Montag, 31. März 2025

Johannes weiblich?

Ein Zitat

Geschnitzte Abendmahlsszene mit weiblich wirkender Person rechts neben Jesus.
Foto © Jörg Niederer
"Nichts kann geliebt oder gehasst werden, wenn es nicht zuerst verstanden wird." Leonardo Da Vinci (1452-1519)

Ein Bibelvers - Johannes 13,23

"Einer von seinen Jüngern, den Jesus besonders liebte, lag bei Tisch an der Seite von Jesus."

Eine Anregung

Leonardo Da Vinci war wohl der Erste, der eine Person mit weiblichen Zügen in die Darstellung des letzten Abendmahls einfügte. Das geschah zwischen 1494 und 1497, lange nach dem letzten Abendmahl selbst und nach den darüber vorhandenen ältesten Texten der Bibel. Warum also sollte, wie es der Autor Dan Brown und andere behaupten, Da Vinci mehr wissen? Ich denke eher, dass sich der Renaissance-Maler von den Texten der Bibel inspirieren lies, in denen ein Jesusjünger als "Jünger, den Jesus besonders liebte" bezeichnet wird, in denen also ein besonders inniges Verhältnis von Jesus zu - so nimmt man an - Johannes selbst herausgestrichen wird. Falls Johannes wirklich dieser von Jesus geliebte Jünger war, und das ist nicht ganz sicher, dann entspricht dies einem Selbstzeugnis des Evangelisten. Damit haben wir keine besonders gute und sichere Quellenlage, und es bleiben viele unangenehme Fragen offen, wie z.B.: Rühmt sich Johannes hier selbst als der, welcher von allen Jüngern Jesus am nächsten stand?

Interessant ist auch, dass nach Da Vinci eine grosse Zahl an Künstler:innen seiner Interpretation folgten und folgen, und eine Person, meist diejenige auf den Gemälden rechts neben Jesus, mit weiblichen Zügen darstellen. So auch der Holzbildhauer oder die Holzbildhauerin, welche das von mir fotografierte letzte Abendmahl als Miniatur geschaffen hat. Es steht als Schenkung auf einem Fensterbrett in der methodistischen Kapelle Diepoldsau. Da Vinci war also für die spätere Zeit stilbildend. Seit damals spekuliert man über Frauen an der Seite von Jesus, dichtet ihm sogar eine Maria Magdalena als Ehefrau an.

Ob es nun Maria Magdalena ist, die so an die Seite von Jesus gerückt wird, oder der Jünger, den Jesus liebte, also Johannes mit weiblichen Zügen, ist und bleibt unsicher. Eine Provokation war es auf jeden Fall in einer Zeit, in der Geschlechterrollen eindeutig männlich oder weiblich festgeschrieben waren. Genau das beabsichtigte wohl Leonardo Da Vinci: Er wollte gängige Vorstellungen herausfordern. Selbst heute sind Menschen von einem Mann mit weiblichen Zügen irritiert, genauso wie von einer Frau mit männlichen Zügen. Oder dann wird die männliche Vorherrschaft in Kirchen damit begründet, dass Jesus nur Männer als zwölf Apostel um sich gesammelt habe. Genau dies stellt Da Vinci mit seinem letzten Abendmahl vorsichtig in Frage. Es ist bei ihm nur eine Frauengestalt neben elf männlichen Jüngern. Das ging wohl gerade noch als künstlerische Freiheit durch in jener Zeit. Doch seit dem letzten Abendmahl von Da Vinci und dem Evangelium von Johannes kommt man nicht mehr um eine Frage herum: Was wäre, wenn Jesus einen Jünger mit weiblichen Zügen besonders geliebt hat? Für mich die grösste Herausforderung an dieser Frage ist, ob Jesus wirklich einen Jünger mehr geliebt und bevorzugt hat, vor allen anderen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Sonntag, 30. März 2025

Zwei Seiten

Ein Zitat

Blühende Kirschbäume vor der Offenen Citykirche Sankt Jakob in Zürich.
Foto © Jörg Niederer
"Man muss viel Liebe investieren, wenn Glaube sich entfalten soll, und man muss viel Freiheit riskieren, wenn die Kirche lebendig bleiben soll." Otto Dibelius (1880-1967)

Ein Bibelvers - Joel 2,1

"Blast ins Widderhorn auf dem Zion! Gebt Alarm auf dem Berg meines Heiligtums! Alle Bewohner des Landes sollen aufgeschreckt werden! Denn der Tag des Herrn kommt, bald ist er da."

Eine Anregung

Jetzt blühen sie wieder, die Kirschbäume. Wenn sie dann auch noch vor so schönem sakralem Gemäuer stehen wie vor der Offenen Citykirche Sankt Jakob in Zürich, schaut man doch gerne hin. 

Doch Fotos erzählen selten die ganze Wahrheit. Wer schon einmal vor dieser Kirche gestanden hat, weiss: So idyllisch ist es nicht, dort am Stauffacher. Wer sich von der Kirche um 180 Grad wegdreht, findet sich vor einer der betriebigsten Tramhaltestellen der Stadt. Auf den vorbeiführenden Strassen brummt der Verkehr, dieweil unweit die Langstrasse mit allerlei mehr oder weniger seriösen Vergnügungen lockt. Dort bei der Kirche trifft sich die Welt der Junkies und Obdachlosen mit den Geschäftsleuten und dem Ausgehvolk.

Ich finde, an keiner anderen Stelle sollte mittendrin die Kirche stehen und einladen zu tiefgründigeren, stilleren Momenten.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Samstag, 29. März 2025

Abheben

Ein Zitat

Ein Höckerschwan fliegt entlang der Thur bei Frauenfeld.
Foto © Jörg Niederer
"Droben rudert ein Schwan milchweiß schimmernde Bahn, hell das Gefieder von Sternen, zieht er durch himmlische Fernen, rudert nach Traumland voraus, sucht der Glückseligen Haus." Isolde Kurz (1853-1944)

Ein Bibelvers - Sacharja 5,1-2

"Als ich nochmals aufschaute, sah ich eine fliegende Schriftrolle. Der Engel fragte mich: 'Was siehst du?' Ich antwortete: 'Eine fliegende Schriftrolle. Sie ist zehn Meter lang und fünf Meter breit.'"

Eine Anregung

Ich kenne wenige Vögel, die sich für den Abflug so sehr abmühen müssen, wie die Höckerschwäne. Immerhin müssen sie dabei durchschnittlich um die 12-13 Kilogramm Körpergewicht in die Luft hieven. Dazu gehört die lange Anlaufphase, in der sie erst längere Zeit flügelschlagen über das Wasser laufen. Auch in der Luft gewinnen sie nur langsam an Höhe. Das Ganze geht nicht lautlos vonstatten. Weithin hörbar ist ein rhythmisch zum langsamen Flügelschlag passendes Windgeräusch.

Es kommt vor, dass es mir genauso geht wie einem startenden Schwan. Nur langsam komme ich auf Touren, nur langsam hebe ich ab, nur langsam gewinne ich an Zuversicht, nur langsam komme ich dem Himmel näher. Dann lastet die Trägheit auf mir und jeder reale Schritt, jeder Denkschritt verlangt nahezu übermenschliche Kräfte. 

Zugleich ist es eine Zeit grösserer Veränderungen. Ich werde am Ende dieses "Flugs" nicht mehr am Ausgangspunkt sein. Ich werde Neues sehen. Vielleicht stellt sich dann auch die Zufriedenheit ein, die auf dem Weg dorthin so wenig erfahrbar war. Darum ist es gut, sich abzuheben von der Normalität und dem Aussergewöhnlichen auf die Spur zu kommen.

Dem Schwan gelingt dieser Übergang in den Flug bei aller Schwerfälligkeit zugleich kraftvoll und voller Schönheit. Wie ist das, wenn ich mich aufzuschwingen versuche?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Freitag, 28. März 2025

Marc Chagall in Zürich

Ein Zitat

Das Jakobs- Christus- und Zionsfenster von Marc Chagall im Fraumünster Zürich.
Foto © Jörg Niederer
"Dieses Buch (die Bibel) ist Geschichte und gleichzeitig ist es auch ein Roman, an manchen Stellen ist es reine Poesie. Es ist eine Tragödie, aber oft auch sehr komisch. Nimm zum Beispiel diesen David, er ist nicht so ganz anständig. Er hat ja so viele umgebracht." Marc Chagall (1887-1985)

Ein Bibelvers - Lukas 23,47

"Der römische Hauptmann sah genau, was geschah. Da lobte er Gott und sagte: 'Dieser Mensch war wirklich ein Gerechter.'"

Eine Anregung

Heute vor 40 Jahren starb Marc Chagall im Alter von 97 Jahren. Seine Werke sind auf der ganzen Welt zu finden, auch in Zürich. Dort besuchen jährlich um die 150'000 Tourist:innen das Fraumünster, um ein Alterswerk des Künstlers zu bestaunen. Damit sie vor den fünf Glasfenster meditieren können, müssen sie fünf Franken Eintritt hinlegen. Das sind die Glasmalereien allemal wert. Ihre Leuchtkraft, die besondere Farbgebung, die Gestaltung der Motive erfüllen das Innerste der Betrachtenden.

Besonders bewegt hat mich, dass Marc Chagall im gekreuzigten Christus das "Sinnbild für die verfolgten und ermordeten Juden schlechthin" entdeckte. Chagall schuf ab den 1930er Jahren zahlreiche Bilder des Gekreuzigten.

Mehr über Marc Chagall und die berühmten Glasmalereien in Zürich erfährt man in einem heute erschienen Beitrag von Jens Bayer-Gimm auf ref.ch.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Donnerstag, 27. März 2025

Der Sumpfhase

Ein Zitat

Eine Bisamratte schwimmt und taucht in einem Wasserloch entlang der Thur bei Frauenfeld.
Foto © Jörg Niederer
"Auf Erden herrscht die Liebe, im Himmel die Gnade, nur in der Hölle gibt es Gerechtigkeit." Anaklet II. (1090-1138), Gegenpapst zu Papst Innozenz II.

Ein Bibelvers - Kolosser 3,12+14

"Ertragt euch gegenseitig und vergebt einander, wenn einer dem anderen etwas vorwirft. Wie der Herr euch vergeben hat, so sollt auch ihr vergeben! Vor allem aber bekleidet euch mit der Liebe. Sie ist das Band, das euch zu vollkommener Einheit zusammenschließt."

Eine Anregung

Die Bisamratte gibt es seit etwa 110 Jahren in Europa. Erstmals hörte ich von meinem Vater von diesen schwimmenden Sumpfhasen, sie gehören zur Gruppe der Wühlmäusen, als wir in Bern unweit der Aare lebten. Damals war ich so etwa 4 Jahre alt.

Dass es sie bei uns gibt, hängt damit zusammen, dass das aus Amerika stammende Tier bewusst und mehrfach in Europa ausgesetzt wurde, aber auch, dass Bisamratten aus Pelztierzuchten ausbüxten und sich rasend schnell über ganz Europa ausbreiteten.

Immer wenn ich Bisamratten sehe, freue ich mich, auch wenn ich weiss, dass sie noch immer als Neozoen und unerwünschte Fremdkörper gesehen werden. Es geht lange, bis etwas nicht mehr als fremder, unerwünschter Teil einer Gesellschaft betrachtet wird, bis es ganz dazugehört. Das gilt für Pflanzen, Tiere und Menschen.

Nun hoffe ich, dass es dereinst im Himmel nicht auch so ist, dass die, die schon da sind, misstrauisch auf die schauen, die neu ankommen. Eher wäre das ein Merkmal, bei dem man an die Hölle denken müsste. Wo aber gehört zwischen solcherart Himmel und Hölle da wohl die Erde hin?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Mittwoch, 26. März 2025

Geburten wie Gebete

Ein Zitat

Zwei Blätter eines Busches schmiegen sich im Entstehen eng aneinander, als würden sie betend geboren werden.
Foto © Jörg Niederer
"Bei Knospen denken wir an Blüten; warum nur und nicht zuerst an die Blätter?"

Ein Bibelvers - 2. Mose 25,31

"Mach einen Leuchter aus reinem Gold. Leuchter, Fuß und Schaft sollen aus einem Stück gearbeitet sein, mit Blüten, Knospen und Blättern."

Eine Anregung

Wie Hände in Gebetsform schmiegen sich zwei junge Blätter eines Busches eng aneinander. Ihr Start ins Leben ist voller Schönheit. Nichts stört die Harmonie. Einander halten sie sich aufrecht. Die samtene Oberfläche - ich möchte sie ertasten.

Es ist ein Wunder, das sich in der Natur jedes Jahre millionenfach von neuem ereignet. Die Geburt der Blätter, wie ein Gebet der Bäume und Büsche.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Dienstag, 25. März 2025

(Verkehrte) Welt

Ein Zitat

Wassertropfen an einer Knospe.
Foto © Jörg Niederer
"Was bleibt, stiften die Liebenden." Buchtitel eines Buchs von Jörg Zink

Ein Bibelvers - 1. Johannes 4,7+8

"Ihr Lieben, wir wollen einander lieben. Denn die Liebe kommt von Gott. Und wer liebt, hat Gott zum Vater und kennt ihn. Wer nicht liebt, kennt Gott nicht. Denn Gott ist Liebe."

Eine Anregung

Worauf siehst du? Auf die Knospe, die den Frühling und das Aufblühen der Natur unverkennbar prophezeit. Oder schaust du auf den Wassertropfen, und wie darin die Welt Kopf steht? Siehst du auf den Hintergrund, auf das, was in einiger Entfernung sich undeutlich verbirgt. Oder siehst du auf das Astwerk, auf das, was auch einige Winter überstehen wird?

Worauf siehst du? Auf all die Chancen in deinem Leben, die sich wie Knospen einer erwachenden Zeit abzeichnen? Schaust du auf das, was in dieser Welt gerade auf dem Kopf steht? Oder schaust du aufs grosse Ganze, auf das, was sich wie ein undeutlicher Hintergrund all deiner Hoffnungen und Ängste für die ferne Zukunft ergeben könnte. Vielleicht schaust du auch auf das, was beständig ist, was bleibt über ein Menschenleben hinaus, so wie die Äste an einem Strauch.

Alles was wir sehen, wird vergehen. Das was bleibt, geschieht dazwischen, geschieht da, wo sich Menschen auf die Liebe besinnen, auf Gott, der Liebe ist, den wir lieben können von ganzen Herzen und mit allem Verstand. Es geschieht, wo wir uns liebevoll den Mitmenschen, den Nächsten zuwenden. Denn was über Raum und Zeit hinaus bleiben wird, "... stiften die Liebenden!"

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Montag, 24. März 2025

Generationentreffen

Ein Zitat

Ein Postauto-Oldtimer und ein Stadtbus treffen sich in Frauenfeld beim Bahnhof.
Foto © Jörg Niederer
"Die Jahre lehren viele Dinge, die man von Tagen nicht lernen kann." Ralph Waldo Emerson (1803 – 1882)

Ein Bibelvers - Josua 13,1

"Josua war sehr alt geworden. Da sagte der Herr zu ihm: 'Du bist nun sehr alt geworden. Aber viele Teile des Landes sind noch nicht erobert.'"

Eine Anregung

Früher wurde das Oldtimer-Postauto wohl als gross empfunden. Heute sieht es klein aus neben dem Stadtbus. So ändern sich die Zeiten. 

Früher, als ich noch jung war, empfand ich mich grösser als heute. Heute fallen mir immer mehr Frauen und Männer auf, die mich überragen. Vermutlich sind die Menschen in der Schweiz zwischenzeitlich durchschnittlich wirklich hochgewachsener als früher. Sicher aber ist auch, dass ich kleiner geworden bin.

Vielleicht gilt das auch in übertragener Weise: Früher empfand ich mich als grossartiger und war vielleicht sogar auch grossmäuliger als heute. Doch mit dem Alter werden die Relationen und Ansichten realistischer. Die Erfahrung lehrt, dass ich mich nicht zu ernst nehmen sollte, dass ich niemandem mehr etwas vorzumachen brauche. Macht mich das allgemeinverträglicher?

Liebt die Welt deshalb die Oldtimer, weil sie nicht mehr über sich hinauswachsen wollen, weil sie abgeschlossen haben mit dem Grösser, Schneller, Besser, weil sie nun auf andere Werte setzen, Werte wie gemütlicher, bescheidener, rücksichtsvoller?

Oldtimer scheinen uns oft auch schöner als heutige Fahrzeuge. Sie sind schön gealtert. Für mich ist es erstrebenswert, statt künstlich jung zu bleiben, natürlich und würdevoll alt zu werden. Mal schauen, wie gut es mir gelingt.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Sonntag, 23. März 2025

Naherwartung

Ein Zitat

Eine junge Frau wartet am Bahnhof Frauenfeld in der Sonne auf den Bus.
Foto © Jörg Niederer
"Wir müssen lernen, wieder aufzuwachen und uns wach zu halten, nicht durch mechanische Hilfe, sondern durch eine unendliche Erwartung der Morgendämmerung." Henry David Thoreau (1817-1862)

Ein Bibelvers - Matthäus 24,43+44

"Macht euch bewusst: Wenn der Hausherr wüsste, wann der Dieb in der Nacht kommt, würde er wach bleiben. Er würde es nicht zulassen, dass in sein Haus eingebrochen wird. Darum sollt auch ihr jederzeit bereit sein. Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr ihn nicht erwartet."

Eine Anregung

Wieviel Naherwartung ist noch in meinem Leben?

Von Naherwartung spricht man im Zusammenhang mit der Wiederkunft des Messias. Mir scheint, dass je älter ich werde, je mehr verliert diese Naherwartung an Bedeutung und Dringlichkeit. Gut, ich bin auch nicht in einer Notlage, in der ich mir wünschen würde, dass ein Weltenrichter diese beendet.

Warten macht Sinn, wenn das, worauf man wartet, in absehbarer Zeit geschieht. Ich warte immer wieder einmal auf Menschen, auf Züge, auf einen bestimmten, besonderen Tag, auch auf den Klimakollaps. Alles realistische Nah-Erwartungen. Aber DIE Naherwartung schlechthin ist der Geduld gewichen und zu Gedankenspielereien verkommen.

Ein Lied, in dem sich die Naherwartung durch jede Strophe hindurchzieht, wurde von Philipp Friedrich Hiller im Jahr 1767 geschrieben. Der Pfarrer litt an einer schwindenden Stimme, die es ihm unmöglich machte, zu predigen oder seine 11 Kinder zu unterrichten. Also schriebe er Lieder, so auch das Lied "Wir warten dein', o Gottes Sohn". Wie es klingt und von der Naherwartung spricht, kann man sich z.B. hier anhören!

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Samstag, 22. März 2025

Weg der Vielfalt in St. Gallen

Ein Zitat

Zum neuen Weg der Vielfalt in St. Gallen gehört auch der alte Jüdische Friedhof.
Foto © Jörg Niederer
"Viele verschiedene Blumen ergeben einen Strauss." Islamisches Sprichwort

Ein Bibelvers - Hesekiel 38,23

"Dann werden viele Völker meine heilige Macht mit eigenen Augen sehen. Dadurch werden sie erkennen, dass ich der Herr bin."

Eine Anregung

In St. Gallen gibt es neue einen "Weg der Vielfalt". Er zeigt Orte, die von Vielfalt erzählen und zum Nachdenken über unsere Gegenwart anregen. Themen sind: Frauen und Sexismus; Queer und Homophobie; Kolonialismus und Rassismus; Jüdisches und Antisemitismus; Arbeit, Armut und Soziales; Migration, Asyl und Flucht; Nazis, Frontenbewegung und Weltkriege sowie Behinderung und Ableismus (Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen oder eingeschränkten Fähigkeiten).

Während in Zürich rassistische und koloniale Zeichen aus der Stadt entfernt werden, will man in St. Gallen offen mit dieser Vergangenheit umgehen. Dazu dient dieser Weg der Vielfalt, der bewusst den Blick auf die bedenklichen und düsteren Seiten aus der Geschichte der Stadt richtet. Aber nicht nur. So finden sich immer auch wieder positive Beispiele von Menschlichkeit und Grossherzigkeit.

Ich werde mich in der kommenden Zeit noch bewusster und aufmerksamer durch die Stadt bewegen, und den einen oder anderen Erinnerungsort bewusst aufsuchen.

Hier geht es zur Webseite, die alle bereits definierten 86 Erinnerungsorte aufführt und auch auf einer Karte genau lokalisiert.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Freitag, 21. März 2025

Neue Webseite der Methodistenkirche St. Gallen

Ein Zitat

Die neue Webseite der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen kommt aufgeräumter und übersichtlicher daher.
Foto © Jörg Niederer
"Das Internet ist ein großer Misthaufen, in dem man allerdings auch kleine Schätze und Perlen finden kann." Joseph Weizenbaum (1923–2008) deutsch-amerikanischer Informatiker und Computerkritiker

Ein Bibelvers - Markus 16,15

"Jesus sagte zu den elf Jüngern: 'Geht in die ganze Welt hinaus. Verkündet allen Menschen die Gute Nachricht.'"

Eine Anregung

Seit einigen Tagen ist die neue Webseite der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen aufgeschaltet.

Neu kommt sie aufgeräumter und übersichtlicher daher. Es stehen drei Haupt-Menüpunkte zur Verfügung: "Angebote", "Kontakte und Personen", sowie "Raumvermietung". In Untermenüs zu finden sich die "Gemeindebriefe" und "Predigten".

Die Seite baut sich gegenüber der früheren bedeutend schneller auf. Lange Wartezeiten gehören zur Vergangenheit. Weitere Inhalte der Methodist:Innen von St. Gallen finden sich darüber hinaus auch auf YouTube, Facebook, Bluesky, Instagram, X und Threads.

In den kommenden Wochen mag das eine oder andere noch zur neuen Webseite hinzukommen. Doch für den ersten Eindruck und die Angaben zu einen Besuch in der Kirche, die ihren Standort an der Kapellenstrasse 6 zwischen den Hauptsitzen der Raiffeisenbank, dem Modeunternehmen Akris und dem Hotel Einstein hat, ist alles angerichtet.

Hier geht es zur Webseite der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Donnerstag, 20. März 2025

Zum letzten Mal

Ein Zitat

Geschenke zum Abschied meiner Mitarbeit in der Evangelisch-methodistischen Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa. Eine CD und feine Schokolade.
Foto © Jörg Niederer
"Niemand muss den lieben Gott spielen und glauben, er müsste 24 Stunden verfügbar sein." Bischof Heinrich Bolleter in seiner Eröffnungspredigt an der Tagung der Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa 1997 in Aarau.

Ein Bibelvers - Kolosser 1,3

"Jedes Mal, wenn wir für euch beten, danken wir Gott, dem Vater unseres Herrn Jesus Christus."

Eine Anregung

Am vergangenen Sonntag ging in Winterthur die Tagung der Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa (ZKMSE) der Evangelisch-methodistischen Kirche zu Ende. Zu Ende ging damit für mich auch eine lange Zeit der Mitarbeit in diesem internationalen Gremium.

Seit 1997 durfte ich die alle vier Jahre tagenden Zentralkonferenzen besuchen. Seit 2002 kamen dann auch noch die jährlich stattfindenden Tagungen des Exekutivkomitees hinzu. Anfänglich leitete ich die Arbeitsgruppe Soziale Fragen, dann die Arbeitsgruppe Bischofsamt. Über 11 Jahre hinweg prüfte ich jeweils nach den Tagungen die Protokolle.

In diesen Jahren durfte ich in viele europäische Städte reisen, lernte viele Geschwister auf der ganzen Welt kennen. Acht Jahre vertrat ich die ZKMSE auch in General Board of Church and Society unserer weltweiten Kirche, und wirkte mit an den neuen Sozialen Grundsätzen. Auch staunte ich immer wieder aufs neue über diese vielfältige, inspirierende Gemeinschaft von Christ:innen. Sicher, es gab auch langweilige und ermüdende Momente; auch Spannungen blieben nicht aus. Aber die guten Erinnerungen und Erfahrungen überwiegen bei weitem. Ich wurde reich gesegnet an diesen Treffen.

Mit der bevorstehenden Pensionierung habe ich nun meinen Rücktritt aus allen Aufgaben im Exekutivkomitee und der Zentralkonferenz gegeben. Als Geschenk wurde mir, passend zum diesjährigen Konferenzthema "Schalom mit uns" eine Doppel-CD mit dem Titel "Shalom" und feine Schokolade geschenkt. Diesen Sonntag werden die CDs dann gleich einmal im Gottesdienst in St. Gallen zum Einsatz kommen. Die Schokolade wird nicht ewig halten. Was aber bleibt, ist eine grosse Dankbarkeit.

Kannst du für Erfahrungen und Begebenheiten in deinem Leben dankbar sein?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Mittwoch, 19. März 2025

Atheistisch glauben

Ein Zitat

Das Kommunistische Parteihaus in Warschau war Sitz des Zentralkomitees der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei, wurde dann zur Börse und gehört heute einer Bank.
Foto © Jörg Niederer
"Als ich den Leuten in Nordirland erzählte, dass ich Atheist sei, stand eine Frau im Publikum auf und fragte: 'Nun gut, aber ist es der katholische oder der protestantische Gott, an den Sie nicht glauben?'" Quentin Crisp (1908-1999)

Ein Bibelvers - Prediger 7,13+14

"Gib acht auf das, was Gott tut: 'Wer kann geradebiegen, was er gekrümmt hat?' Am Glückstag sei guter Dinge, am Unglückstag aber denke daran: Den einen wie den anderen hat Gott gemacht. Deshalb verhalte dich entsprechend. Denn kein Mensch kann herausfinden, was die Zukunft bringt."

Eine Anregung

Gleich dreimal bin ich in der letzten Zeit auf Menschen gestossen, welche den Christ:innen hohe Sympathie entgegenbringen, und sich zugleich als Atheisten oder Nichtglaubende verstehen. 

Beginnen wir mit dem erst kürzlich verstorbenen Peter Bichsel: Von Andres Eberhard lese ich in einem Beitrag von ref.ch über Peter Bichsels Verhältnis zu Gott: "'Ich muss ein religiöser Mensch sein, das habe ich zu akzeptieren, damit habe ich zu leben', schrieb Bichsel als eine Art Fazit. Sein ambivalentes Verhältnis zum Glauben brachte er in späteren Jahren mit unterschiedlichen Worten zum Ausdruck. Einmal sagte er: 'Ich glaube an Gott, aber ich weiss, dass es ihn nicht gibt.' Bei anderer Gelegenheit erklärte er: 'Ich glaube nicht an Gott, aber ich brauche ihn.' In einem seiner letzten Interviews formulierte er es so: 'Ich liebe Gott, aber er liebt mich nicht, weil es ihn nicht gibt.'"
Weiter ist da auch das oft wiederholte Zitat von Peter Bichsel über die Kirche, die ihren Gründer nicht los werden kann. Noch einmal Peter Bichsel, von Andres Eberhard zitiert: "'Der Kirche wird es nicht gelingen, ihren Gründer über Bord zu werfen.' Anders als etwa politische Parteien, die sich kurzerhand neu erfinden können, sei die Kirche auf immer und ewig an Christus gebunden. 'Das macht sie spannend und interessant.'"

Dann wäre da Wolf Biermann. In seinem Buch "Mensch Gott!" schreibt er in seiner gewohnt direkten und herben Sprache in einer Art Vorwort mit der Überschrift "All meine Gläubigkeit": "Und genauso ermutigte der Glaube an Gott auch eine tapfere Schar echter Christen in der DDR zur Insubordination. Solch echte Protestanten und Katholiken wurden von der Partei bevorzugt … verfolgt. Die Wahrscheinlichkeit, daß ein Christenmensch in der DDR zum Menschenschweinehund mutiert, war kleiner als im Westen. Ich erlebte, daß wirklich treue Hirten und echt fromme Schafe – was Wunder! –, daß diese gläubigen Menschen meine natürlichen Verbündeten waren im Kampf gegen den Stalinismus. An welchen Gott, egal welcher Konfession ein Menschenkind glaubt, das soll mich nicht von ihm trennen. Und wenn ich so einen Frommen treffe, der das Markenzeichen seiner Firma demonstrativ vor sich herträgt, dann argwöhne ich skeptisches Lästermaul automatisch: Hoffentlich glaubt dieser Mensch wirklich an seinen auserwählten Gott! Ich jedenfalls, das gebrannte Kind Karl-Wolf Biermann, kann weder an Gott noch an Götter glauben." 

Zuletzt las ich in einem Sonntagszeitung-Interview mit dem Starphilosophen Slavoj Zizek. Er hat ein Buch geschrieben mit dem Titel: "Christlicher Atheismus." Hier ein Auszug aus dem Interview: "Wir sollten uns auch auf den subversiven Kern des Christentums besinnen... Ich meine damit nicht diese Vorstellung von Gott als einem guten alten Mann oder einer höheren Macht, die einen glücklichen Ausgang garantiert. Nein diese Idee stirbt am Kreuz. ... die Botschaft des Christentums lautet: Gott kehrt als Heiliger Geist zurück. der Heilige Geist ist eine egalitäre Gemeinschaft von Gläubigen, die völlig frei und für ihr eigenes Handeln verantwortlich sind. Deshalb mag ich ja auch Ihren Typen, also Calvin... Er war ein bisschen totalitär. aber er hat immer auf ein Misstrauen gegenüber den Mächtigen bestanden – und darauf, eine Regierung zu stürzen. Ich denke, ein authentisches Christentum als eine Gemeinschaft der Gleichberechtigten braucht einen neuen Calvin."

Darüber werde ich nun noch etwas weiter nachdenken.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Dienstag, 18. März 2025

Gruppenfoto

Ein Zitat

Die Teilnehmenden an der Tagung der Evangelisch-methodistischen Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa haben sich vor der Methodistenkirche Winterthur zu einem Foto versammelt.
Foto © Jörg Niederer
"Dieser Moment, wenn du bei einem Gruppenfoto nur dich anschaust und dann sagst: Dieses Foto gefällt mir (nicht)." Quelle unbekannt

Ein Bibelvers - Lukas 9,46

"Es kam aber unter ihnen [den Jüngern] der Gedanke auf, wer von ihnen der Grösste wäre."

Eine Anregung

Sieben Personen wie beim Gruppenbild des Bundesrats auf ein Foto zu bringen ist nicht sonderlich schwierig. Herausfordernder sind die Aufnahmen, auf denen sich an die hundert Personen versammeln. Schon allein alle zur selben Zeit an den Aufnahmeort zu bringen ist schier unmöglich. So frieren sich die Schnelleren die Haxen ab, während die Langsameren noch gemütlich einige E-Mails schreiben oder sich gerade jetzt mit der Person, neben der sie drei Tage lang gesessen haben, zum ersten Mal richtig unterhalten möchten.

Hat man vermeintlich alle da, gilt es, die Gruppe zu organisieren. Bestimmt nehmen dann die Grossen vorne Platz und die Kleinen hinten. Plötzlich funktioniert, was beim Anstehen am Billettschalter nie klappt: Alle stellen sich in einer Reihe auf statt in drei. Also muss man die Gruppe staffeln und an den Seiten deutlich komprimieren. Schlussendlich stehen oder kauern alle richtig, die ersten Fotos sind gemacht, wobei der Fotograf natürlich in den Blumenrabatten zu stehen gekommen ist. Da tauchen zwei drei Nachzügler:innen auf, und wollen nun auch noch aufs Bild.

Im Nachhinein stellt man dann fest: Da hat es Personen, welche zwar da waren, aber - weil sie zuhinterst standen - nur noch mit einer Haarsträhne aufs Bild fanden. Auch sind da die, von denen man nur die eine Gesichtshälfte erkennen kann. Wieder andere können lachen, soviel sie wollen, es sieht auf dem Bild einfach nicht fröhlich aus. Irgendein Witzbold muss dann auch noch zwei Finger hinter den Kopf des Vordermanns halten, so dass es aussieht, als hätte dieser Eselsohren. Und dann gibt es noch die Randerscheinungen, also Menschen, die immer Links- oder Rechtsaussen zu finden sind. Und weil nur alle zu Fotografierenden mit dem Weitwinkelobjektiv der Kamera den Weg aufs Bild fanden, sehen diese am Rand etwas breiter aus als in Wirklichkeit.

So ist es doch auch in der christlichen Gemeinde: Da sind die, welche sich für die anderen gerne die Finger abfrieren, und da sind die, welche immer zu spät kommen. Da sind die, welche sich breitbeinig vorne hinstellen, und die, welche sich möglichst hinter den anderen verstecken. Da sind die, welche nicht auffallen wollen, und die, welche den anderen in der Sonne stehen. Da sind die Fröhlichen und die Traurigen. Da sind die, welche sich hinkauern, damit die anderen auch gesehen werden. Da sind die an den Rändern und die im Zentrum. Und eine Person ist immer auch da, die diese Vielfalt an Menschen versucht zusammenzuhalten, und dabei ab und zu im Fettnäpfchen landet.

Ist es nicht wunderbar (und manchmal zum Verzweifeln) wie verschieden wir sind und doch meist in Christus zu einer Einheit zusammenfinden.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Montag, 17. März 2025

Die Zukunft der Evangelisch-methodistischen Kirche in Europa

Ein Zitat

Die Bischöfe Harald Rückert (bisher) und Werner Philipp (neu) von der Zentralkonferenz Deutschland und Bischof Stefan Zürcher von der Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa präsentieren Gedanken zur zukünftigen Kirche in Europa.
Foto © Jörg Niederer
"Vertrauen ist die massgebliche Währung für die Methodist:innen in Europa."

Ein Bibelvers - Hebräer 13,7

"Haltet die im Gedächtnis, die eure Gemeinde geleitet und euch das Wort Gottes verkündet haben. Haltet euch vor Augen, wie ihr Leben zu Ende gegangen ist. Und nehmt euch ihren Glauben zum Vorbild."

Eine Anregung

An der Zentralkonferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche (EMK) von Mittel- und Südeuropa, welche vom 13.-16. März in Winterthur stattfand, stellten die drei EMK-Bischöfe Harald Rückert, Werner Philipp und Stefan Zürcher Überlegungen einer zukünftigen EMK in Europa vor. Auslöser ist, dass an der Tagung der Zentralkonferenz von Nordeuropa (Skandinavien und Baltikum) und Eurasien vom 2.-6. April 2026 ein neuer Bischof oder eine neue Bischöfin gewählt wird. Nach dieser Wahl wird sich das eurasische Gebiet unter Leitung des bisherigen Bischofs Eduard Khegay abspalten und als autonome Kirche organisieren. Ebenfalls schon heute nicht mehr zur EMK gehören die Methodist:innen in Estland.

Dies führt wohl dazu, dass diese Zentralkonferenz von Nordeuropa in acht Jahren nicht mehr als eigenständiges Bischofsgebiet verbleiben kann. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass eine Konzentration auf zwei statt drei Bischofsgebiete in Europa erfolgen muss.

In der Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa möchte man am liebsten keine strukturellen Veränderungen. Das Gefüge in einer Kirche mit sehr unterschiedlichen Jährlichen Konferenzen, die sich eben gerade gefunden hat beim Umgang mit unterschiedlichen Ansichten zur Sexualität und dem Bibelverständnis, ist und bleibt fragil. Historische Gegebenheiten aus der Zeit des 2. Weltkriegs und der einstigen Sowjetunion haben massgeblich die heutige Struktur mit drei Zentralkonferenzen in Europa bestimmt. So ist die Zentralkonferenz von Deutschland ein Sonderfall in Europa, besteht sie doch nur aus Jährlichen Konferenzen Deutschlands. Das Misstrauen gegenüber dem einstigen Aggressor und Kriegsgegner Deutschland verunmöglichte eine internationalere Zusammensetzung.  

Verschiedene Rednerinnen und Redner habe daher betont, dass nun vertrauensbildende Massnahmen von zentraler Bedeutung sind. Auch solle man beim weiteren Nachdenken nicht zuerst von Strukturveränderungen ausgehen, sondern vom Missionsauftrag der Kirche.

Der nächste Schritt auf diesem Weg zu einer zukünftigen Evangelisch-methodistischen Kirche in Europa erfolgt an einer gemeinsamen Tagung aller Exekutivkomitees der drei aktuellen Zentralkonferenzen im Frühjahr 2026 in Reutlingen.

Anders ist die Entwicklung in Afrika. Dort wurden an der Zentralkonferenz, welche letzte Woche stattgefunden hat, zwei neue zusätzliche Bischofsgebiete eingerichtet und vier neue Bischöfe gewählt.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Sonntag, 16. März 2025

Weltkirche ganz nah

Ein Zitat

Üllas Tankler ergreift das Wort an der methodistischen Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa.
Foto © Jörg Niederer
"Lass deine Worte das wahre Bild deines Herzens sein." – John Wesley (1703-1791)

Ein Bibelvers - Epheser 2,4+5

"Aber Gott ist reich an Barmherzigkeit. Mit seiner ganzen Liebe hat er uns geliebt und uns zusammen mit Christus lebendig gemacht. Das tat er, obwohl wir tot waren aufgrund unserer Verfehlungen. – Aus reiner Gnade seid ihr gerettet! –"

Eine Anregung

Vom 13.-15. März fand in Winterthur die Zentralkonferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche vom Mittel- und Südeuropa statt. Verschiedene Delegierte und Gäste besuchen aus diesem Grund heute verschiedene Gottesdienste. 

Auch für die Region Ostschweiz findet heute ein Gottesdienst mit Mittagessen und anschliessendem Nachmittagsprogramm in der Evangelisch-methodistischen Kirche Uzwil statt. Um 10.30 beginnt der Anlass am Kindergartenweg 13 in Niederuzwil.

Predigen wird Üllas Tankler. Er ist der Regionalsekretär für Europa, Eurasien und Nordafrika des weltweit tätigen Missionswerks unserer Kirche. Aus Estland stammend ist er bestens vernetzt und kennt sich wie kein anderer in den verschiedenen Ländern seines Wirkungsbereichs aus. Auf vielfältige Weise unterstützt er die missionarischen Anstrengungen der lokalen Gemeinden. Am Nachmittag wollen wir mit ihm ins Gespräch kommen über seine Erfahrungen, sein Leben, seine Hoffnungen und Wünsche, aber auch darüber, was er von Regionalisierungen hält und ob er neue und wirksame Gemeindemodelle für unserer Zeit kennt. Auch über seine Einschätzung zur EMK in der Ukraine werden wir mit ihm austauschen. Üllas Tankler spricht fliessend deutsch.

Der Anlass kann ohne Anmeldung besucht werden. Für das Mittagessen ist jede Person selbst verantwortlich. Kaffee, Tee und Kuchen stehen zur Verfügung.

Alle Infos zu diesem aussergewöhnlichen Sonntagsanlass findet man auf dem Flyer.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Samstag, 15. März 2025

Wort des Bischofs

Ein Zitat

Zu 10 Themen aus dem "Wort des Bischofs" an die Zentralkonferenz wurde in Gruppen diskutiert und Gedanken dazu notiert.
Foto © Jörg Niederer
"Ich schwanke immer wieder zwischen Hoffnung, und der Realität der Kirche." Bischof Stefan Zürcher

Ein Bibelvers - Johannes 14,27

"Zum Abschied schenke ich euch Frieden: Ich gebe euch meinen Frieden. Ich gebe euch nicht den Frieden, wie ihn diese Welt gibt. Lasst euch im Herzen keine Angst machen und lasst euch nicht entmutigen."

Eine Anregung

Keine Bischofsbotschaft aber ein "Wort des Bischofs" gab es an der Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa der Evangelisch-methodistischen Kirchen in Winterthur. Bischof Stefan Zürcher, seit zwei Jahren im Amt, wollte nach dieser relativ kurzen Zeit noch nicht mit einer Botschaft aufwarten. So berichtet er in seinem Wort über seine Arbeit und seine ersten Eindrücke.

Gestern Morgen nahmen sich die Delegierten viel Zeit, um über 10 der Themen, die im Wort des Bischofs angesprochen werden, auszutauschen und ergänzende Vorschläge auf Flipchart-Blätter zu notieren. Hier an dieser Stelle gibt es exklusiv einige Ausschnitte aus dem Wort des Bischofs.

Als erstes wird dabei das Konferenzthema "Schalom mit uns" aufgenommen: "Denn das ist Gottes Mission in dieser Welt: Schalom zu schaffen, umfassendes Wohl für alle Menschen und Geschöpfe. … Gottes Schalom hat eine geistliche Dimension. Diese zielt auf eine heile Beziehung zu Gott. … Gottes Schalom hat eine individuelle, persönliche Dimension. Diese zielt auf eine heile Beziehung mit sich selbst. … Gottes Schalom hat eine soziale, gesellschaftliche Dimension. Diese zielt auf heile Beziehungen zu den Mitmenschen und auf eine lebensfördernde menschliche Gemeinschaft. … Gottes Schalom hat eine kosmische Dimension. Diese zielt auf heile Beziehungen zur Mitschöpfung."

Über seine Begegnungen in den verschiedenen Länder schreibt er: "Ein wesentlicher und schöner Teil meines Dienstes sind, wie erwähnt, die Reisen, die Begegnungen und die vielen Gespräche mit Leitungsverantwortlichen, Mitarbeitenden, Gemeindegliedern, Vertreterinnen aus der Ökumene oder mit politischen Verantwortungsträgern in den Ländern unserer Zentralkonferenz. Die Gastfreundschaft, der ich dabei begegne, beeindruckt mich immer wieder. Tischgemeinschaft und miteinander Essen oder das gemeinsame Beten und Feiern erlebe ich als Momente geteilten Lebens und Glaubens und auch des Geniessens. Dabei will ich nicht unterschlagen, dass in manchen Situationen auch das gemeinsame Ringen um Klarheit, Lösungen und um die nächsten Schritte dazu-gehören."

Inhaltlich sind die Verwerfungen beim Thema der Menschlichen Sexualität etwas in den Hintergrund gerückt. Bischof Stefan schreibt dazu: "Sowohl an diesen Treffen wie auch bei Pastorentreffen war die Frage der menschlichen Sexualität und der Umgang unserer Kirche damit ein Thema. Informationen aus erster Hand, ein offenes Ohr und eine Gesprächsatmosphäre, die es erlaubte, Befürchtungen und Hoffnungen zu teilen, trugen aber mit dazu bei, den Fokus wieder mehr und mehr auf andere Themen und Herausforderungen zu lenken. Als hilfreich erweist sich dabei, dass die ausserordentliche ZK 2022 vorausschauend einen Weg festlegte, wie wir mit unseren unterschiedlichen Überzeugungen gemeinsam weitergehen wollen. … Bis auf unsere Kirche in Tschechien sehen alle JKs einen weiteren gemeinsamen Weg in der ZK. Weiterhin sind Achtsamkeit, ein gutes Aufeinander-Hören und gegenseitige Wertschätzung nötig." 

Herausforderungen gibt es auch. So etwa der Pfarrpersonenmangel, oder auch die Altersstruktur der Kirche. Bischof Stefan schreibt: "In vielen Gebieten unserer ZK gehören mehrheitlich Menschen in der zweiten Lebenshälfte zu unseren Gemeinden, und die Mitgliederzahlen stagnieren oder nehmen ab. Wachstum erleben wir unter anderem in den jungen Teilen unserer Kirche in Rumänien und Albanien oder dort, wo es gelingt, Kirche mit Menschen mit internationalem Hintergrund zu bauen."

Was Bischof Stefan wichtig ist in seinem Dienst, zählt er im Wort des Bischofs ebenfalls auf: "Unsere Kirche als zerbrechliches Gefäss wertschätzen … Mit vielfältigen Formen von Kirche experimentieren … Kinder und Jugendliche erfahren lassen, dass sie schon heute Teil unserer Kirche sind. … (Junge) Menschen fördern, so dass sie sich zu hingebungsvollen Leitenden entwickeln." 

Das Wort des Bischofs endet mit dem Dank: "Ich danke Gott, der uns durch seinen Schalom miteinander verbindet, durch seinen Heiligen Geist ausrüstet und leitet, ermutigt und behütet."

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Freitag, 14. März 2025

Gäste und Traubenzucker

Ein Zitat

Manuel Both überreicht Bischof Stefan Zürcher an der Zentralkonferenz in Winterthur Traubenzucker als Stange verpackt.
Foto © Jörg Niederer
"Gespräche über den Frieden werden an manchen Orten ziemlich unfriedlich geführt." Bischof Harald Rückert in der Predigt zur Eröffnung der Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa

Ein Bibelvers - Jesaja 2,4

"Gott sorgt für Recht unter den Völkern. Er schlichtet Streit zwischen mächtigen Staaten. Dann werden sie Pflugscharen schmieden aus den Klingen ihrer Schwerter. Und sie werden Winzermesser herstellen aus den Eisenspitzen ihrer Lanzen. Dann wird es kein einziges Volk mehr geben, das sein Schwert gegen ein anderes richtet. Niemand wird mehr für den Krieg ausgebildet."

Eine Anregung

Der erste Tag an der Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa der Evangelisch-methodistischen Kirche begann in Winterthur mit einem Abendmahlsgottesdienst, bei dem allerlei Vertreter anderer Kirchen und Freikirchen mit einbezogen wurden, sowie einer Predigt von Bischof Harald Rückert von der Zentralkonferenz Deutschland.

Mit das Abendmahl ausgeteilt haben Andi Kleeli von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen Winterthur und der Evangelischen Allianz; der katholische Pfarrer Stefan Staubli von der Kirche Peter und Paul; der reformierte Dekan Christof Stebler und der Altbischof Harald Rein von der Christkatholischen Kirche. Alle vier richteten in der Folge dann auch Grussworte aus, bei denen die gute Zusammenarbeit zwischen Landes- und Freikirchen in der Stadt Winterthur mehrfach betont wurde.

Simon Ansgar, Stadtschreiber von Winterthur bewarb die Stadt Winterthur mit herzlichen Worten und verwies, wie schon zuvor ein anderer Redner, auf den gescheiterten Versuch aus der Eisenbahneranfangszeit, Winterthur mit einer eigener Bahnlinie einen Vorteil vor Zürich zu verschaffen. Auch auf das vom Gottfried Semper (von ihm ist die Semperoper in Dresden und verschiedene Museen in Wien) erbaute klassizistische Stadthaus kam er zu sprechen.

Üblicherweise finden sich an Zentralkonferenzen in gehäufter Weise Bischöfinnen und Bischöfe ein, was auch in diesem Jahr in Winterthur der Fall ist. Zu nennen sind, nebst Bischof Stefan Zürcher, Bischof Sifredo Teixeira von der Methodistenkirche in Portugal, dann der bisherige Bischof von Deutschland Harald Rückert und sein jüngst gewählter Nachfolger Bischof Werner Philipp.

Eigentlicher Gastgeber der Konferenz ist die Evangelisch-methodistische Kirche Winterthur. Manuel Both begrüsste denn auch Bischof Stefan Zürcher mit einem Winterthurer Risotto. Wer Manuel Both kennt, weiss auch, dass man bei ihm kaum an Traubenzucker vorbeikommt. Das galt auch für Bischof Stefan Zürcher. Verpackt in Form eines Stabes bzw. "Zepters" sollte der Traubenzucker nun mehrere Jahre reichen, vielleicht bis zur Wiederwahl des Bischofs an der nächsten Zentralkonferenz in vier Jahren.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Donnerstag, 13. März 2025

Ein Team für den Bischof

Ein Zitat

Die Arbeitsgruppe Bischofsamt. V.l.n.r.: László Khaled (HU-RO), Bozena Daszuta (PL), Stefan Schröckenfuchs (AT), Ivana Procházková (CZ) und Jörg Niederer (CH). Es fehlt Daniel Sjanta (RS).
Foto © Jörg Niederer
"Wachstum erleben wir unter anderem in den jungen Teilen unserer Kirche in Rumänien und Albanien oder dort, wo es gelingt, Kirche mit Menschen mit internationalem Hintergrund zu bauen." Bischof Stefan Zürcher in seinem Bericht an die Zentralkonferenz

Ein Bibelvers - Johannes 20,21

Jesus: "Schalom mit euch!"

Eine Anregung

Von heute bis zum kommenden Sonntag tagt in Winterthur die Zentralkonferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche von Mittel- und Südeuropa (ZKMSE) unter der Leitung von Bischof Stefan Zürcher.

Meist unmittelbar voraus trifft sich die Arbeitsgruppe (AG) Bischofsamt, welche sich aus je einer Person jeder Jährlichen Konferenz (Synode) zusammensetzt, die zur ZKMSE gehört. Dazu zählen die Jährlichen Konferenzen Ungarn-Rumänien, Polen, Österreich, Tschechien, Serbien-Nordmazedonien-Albanien und Schweiz-Frankreich-Nordafrika. Aufgabe der AG Bischofsamt ist es, den von der Zentralkonferenz gewählten amtierenden Bischof konstruktiv-kritisch zu begleiten. Bischof Stefan Zürcher wurde im Herbst 2022 vorerst für 6 Jahre gewählt. Nach knapp zwei Jahren im Amt hat er sich zur Freude aller gut in die Leitung und Begleitung der Jährlichen Konferenzen eingearbeitet. So wurde die Sitzung der AG Bischofsamt, die überwiegend aus dem Gespräch mit dem Bischof bestand, zu einer überaus erfreulichen Sache.

Selbst habe ich die AG Bischofsamt nun 11 Jahre geleitet. Zeit, diesen Stab in andere Hände weiterzugeben.

In diesem Jahr wird die Zentralkonferenz nebst vielen weiteren Geschäften auch die offizielle deutschsprachige Übersetzung der Sozialen Grundsätze gutheissen. Der Text wurde in Zusammenarbeit mit der Zentralkonferenz Deutschland aus dem Amerikanischen übersetzt. Weiter werden wichtige Schritte beschlossen, welche es der Jährlichen Konferenz Tschechien ermöglicht, sich in etwa ein/zwei Jahren von der Evangelisch-methodistischen Kirche zu lösen und als selbstständige methodistische Kirche zu formieren.

Am Rand wurde ich von Delegierten aus dem Ausland mehrfach gefragt, was man so als Spezialität der Stadt Winterthur kaufen könne. Auch die Winterthurer selbst wussten darauf keine befriedigende Antwort. Falls jemand echte Winterthurer Spezialitäten kennen sollte, wäre ich um eine kurze Nachricht dankbar. (Das Fan-Halstuch des FC Winti ist ja nur für wirklich eingefleischte Fussballfans eine Freude.)

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Mittwoch, 12. März 2025

Die Beisetzung des Winters

Ein Zitat

Was vom Winter bleibt an einem Funkensonntag in Gossau, ist eine grosse, heisse Glut zum Fasnachtsende.
Foto © Jörg Niederer
"Winter, ade! / Scheiden thut weh. / Gehst du nicht bald nach Haus, / Lacht dich der Kuckuck aus. / Winter, ade! / Scheiden thut weh." 3. Strophe des Lieds von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874)

Ein Bibelvers - 1. Mose 8,22

"Solange die Erde besteht, werden nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht."

Eine Anregung

Mit dem Fasnachtsende wird an verschiedenen Orten mit einem grossen Feuer und der Verbrennung des Böggs, einer menschenähnliche Puppe, der Winter vertrieben, und zugleich auch die Intensität des Sommers erfragt. Schweizweit bekannt ist das Zürcher Sechseläuten der Zünfte mit der Verbrennung des Bööggs (dort mit zwei ö geschrieben). Dieser Anlass findet aber erst im April statt. Überall wo es den Brauch gibt, gilt: Je schneller der Böögg explodiert, desto schöner wird der Sommer.

Nun kommen aber Zweifel auf, ob der zürcherische Brauch überhaupt noch aussagekräftige Prognosen des Sommers machen kann, wo doch zum Beispiel im sanktgallischen Gossau schon mehrere Wochen früher ein Ergebnis feststeht. So am vergangenen Sonntag, dem Funkensonntag, als wir bei einem Konzertbesuch zufällig auch in diesen Brauch gerieten. Dem dortige Bögg habe das Feuer innerhalb von zwei Minuten den Garaus gemacht, was auf einen extrem heissen Sommer schliessen lasse. Welcher Böögg hat nun recht?

Hinzu kommt, dass auch andernorts Puppen in Rauch und Lärm aufgehen, so etwa in den ausserrhodischen Orten Waldstatt und Herisau. Dort hat der Bögg einen Namen. Er heisst Gidio Hosenstoss. Die Verbrennung ist in den beiden Orten Abschluss einer gespielten Beisetzung, bei der der Gidio, der je nach dem an einem gestohlenen Läckerli gestorben ist oder an etwas anderem, zu Grabe, oder eben zu Feuer getragen wird.

Damit haben wir nun auch den Bezug zur Kirche. Ein Fasnachtsbrauch als Beisetzungsfeier mit allem Drum und Dran: letztes Geleit, Grabrede und Feuerbestattung.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Dienstag, 11. März 2025

Queers methodistisch

Ein Zitat

Der Regenbogen ist das Symbol der LGPTQI+-Gemeinschaft
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"Bei uns sind alle willkommen. Queers und Non-Queers. Alte und Junge. Gläubige und Skeptische. Gewinnertypen und Losers." Quelle: Webseite von "Bärg u Tal"

Ein Bibelvers - Markus 2,16

"Die Schriftgelehrten unter den Pharisäern sahen, dass Jesus mit Leuten, die als Sünder galten, und mit Zolleinnehmern ass. Da sagten sie zu seinen Jüngern: 'Wie kann er mit Zolleinnehmern und Sündern essen?'"

Eine Anregung

Unlängst strahlte das Fernsehen SRF eine "rec."-Reportage von Simon Reinker aus, die sich mit queeren Menschen in Freikirchen beschäftigt. Reinker war selbst viele Jahre engagiert in Freikirchen. Deren ablehnende Haltung gegenüber queeren Menschen führte in aus der Kirche hinaus.

Die Reportage zeichnet sich durch einen sensiblen Umgang mit den portraitierten Menschen und den Freikirchen aus. Hinzu kommt, dass gleich zwei methodistische Kirchen zu sehen sind und mit Eve Urech ein Mitglied der methodistischen Gemeinschaft "Bärg u Tal", in welcher wirklich alle Menschen willkommen sind.

Später dann geht Reinker zum ersten Mal nach vielen Jahren wieder in einen Freikirchen-Gottesdienst. Er besucht die Regenbogenkirche, eine weitere methodistischen Kirche in der Schweiz. Auf deren Webseite steht: "Bist du lesbisch, schwul, heterosexuell, bisexu­ell, trans, inter­ge­schlecht­lich, queer oder… Bei uns bist du willkommen, denn wir glauben, dass Gott uns so geschaffen hat, wie wir sind". Eine transsexuelle Person aus dieser Gemeinde erzählt im Film, wie es sie besonders berührte, als sie gleich beim ersten Besuch in der Gemeinde am Abendmahl teilnehmen durfte. Etwas, das ihr in ihrer früheren Gemeinde nicht erlaubt worden war.

Die Reportage zeigt eindrücklich, was es bedeutet, von christlichen Menschen abgelehnt zu werden, und was Annahme bewirken kann für queere Menschen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Montag, 10. März 2025

Eine Tür, drei Angebote

Ein Zitat

Eingangsbereich der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen, neu mit der Anschrift des Gebetshauses.
Foto © Jörg Niederer
"Als überkonfessionelle Initiative treten wir nicht in Konkurrenz zu den Kirchen und Gemeinden." Aussage auf der Webseite des Gebetshauses

Ein Bibelvers - Psalm 42,9

"Am Tag schenkt der Herr mir seine Güte und in der Nacht dank ich ihm mit einem Lied – mit einem Gebet zum Gott meines Lebens!"

Eine Anregung

Ab heute finden die Angebote des Gebetshauses St. Gallen in den Räumen der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen an der Kapellenstrasse 6 statt. Nach etlichen Gesprächen haben sich die Methodist:innen von St. Gallen entschlossen, ihre Räume in einem Mietverhältnis dem Gebetshaus zur Verfügung zu stellen. 

Das Gebetshaus ist keine Kirche oder Gemeinde, aber will den Kirchen und Gemeinden dienen. Überkonfessionell trifft man sich, um für die Nöte der Welt und für die Stadt St. Gallen zu beten und um den dreieinige Gott Tag und Nach anzurufen. Geleitet wird das Gebetshaus St. Gallen durch Andreas Recher und ein Team. Das Büro des Gebetshauses befindet sich nun auch in der Methodistenkirche.

Das heisst nicht, dass es die Methodistenkirche in St. Gallen nicht mehr gibt. Deren Anlässe finden parallel zu den Angeboten des Gebetshauses St. Gallen statt.

Hinzu kommt noch eine evangelische Gemeinde von Ukrainerinnen und Ukrainer, welche jeweils am Sonntagnachmittag und am Mittwochabend ihre Gottesdienste und Versammlungen im Haus an der Kapellenstrasse abhalten.

So führt nun eine Tür zu drei christlichen Angebote. Drei Organisationen teilen sich in die Räume. Es wird interessant sein, zu beobachten, was sich an Synergie daraus ergeben wird. Vorerst heisst es, sich an die unterschiedlichen Lebens- und Glaubensvollzüge zu gewöhnen. Ich bin zuversichtlich, dass das gelingen wird.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen