Donnerstag, 19. Dezember 2024

Senza Maria

Ein Zitat

Krippenfiguren an einem Stand am Christkindlmarkt in Strasbourg.
Foto © Jörg Niederer
"Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren, doch nicht in dir, du gingest ewiglich verloren!" Angelus Silesius (1624-1677)

Ein Bibelvers - Hebräer 9,12

"Christus brachte nicht das Blut von Ziegenböcken und Kälbern als Opfer dar, sondern sein eigenes Blut. So ist er ein für alle Mal in das Heiligtum eingetreten und hat die ewige Erlösung erwirkt."

Eine Anregung

In einem Weihnachtsgruss an die Dienstgemeinschaft der Pfarrpersonen schreibt Nicole Becher davon, dass eines Tages bei den Krippenfiguren die Maria fehlte. Das löste so einiges aus in den Gesprächen: "Ohne Maria ist kein Weihnachten möglich", so Nicole Becher und sie fährt fort: "Wenn keine Maria da ist, wer wird das Kind auf die Welt bringen? Wie kann ein Mensch werden, wie kann Gott* Mensch werden, so ganz richtig, ohne dass es eine werdende Mutter gibt?"

Noch Drastischeres ereignete sich vor Jahren, als mein Hund das aus Zeitungsschnipseln und Fischkleister in der Schule gebastelte Jesuskind aus der Weihnachtskrippe frass. Damals blieben Maria und Josef verschont, aber das Ergebnis war das selbe. Welchen Wert für Gottes Plan mit der Schöpfung, einschliesslich der Menschen, hätten Maria und Josef ohne Jesuskind?

Und nun, am gestrigen Christkindelmarkt in Strasbourg - ich war in dieser europäischen Metropole, um an der Trauerfeier von meinem einstigen Kirchengeschichts- und Griechisch-Lehrer Michel Weyer Abschied zu nehmen - und nun diese Inflation an Jesusfiguren, Marienfiguren, Joseffiguren. Ein Mangel an Jesuskindern scheint auf den Weihnachtsmärkten nicht zu herrschen.

Da stellt sich doch die Frage, was wäre, wenn es nicht nur eine Maria und einen Josef und einen Jesus gäbe, sondern Hunderte, ja Tausende? Gäbe es dann auch Hunderte und Tausende Kreuze und Gekreuzigte? Gab und gibt es die nicht sowieso, damals im Römischen Reich und heute in neuen Foltergefängnissen? Wäre Gottes Sohn uns präsenter, wenn es ihn gleich tausendfältig gäbe? Könnten wir ihn nicht mehr übersehen im Trubel des Alltags, da er sowieso an jeder Strassenecke zu finden wäre? Würde uns das gar noch stärker abstumpfen für die Geschichte Gottes mit den Menschen, als dass dies in der heutigen säkularisierten und kommerzialisierten Welt geschieht?

Nun, neu sind diese Gedanken nicht, wie man gut am Zitat von Angelus Silesius erkennen kann.

Ich finde, es ist gut, dass es Jesus und Maria und Josef nur je einmal gibt. Aber weniger als einmalig dürfte es sie auch nicht geben.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

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