Donnerstag, 8. Dezember 2022

Schattenuhr

Ein Zitat

Sonnenuhr an einem Schattentag an der paritätische Kirche St. Bartholomäus im thurgauischen Pfyn.
Foto © Jörg Niederer
"Ich muss auf meinen Schatten warten." Alte Redensart

Ein Bibelvers - Apostelgeschichte 5,15

"Man brachte sogar die Kranken auf die Strasse und legte sie dort auf Matten und Tragen. Wenn Petrus vorbeikam, sollte wenigstens sein Schatten auf den einen oder anderen von ihnen fallen."

Eine Anregung

Was interessierte die Methodistinnen und Methodisten vor 130 Jahren? In der damaligen Zeitschrift "Der Evangelist" finden sich Fortsetzungsromane, Kirchennachrichten, Geistliche Texte, Reaktionen von Lesenden, Nachrichten aus der Politik, Berichte von Konferenzen und aus anderen Kirchen, aber auch anekdotische Beiträge, meist verbunden mit einem moralischen Anspruch. Die Sprache war natürlich noch nicht inklusiv, auch der Sprachgebrauch und die Benennung von Menschengruppen entspricht nicht heutigen Standards. Selbst bei der Zuverlässigkeit der Inhalte kommen ab und zu Zweifel auf. So auch in einem kurzen Text vom 14. Mai 1887, überschrieben mit "Die Schattenuhr"

"Die Orientalen messen die Zeit nach der Länge ihres Schattens. Fragt man jemand, wie viel Uhr es ist, so stellt er sich sogleich in die Sonne, hält sich gerade und betrachtet, bis zu welcher Stelle sich sein Schatten erstreckt; dann misst er mit seinen Füssen die Länge des Raumes, die derselbe einnimmt und wird dadurch in den Stand gesetzt, die Stunde mit ziemlicher Genauigkeit zu bestimmen. Auch wünschen die Arbeiter lebhaft die Länge des Schattens ankommen zu sehen, welche den Augenblick anzeigt, wo sie die Arbeit verlassen dürfen. Daher sagt ein Mensch, der müde ist: 'Wie lang es doch dauert, ehe mein Schatten kommt.' Wenn man einen fragt, warum er nicht früher gekommen ist, so antwortet er: 'Weil ich auf meinen Schatten wartete.' So steht schon in der Bibel (Hiob 7,2): 'Wie ein Knecht sich sehnet nach seinem Schatten und ein Taglöhner, dass seine Arbeit aus sei.'"

Schattenuhren hat es zweifellos gegeben. Es sind Vorläuferinnen der Sonnenuhr. Aber dabei handelt es sich um Gebäudestrukturen oder dem sogenannten Schattenstab (Gnomon). Ich musste jedoch länger suchen, bis ich auf einen Beleg gestossen bin, bei dem die Zeit am Schattenwurf eines Menschen gemessen wurde. So soll auf einem 4000 Jahre alten altägyptischen Papyrus folgende Inschrift stehen: "Wenn dein Schatten sechzehn Fuss misst, geliebte Berenike, erwartet dich dein Amasis am Olivenhain."

Übrigens für alle aus der Schweiz: Auf die neue Bundesrätin und den neuen Bundesrat müssen wir nicht mehr warten. "Die Schatten sind gefallen/gekommen!" Gestern schon.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen