sein, weil du mich heute vor Schuld bewahrt hast. So habe ich kein Blut vergossen und mich nicht mit eigener Hand gerächt.'"

Eine Anregung

Der 8. März ist der Internationale Frauentag. Entstanden vor dem 1. Weltkrieg sollte er der Gleichberechtigung und dem Wahlrecht für Frauen sowie der Emanzipation von Arbeiterinnen Vorschub leisten. 

Bis heute gibt es immer noch Gesellschaften, welche die Frauen systematisch von Entscheidungen ausschliessen. Die MeToo-Bewegung hat weiter aufgezeigt, dass Männer auch in aufgeklärten Gesellschaften sich gegenüber Frauen Ungeheuerlichkeiten herausgenommen haben und es wohl immer noch tun.

Ich freue mich sehr, dass ich in einer Kirche arbeite, welche die Gleichstellung von Männern und Frauen weitgehend umgesetzt hat. So wurde der Evangelisch-methodistischen Kirche in der Schweiz von der Fachstelle UND im Jahr 2023 zum 2. Mal das Prädikat "Familie UND Beruf" ausgestellt. Was das im Detail bedeutet, kann man auf der Webseite der Kirche nachlesen. 

Mir gefällt, dass in dieser Kirche die Zugänglichkeit zu allen kirchlichen Ämtern und Berufsfeldern für Frauen und Männer in gleicher Weise gewährleistet ist. Das ist nur ein kleiner Teil von dem, was die EMK für ihre angestellten Mitarbeitenden unternimmt, für Arbeit und Familie, für Frau und Mann.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Freitag, 7. März 2025

Windräder und weitere Strassen

Ein Zitat

Martin Neukomm und Markus Tofalo beantworten Fragen der Besuchenden am Ethik-Talk nach Aschermittwoch in St. Gallen.
Foto © Jörg Niederer
"Selbstfahrende Autos, in denen keiner sitzt, sind noch weniger effizient als Autos, in denen nur eine Person sitzt." Markus Tofalo in einer Antwort am Ethik-Talk nach Aschermittwoch in St. Gallen

Ein Bibelvers - Markus 2,2

"Daraufhin strömten so viele Menschen herbei, dass der Platz nicht ausreichte – nicht einmal draußen vor der Tür. Jesus verkündete ihnen das Wort Gottes."

Eine Anregung

Eingeladen von den der Christlichen Sozialbewegung KAB und der Ökumenischen Kommission GFS (Gerechtigkeit, Frieden, Schöpfungsbewahrung) der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen SG/AR/AI hörten sich rund 60 Besucherinnen am Ethik-Talk nach Aschermittwoch 2025 in der Stadt St. Gallen zwei unterhaltsam vorgetragene und inhaltlich erhellende Referate vom Zürcher Baudirektor und Vizepräsident des zürcherischen Regierungsrats Martin Neukom und vom St. Galler Verkehrspolitiker der GLP Markus Tofalo an. Wie inhaltlich spannend und zukunftsweisend die beiden unterschiedlichen Referate waren, zeigte sich auch daran, dass es nie schwer viel, den Worten der Referenten zu folgen. Auch die anschliessende Fragerunde wurde rege benutzt.

Während Markus Tofalo sich für eine zukunftsgerichtete Stadt-Verkehrspolitik stark machte, gerade jetzt, nachdem der Autobahnausbau abgelehnt worden ist, zeigte Martin Neukom auf, wie Realpolitik funktioniert, und wie man dennoch den angestrebten Zielen sehr nahe kommen kann. Das zumindest gelang in Zürich mit einem Gesetz, welches den Übergang von fossilen zu nachhaltigen, CO2-neutralen Heizungen bei Sanierungen regelt. Weiter machte er deutlich, dass erst ein Mix aus erneuerbarer Energiegewinnung zielführend sein kann. So brauche es, um vor allem die Stromlücken im Winter abzudecken die Windkraft. Neukom geht von etwa 1000 Windkraftanlagen für die Schweiz aus.

Um seine Ziele zu erreichen, achtet Martin Neukom auf fünf Prinzipien: 1. Zuhören. 2. Eine positive Einstellung zu Menschen mit anderen Haltungen. 3. Sich selber nicht zu ernst nehmen. 4. Anschlussfähig argumentieren. 5. Nicht übertreiben.

Weiter betonte er, dass nicht nur der Klimaschutz wichtig sei, sondern zunehmend auch Anpassungen an den Klimawandel, wobei Wasser immer eine entscheidende Rolle spiele. Entweder habe es zu wenig Wasser, oder dann zu viel davon. Zuviel Wasser könnte in Zürich entlang der Sihl und beim Hauptbahnhof zu Milliardenschäden führen. Aus diesem Grund wurde mit dem Bau eines Entlastungsstollens begonnen, der das Wasser aus der Sihl bei Hochwasser direkt in den Zürichsee leitet.

Daran knüpfte Markus Tofalo an, als er in seinen Ausführungen aufzeigte, dass der Bau von Verkehrstunnels mit Abstand am meisten CO2 zur Folge habe. So würde die Erstellung des Zubringers Güterbahnhof und Liebeggtunnel ca. 450'000 Tonnen CO2 ausstossen, soviel, wie täglich 20'000 Fahrten mit Verbrenner-Autos auf dieser Route während 105 Jahren. Aus diesem Grund solle man Tunnels nur bauen, wenn es gar keine andere Lösung gäbe, etwa - und das meinte er schmunzelnd - bei einem Entlastungsstollen als Hochwasserschutz. 

Im Referat von Markus Tofalo erfuhr man viel über Varianten der Verkehrsführung bei Tunnelsanierungen, über verschiedene Varianten der Verkehrsbewältigung, wobei er in St. Gallen vor allem im Fahrradverkehr viel Ausbaupotential sieht; über Pförtneranlagen, welche die Fahrzeit in die Stadt nicht verlängern, sondern dadurch lediglich die Wartezonen verschoben werden; dass Tempo 30 innerorts und Tempo 80 (nicht aber Tempo 60) auf Autobahnen den Strassenraum optimal nutzen und so den Verkehrsfluss erhöhen. 

Weiter betonte er, dass der Verkehrsflaschenhals, der entsteht bei der Einfahrt in eine Stadt, nicht durch weiteren Strassenausbau vor der Stadt beseitigt werden könne. Er plädierte für eine generelle Mobilität, bei der alle Verkehrsmittel aus einem Topf finanziert würden, wobei jeweils die effektivste Lösung umgesetzt werden soll.

Eine der Fragen an Markus Tofalo war denn auch, ob selbstfahrende Fahrzeuge etwas beitragen würden für die Reduktion des Verkehrsaufkommens. Sowohl er wie auch Martin Neukom waren da eher skeptisch. Tofalo meinte denn auch: Dann kommt zum allgemeinen Verkehrsaufkommen auch noch der Verkehr von leeren Fahrzeugen hinzu.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Donnerstag, 6. März 2025

Big Five oder Small Five?

Ein Zitat

Eine gelbe Schwertlilie zählt Andreas Grau, Autor von "Botanikwandern" zu den Big Five unter den Pflanzen des Tieflands.
Foto © Jörg Niederer
"Die Beispiele zeigen: Es macht Spass, auf Wanderungen, Touren usw. etwas Originelles zu 'sammeln'. … Ornithologen notieren sich ganz genau, was ihnen vors Okular flattert und welche Pilgerin oder welcher Pilger würde wohl an einem Pilgerstempel vorbeigehen, ohne ihn in den Pilgerpass zu drücken." Andreas Grau in "Botanikwandern - Wege zur Blütenpracht im Frühling"

Ein Bibelvers - Matthäus 23,11+12

Jesus: "Wer unter euch am größten ist, soll euer Diener sein. Wer sich selbst groß macht, wird von Gott niedrig und klein gemacht werden. Und wer sich selbst niedrig und klein macht, wird von Gott groß gemacht werden."

Eine Anregung

In Wanderführer "Botanikwandern" von Andreas Grau schlägt der Autor vor, dass man doch die Big Five im Pflanzenreich suchen solle. Dabei unterscheidet er vier Regionen: Tiefland, Voralpen/Jura, Alpen, sowie Süd- & Ostalpen bzw. Süd-CH. In jedem der vier Gebiete nennt er fünf Pflanzen, die man in der Schweiz gesehen haben muss.

Für das Tiefland nennt er die Schwanenblume, die Drachenwurz, der Frauenschuh, die Weisse Seerose und die Schwertlilie (Sibirische oder Gelbe).

Für die Voralpen und dem Jura führt er Alpenrose, Arnika, Türkenbund, Feuerlilie und Aurikel auf.

In den Alpen sind es das Edelweiss, die Alpen-Aster, zwei Steinbrechsorten, der Alpen-Enzian und das Männertreu.

Für die Süd- & Ostalpen sowie die Süd-Schweiz nennt er als besonders sehenswert den Himmelsherold, den Alpen-Goldregen, die Alpen-Pech-Nelke, das Heilglöckchen und das Frauenhaar-Farn. 

Noch habe ich nicht alle die Blumen und Pflanzen gesehen. Es gibt also noch Neues zu entdecken.

Das Konzept de Big Five könnte man auch auf kirchliche Figuren ausweiten. Wie würden sich wohl die Big Five der Heiligen zusammensetzen? Müsste man da auch "Regionen" unterscheiden, etwas die katholische, die protestantische, die freikirchliche und die ökumenische Tradition? Wahrscheinlich würde man nicht um die Heiligen Jakobus, Franziskus und Maria herumkommen.

Wer wäre für dich noch eine Grosse oder ein Grosser der Heilsgeschichte? Wobei, darf man das denn, wo doch Jesus ganz andere Kriterien anwendet bei menschlicher Grösse? Vielleicht wären hier die Small Five angemessener, also die geringsten Fünf.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Mittwoch, 5. März 2025

Aschekreuz to go

Ein Zitat

In einem Fass mit Kreuzen brennt ein Feuer über der Asche.
Foto © Jörg Niederer
"Die Narretei ist nun vorbei, der Alltag kehrt mit Stille ein. Ein Aschekreuz, so fein, so sacht, erinnert uns an neue Kraft." Quelle unbekannt

Ein Bibelvers - Hiob 42,6

"Darum bereue ich meine Worte und finde Trost, so wie ich hier in Staub und Asche sitze."

Eine Anregung

Aschermittwoch. An diesem Tag kann man auf den Strassen von St. Gallen ein Aschekreuz empfangen. "Aschekreuz to go" nennt sich dieser Versuch, den christlichen Glauben wieder nahe zu den Menschen zu bringen. Dahinter steht die Römisch-Katholische Kirche. 

Da kommt die Frage auf, wie die Spendung des Aschekreuzes in den evangelischen Kirchen gehandhabt wird. In der protestantischen Kirche war es lange Zeit unüblich, an Aschermittwoch den Glaubenden ein Aschekreuz auf die Stirn zu zeichnen. Wohl aber ist der Aschermittwoch ein Tag der Besinnung mit Busse und Fasten. 

Methodistische Kirchen kommen aus der Tradition der Anglikanischen Kirche. In den USA gehört daher die Spendung des Aschekreuzes zum Kirchenjahr dazu. Ein Zitat dazu: "John Wesley, der Gründer des Methodismus, betonte die Bedeutung von Umkehr und Erneuerung im christlichen Leben. Seine Lehren über die vorbereitende, rechtfertigende und heiligende Gnade stimmen mit den Themen der Fastenzeit überein und machen den Aschermittwoch zu einem kraftvollen Moment, um sich erneut dem Streben nach Heiligkeit zu widmen."

So gibt es denn auch methodistische Liturgien für den Gottesdienst an Aschermittwoch, in denen die Spendung des Aschenkreuzes vorgesehen ist. In einer solchen Liturgie heisst es: 

"Liebe Geschwister in Christus

Die ersten Christen haben mit großer Hingabe die Tage des Leidens und der Auferstehung unseres Herrn begangen. Es wurde zum Brauch in der Kirche, dass vor dem Osterfest eine vierzigtägige Zeit der geistlichen Vorbereitung stattfand. Während dieser Zeit wurden die zum Glauben Bekehrten auf die Heilige Taufe vorbereitet.

Es war auch eine Zeit, in der Personen, die schwere Sünden begangen und sich von der Gemeinschaft des Glaubens getrennt hatten, durch Busse und Vergebung versöhnt und wieder in das Leben der Kirche aufgenommen wurden. Auf diese Weise wurde die ganze Gemeinde an Barmherzigkeit und Vergebung erinnert, die im Evangelium von Jesus Christus verkündet werden und an die Notwendigkeit, dass wir alle unseren Glauben erneuern müssen.

Ich lade dich daher im Namen der Kirche ein, eine heilige Fastenzeit zu halten: durch Selbstprüfung und Reue, durch Gebet, Fasten und Entsagung und durch das Lesen und die Betrachtung des heiligen Wortes Gottes.

Um einen rechten Anfang der Reue zu machen, und als Zeichen für unsere sterbliche Natur, lasst uns jetzt vor unserem Schöpfer und Erlöser niederknien." 

 Es folgt die Danksagung mit Asche:

"Allmächtiger Gott, du hast uns aus dem Staub der Erde erschaffen. Gib, dass diese Asche für uns ein Zeichen unserer Sterblichkeit und Reue ist, damit wir uns daran erinnern, dass uns nur durch deine Gnadengabe das ewige Leben geschenkt wird; durch Jesus Christus, unseren Erlöser. Amen." 

Dann wird die Asche ausgeteilt. Der Pfarrer oder die Pfarrerin und alle anderen Helferinnen und Helfer nehmen vor der Gemeinde Platz und fordern die Gemeinde mit Worten oder Gesten auf, nach vorne zu kommen. Die Gottesdienstleitenden tauchen einen Daumen in die Asche und machen auf der Stirn eines jeden ein Kreuz.

Also auch evangelische Christen zumindest methodistischer Prägung kennen das Aschekreuz auf der Stirn.

Ich wünsche allen einen gesegneten Aschermittwoch.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Dienstag, 4. März 2025

Tierisch gut

Ein Zitat

Osterhasen im Verkaufsregal eines grossen Einkaufszentrums.
Foto © Jörg Niederer
"Es gibt wohl nur wenig Tiere, die uns für Menschen halten." Alfred Edmund Brehm (1829–1884)

Ein Bibelvers - Psalm 148,1.9-10

"Halleluja. Vom Himmel her – lobt den Herrn: Lobt ihn, ihr Berge und Hügel, ihr Obstbäume und Zedernwälder, ihr Raubtiere und alles Vieh, ihr Kriechtiere und gefiederten Vögel."

Eine Anregung

Alle Jahre wieder, noch bevor die Fastenzeit begonnen hat und Ostern noch mehr als 40 Tage entfernt ist, findet der Osterhase tausendfältig den Weg in die Einkaufszentren. In immer neuen Dekorationsvarianten buhlen die Langohren um den werten Käufer, die werte Käuferin. Osterhasen werden dabei vermenschlicht, tragen lustigen Kleidchen, sind hübsch zurechtgemacht mit Brille und Spazierstock und mit Kratten voller Eier am Rücken.

Nun empfindet ein Dekorhase nichts, und so ist ihm diese Vermenschlichung ziemlich egal. Bei lebenden Tieren dagegen ist das anders. Wenn kleine Hunde wie Puppen daherkommen, dann ist das wohl für die Vierbeiner im besten Fall unverständlich, im schlimmsten Fall eine Qual.

Das Gegenteil von Vermenschlichung ist bei Tieren nicht die Entmenschlichung, sondern dass man ihnen allerlei Fähigkeiten nicht zutraut. Können Tiere trauern, können sie lügen, können sie miteinander sprechen, können Fische leiden, können sie zählen? Nur weil aus menschlicher Sicht manche Gefühlsregung nicht ersichtlich ist oder von Menschen noch nicht an Tieren beobachtet wurde, werden diese Fähigkeiten den Tieren abgesprochen. Dabei liegen solche Fehlurteile wohl oft an der Beobachtungsgabe von Menschen und nicht an der Fähigkeit von Tieren. Etwa, wenn nur für den Menschen "der aufrechte Gang" behauptet wurde, wobei doch jedes Huhn diese Fähigkeit auch beherrscht und zudem noch das Fliegen aus eigener Kraft.

Inzwischen aber gibt es verschiedene Forschungsergebnisse, die so manches, was einst nur dem Menschen zugesprochen wurde, nun auch bei Tieren erforscht und entdeckt haben. Etwa Fremdsprachenerkenntnisse. Diese wurden bei unterschiedlichen Vogelarten entdeckt, die in gemeinsamen Schwärmen ins Winterquartier und wieder zurück fliegen. Offensichtlich können sie sich unterhalten und Informationen etwa über geeignete Rastplätze austauschen. Weiter können Fische Menschen unterscheiden und Elefanten können trauern. Land- und Wasserschildkröten helfen einander aus der misslichen Rückenlage wieder in den sicheren Stand, und Störche signalisieren einander, wo es gute Futterplätze hat, was Ameisen und Bienen übrigens auch können. Schmetterlinge erinnern sich gar an ihr Raupendasein. Selbst Mikroorganismen, so klein, dass sie milliardenweise in unseren Organen leben, tauschen miteinander Informationen aus.

Bei all dem denke ich mir: So einmalig sind wir Menschen nicht, wie wir das gerne hätten.

Vielleicht entdecken wir in nicht allzu weiter Zukunft, dass es auch bei den Tieren und Pflanzen religiöse Gefühle gibt. Es würde mich nicht wundern.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Montag, 3. März 2025

Bald fertig lustig

Ein Zitat

Ein Narr überschüttet einen Zuschauer am Umzug der Oltner Fasnacht mit Konfetti.
Foto © Jörg Niederer
"Rosen am Montag als Asche am Mittwoch." Herkunft unbekannt

Ein Bibelvers - 2. Mose 34,28

"Mose blieb 40 Tage und 40 Nächte auf dem Berg bei dem Herrn. Er ass kein Brot und trank kein Wasser. Er schrieb die Worte des Bundes auf die Tafeln. Das sind die Zehn Worte."

Eine Anregung

Fasching kommt von "Fastenschank" und meint den letzten Ausschank von alkoholischen Getränken vor der Fastenzeit. Fastnacht oder Fasnacht bezieht sich auf die Nacht vor der Fastenzeit. Karneval könnte vom Lateinischen carrus navalis kommen und dann einen schiffartigen Wagen auf Rädern meinen, oder auch vom Lateinischen carne vale! was "Fleisch leb wohl" bedeuten würde. Auch das hätte mit der anbrechenden Fastenzeit zu tun, die sich als Passionszeit über 6 Wochen bis Ostern hinzieht.

Die Fastnacht ist ein untrügliches Zeiten dafür, dass nun bald aus christlicher Sicht eine besonders wichtige, heilige Zeit beginnt. 

Während die Fasnacht immer noch von allen Bevölkerungsschichten begannen wird, ist das Fasten der Passionszeit und deren Bedeutung am Schwinden. Das heisst auch, da ist etwas, das zusammengehörte, auseinandergebrochen. Tradiert wird das Ausgelassene, Fröhliche, das Süsse. An das Schwere, Bedrückende, Schmerzhafte will man sich dagegen immer weniger erinnern.

Andererseits ist es noch immer in vielen engeren christlichen Gemeinschaften verpönt, an die Fasnacht zu gehen. Dabei gehört doch beides zusammen. Die ausgelassene Freude, und die Erinnerung und Trauer.

Wie hast du es mit der Fasnacht, und wie mit dem Fasten aus religiösen Gründen?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Sonntag, 2. März 2025

Wanderschuhe am Nagel

Ein Zitat

Vier Paar Schuhe hängen in einem Baum beim Bahnhof Diessenhofen.
Foto © Jörg Niederer
"Ich bete, dass ihr alle eure Schuhe abends weit unter das Bett stellt, damit ihr am nächsten Morgen davor niederknien müsst, um sie zu finden. Und während ihr da so kniet, dankt Gott für seine Gnade und Erbarmen und Verständnis. Wir bleiben alle hinter seinen Erwartungen zurück." Denzel Washington (*1954)

Ein Bibelvers - 2. Mose 3,4+5

"Der Herr sah, dass Mose vom Weg abbog und sich die Erscheinung ansehen wollte. Da rief ihn Gott mitten aus dem Dornbusch: 'Mose, Mose!' Er antwortete: 'Hier bin ich!' Gott sprach: 'Komm nicht näher! Zieh deine Schuhe aus! Der Ort, auf dem du stehst, ist heiliges Land.'"

Eine Anregung

Etwas ist zu Ende gegangen. Vier Paar Schuhe hängen im Baum und damit auch am sprichwörtlichen Nagel. Die Anstrengung an den Füssen der einstigen Besitzenden ist den Gehwerkzeugen anzusehen. Sohlen haben sich gelöst, Profile sind abgelaufen. Werktage liegen hinter ihnen, Arbeit, Staub und Schmutz. Nun ruhen sie friedlich. Wind versetzt sie in sanfte Schwingungen. Es ist Schuh-Sonntag geworden. Der Schweiss darf trocknen, das "Gschmäckle" sich verflüchtigen.

Sein wie man ist und sein möchte, auch dafür steht der Sonntag.

Wie sähen Schuh-Gebete aus? Würden sie vom Straucheln erzählen? Von festem Halt auf schlammigem Grund? Von der pflegenden Hand? Wäre die Rede von harten Asphaltabschnitten und federweichen Moorpfaden? Nun da der Schuhsonntag gekommen ist, ist Freiheit und Weitsicht. So ist der Sonntag.

Zuletzt noch dies: Gestern (Siehe Blogbeitrag vom 1. März 2025) erzählte ich vom Abschiedsfest für Matthias Wenk im Domzentrum St. Gallen, und von der Interpretation eines bekannten Werks von Johann Sebastian Bach durch die Cityseelsorgenden Ann-Kathrin Gässlein und Roman Rieger. Mit deren Zustimmung habe ich das Video davon nun auf Youtube stellen dürfen. Viel Freude beim Reinhören.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen


Samstag, 1. März 2025

Gehen, um zu bleiben

Ein Zitat

Matthias Wenk mit Zeitschrift bref und in Papier eingepackter Schokoladepfeife.
Foto © Jörg Niederer
"Wie man beten soll, das steht in der Bibel; und was man beten soll, das steht in der Zeitung." Karl Barth (1886-1968)

Ein Bibelvers - Psalm 119,103

"Wie süss schmeckte mir dein Wort, noch süßer als Honig in meinem Mund."

Eine Anregung

Dass Matthias Wenk von der katholischen Cityseelsorge St. Gallen von der katholischen zur reformierten Kirche wechseln wird, davon haben die Medien schon ausführlich berichtet. Der Stadt St. Gallen bleibt Wenk treu. In Zukunft arbeitet er in der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde St. Gallen Centrum in einem Teilzeitpensum, und weiterhin in der Cityseelsorge, diesmal aber der evangelischen. 

Gestern fand eine kleine Abschiedsfeier im Domzentrum statt. Die Kolleginnen und Kollegen der Cityseelsorge bereiteten ihm einen berührenden und fröhlichen Abschied mit Würsten aus seiner früheren und aktuellen Heimat, mit Kuchen, Wein und weiteren Getränken, und vor allem mit Worten, Symbolen und Musik. 

Roman Rieger, Erika Miskos-Fritschi, Ann-Kathrin Gässlein, Chika Usor und Oliver Bischof beriefen sich dabei nicht auf die 14 Nothelfer-Heiligen der katholischen Tradition, sondern auf "Heilige" ökumenischer und evangelischer Provenienz.

Als erstes überreichte ihm Chika Usor eine handgefertigte afrikanische Tasche, um all die Abschiedsgaben fassen zu können.

Der Reigen der Heiligen begann mit Dietrich Bonhoeffer, dessen Brautbriefe aus der Zelle 92 Matthias Wenk in Buchform überreicht wurde.

Weiter ging es nicht mit dem evangelischen, aber dem Evangelisten (!) Johannes und einer WortLicht-Kerze.

Unbekannt dagegen ist der Schreiber oder die Schreiberin von Psalm 119. Sein oder ihr Vergleich von Wort Gottes und Honig schaffte die Möglichkeit, Matthias Wenk Honig zu überreichen. In diesem Zusammenhang erfuhr man auch, dass das Lieblingswort des scheidenden Cityseelsorgers "Stille" ist.

Unter den evangelischen Heiligen durfte natürlich auch der pfeifenrauchende Karl Barth nicht fehlen. Die drei Pfeifen, die Matthias Wenk erhielt, sind jedoch aus Schokolade und damit ein andersgearteter Genuss.

Die Pilgerin und Heilige Egeria schrieb über ihre Reise in den Sinai ein Tagebuch. Etwas, das auch Matthias Wenk mit dem Geschenk eines 6-Minuten-Tagebuchs nahegelegt wurde auf seinen kommenden Pilger- und Kirchenreisen.

Der Verweis auf den Bibelübersetzer und Reformatoren Martin Luther erinnerte seinerseits an die Wichtigkeit der griechischen Sprache für das theologische Arbeiten in einer evangelischen Kirche. Passend gab es dazu ein 2-Minuten-Sprachtrainer des biblischen Griechisch.

William Tyndale war in England der erste Bibelübersetzer, eine Guttat, die ihm am 6. Oktober 1536 im Alter von 42 Jahren das Leben kostete. Er wurde hingerichtet. In Erinnerung an ihn erhielt Matthias Wenk eine Tasse mit Stichworten zu wichtigen Bibelstellen und dazu natürlich auch Teebeutel.

An Martin Luther King und seine berühmte Rede vom 28. August 1963 (I have a dream...) erinnert ein Plakat, extra angefertigt für Matthias Wenk.

Als neunter evangelischer Heiliger wurde der unkonventionellen Pfarrer, Autor und Politiker Klaus Schädelin genannt. Sein offenes Haus und mehr wird in einer Ausgabe der nun für Matthias Wenk "verbindlichen" reformierten Zeitschrift bref erinnert.

Mit diesen 9 "Heiligen" ausgestattet folgte der Höhepunkt. Johann Sebastian Bach, zehnter "Heiliger" in dieser Serie, gab Ann-Kathrin Gässlein und Roman Rieger die Möglichkeit, gemeinsam das Stück "Jesus bleibet meine Freude" zu interpretieren. Hier geht es zum Video!

All dies und viele Gespräche an diesem Abend zeigen die Wertschätzung, die Matthias Wenk entgegengebracht wird, genauso wie auch den Respekt für seinen Entscheid, die Kirche zu wechseln. Und immer schwang in den Gesprächen die begründete Hoffnung mit, dass die Zusammenarbeit über Kirchengrenzen hinweg mit dem rührigen Theologen und Praktiker weitergehen darf.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen