Dienstag, 18. März 2025

Gruppenfoto

Ein Zitat

Die Teilnehmenden an der Tagung der Evangelisch-methodistischen Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa haben sich vor der Methodistenkirche Winterthur zu einem Foto versammelt.
Foto © Jörg Niederer
"Dieser Moment, wenn du bei einem Gruppenfoto nur dich anschaust und dann sagst: Dieses Foto gefällt mir (nicht)." Quelle unbekannt

Ein Bibelvers - Lukas 9,46

"Es kam aber unter ihnen [den Jüngern] der Gedanke auf, wer von ihnen der Grösste wäre."

Eine Anregung

Sieben Personen wie beim Gruppenbild des Bundesrats auf ein Foto zu bringen ist nicht sonderlich schwierig. Herausfordernder sind die Aufnahmen, auf denen sich an die hundert Personen versammeln. Schon allein alle zur selben Zeit an den Aufnahmeort zu bringen ist schier unmöglich. So frieren sich die Schnelleren die Haxen ab, während die Langsameren noch gemütlich einige E-Mails schreiben oder sich gerade jetzt mit der Person, neben der sie drei Tage lang gesessen haben, zum ersten Mal richtig unterhalten möchten.

Hat man vermeintlich alle da, gilt es, die Gruppe zu organisieren. Bestimmt nehmen dann die Grossen vorne Platz und die Kleinen hinten. Plötzlich funktioniert, was beim Anstehen am Billettschalter nie klappt: Alle stellen sich in einer Reihe auf statt in drei. Also muss man die Gruppe staffeln und an den Seiten deutlich komprimieren. Schlussendlich stehen oder kauern alle richtig, die ersten Fotos sind gemacht, wobei der Fotograf natürlich in den Blumenrabatten zu stehen gekommen ist. Da tauchen zwei drei Nachzügler:innen auf, und wollen nun auch noch aufs Bild.

Im Nachhinein stellt man dann fest: Da hat es Personen, welche zwar da waren, aber - weil sie zuhinterst standen - nur noch mit einer Haarsträhne aufs Bild fanden. Auch sind da die, von denen man nur die eine Gesichtshälfte erkennen kann. Wieder andere können lachen, soviel sie wollen, es sieht auf dem Bild einfach nicht fröhlich aus. Irgendein Witzbold muss dann auch noch zwei Finger hinter den Kopf des Vordermanns halten, so dass es aussieht, als hätte dieser Eselsohren. Und dann gibt es noch die Randerscheinungen, also Menschen, die immer Links- oder Rechtsaussen zu finden sind. Und weil nur alle zu Fotografierenden mit dem Weitwinkelobjektiv der Kamera den Weg aufs Bild fanden, sehen diese am Rand etwas breiter aus als in Wirklichkeit.

So ist es doch auch in der christlichen Gemeinde: Da sind die, welche sich für die anderen gerne die Finger abfrieren, und da sind die, welche immer zu spät kommen. Da sind die, welche sich breitbeinig vorne hinstellen, und die, welche sich möglichst hinter den anderen verstecken. Da sind die, welche nicht auffallen wollen, und die, welche den anderen in der Sonne stehen. Da sind die Fröhlichen und die Traurigen. Da sind die, welche sich hinkauern, damit die anderen auch gesehen werden. Da sind die an den Rändern und die im Zentrum. Und eine Person ist immer auch da, die diese Vielfalt an Menschen versucht zusammenzuhalten, und dabei ab und zu im Fettnäpfchen landet.

Ist es nicht wunderbar (und manchmal zum Verzweifeln) wie verschieden wir sind und doch meist in Christus zu einer Einheit zusammenfinden.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

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