Ein Zitat
"Γνῶθι σεαυτόν" (griechisch: Erkenne dich selbst!), Chilon von Sparta, um 556 v. Chr.Foto © Jörg Niederer
Ein Bibelvers - 1. Mose 3,7
"Da gingen den beiden [Adam und Eva] die Augen auf, und sie erkannten, dass sie nackt waren. Sie banden Feigenblätter zusammen und machten sich Lendenschurze."
Ein Anregung
Die beiden jungen Frauen waren in Ausgehlaune und auch entsprechend aufgebrezelt. Sie sassen im Zug, und brachten es nicht über sich, eine Maske zu tragen. Fast Nonstop betrachteten sie sich selbst in ihrem Handy, posierten und knipsten von sich selbst den Speicher voll.
Selfies haben mitunter schon etwas Narzisstisches. Auch ich fotografiere mich gelegentlich selbst. Etwa auf einer Wanderung. Gemeinsam mit meiner Frau unterwegs soll auch ein gemeinsames Bild entstehen in typischem Handylook, bei dem einerseits irgendetwas besonderes auf dem Foto zu sehen ist (nebst uns) und eine meiner Extremitäten seltsam unnatürlich weggestreckt erscheint. Die Bilder sagen: Wir gehören zusammen, wir haben wieder etwas gemeinsam unternommen, wir haben es gut. Meist ist das dann auch so gewesen.
Erinnerungen wie diese Bilder führen uns wieder zurück zu Stationen unseres Lebens, zeigen Veränderungen, lassen erkennen, wie die Zeit Spuren auf unseren Gesichtern hinterlassen hat.
Am Apollotempel von Delphi stand der vielzitierte Satz, der Chilon, einem der sieben Weisen, zugeschrieben wird: "Erkenne dich selbst". Ohne Maske fällt das rein optisch wieder leichter. Wie ist es aber auf der philosophisch anthropologischen Ebene? Bin ich mir meiner Endlichkeit bewusst? Nehme ich mich in Relation und Abhängigkeit zur ganzen erschaffenen Welt wahr? Erkenne ich, wie wenig ich erkennen kann von den Geheimnissen in mir und um mich herum? Bin ich so, wie ich sein möchte?
Und was denken sich wohl zwei Kaiserpinguine, wenn sie ein Selfie von sich machen, wie auf dieser Aufnahme, entstanden mit einer autonomen Kamera?
Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde
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