Dienstag, 5. August 2025

Geistlich mündig werden

Ein Zitat

Eine flügge junge Rauchschwalbe lässt sich weiter von ihren Eltern füttern.
Foto © Jörg Niederer
"Das Einzige deiner Kinder, das nie erwachsen wird, ist dein Ehemann." Demi Moore (*1962)

Ein Bibelvers - 1. Korinther 13,11

"Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind. Ich urteilte wie ein Kind und dachte wie ein Kind. Als ich ein Mann geworden war, legte ich alles Kindliche ab."

Eine Anregung

Übergangszeiten sind schwierig. Das ist auch bei den Vögeln so. Aktuell kann man viele flügge junge Vögel beobachten, die immer noch ihre Eltern um Futter anbetteln. In Stein am Rhein sehen wir Turmfalken, welche von ihren Jungen um die Kirche herum in wildem Flug verfolgt werden, weil sie ihnen das Futter abluchsen wollen. In der Allmend Frauenfeld ist es ein junger Kuckuck, der längst das Nest verlassen hat und gut fliegen kann, und doch immer noch auf das Futter seiner oft fünfmal kleineren Zieheltern wartet. In den Städten sind es die jungen Spatzen, welche ihren Eltern nachhüpfen und sie um Futter anbetteln. Selbst wenn die Körner neben ihnen auf dem Boden liegen, nehmen sie diese nicht selbst auf, sondern wollen damit gefüttert werden. Auch die Rauchschwalben kennen dieses Problem, dass ihre Halbwüchsigen sich von ihnen weiter verwöhnen lassen wollen (Siehe Foto!).

Wenn wir ehrlich sind, dann kennen wir dieses Verhalten auch von uns selbst. Wem kommt da nicht das berühmte "Hotel Mamma" in den Sinn?

Gibt es aber auch in Glaubensfragen etwas Vergleichbares? Wollen wir uns da auch einfach verköstigen, möglichst vorverdaut und mundgerecht? Wollen wir von der Berufstheologin zurechtgemachte Predigten, die nicht zu sehr auf den geistlichen Magen schlagen? Ab wann sind wir in der Lage, mündige Christ:innen zu sein? Ab wann können und wollen wir, wie einst in einem Werbespot der Reformierten behauptet wurde, "selber denken"?

Es geht um ein mündiges Christsein. Es geht um das allgemeine Priestertum aller Gläubigen. Es geht darum, den Weg von der Kinderbibel zur Erwachsenenbibel zu finden, vom Kinderglauben zum Glauben von Mündigen.

Wie gut ist mir das bisher gelungen?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Montag, 4. August 2025

Wie im Flug

Ein Zitat

Ein Hausrotschwanz jagt mit Erbeutetem im Schnabel weiteren Insekten nach.
Foto © Jörg Niederer
"Eines Vogels Flug durch den weiten Himmel trägt den Schauenden mit." Herkunft unbekannt

Ein Bibelvers - Psalm 55,7

"Da sprach ich: 'Wenn ich doch Flügel hätte! Wie eine Taube wollte ich davonfliegen und mich woanders niederlassen.'"

Eine Anregung

Sieht man Vögel mit Futter im Schnabel, dann ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass in einem Nest Nachwuchs auf sie warten. Der Hausrotschwanz hat schon Beute gemacht, doch das ist ihm noch nicht genug. Gerade fliegt er wieder einem Insekt hinterher.

Das kennen wir. Es ist Montag. Auch wir Menschen müssen arbeiten damit es unsere Kinder gut haben.

Vögel arbeiten im Flug. Möge deine und meine Arbeit wie im Flug geschehen. Ich wünsche uns allen einen ansprechenden, sinnvollen, gesegneten Arbeitstag.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Sonntag, 3. August 2025

Ich mag keine geschlossenen Kirchentüren

Ein Zitat

Am Nationalfeiertag war die Kirche von Brütten verschlossen.
Foto © Jörg Niederer
"Der Veränderung die Tür schließen hieße, das Leben selber aussperren." Walt Whitman (1819–1892)

Ein Bibelvers - Psalm 24,7

"Ihr Tore des Tempels, seid hocherfreut! Ihr Türen der Urzeit, öffnet euch weit! Es kommt der König der Herrlichkeit!"

Eine Anregung

Am 1. August war die Reformierte Kirche in Brütten verschlossen.

Ich mag keine verschlossenen Kirchentüren. Das auch, wenn ich weiss, dass durch offene Kirchentüren auch Menschen mit unlauteren Absichten eintreten können. Aber die Institution, die im Namen des Menschen spricht, der grundsätzlich mit offenem Herzen allen anderen Menschen begegnet ist, in dieser Institution können doch deren Kirchengebäude auch nur offen und einladend sein.

Nun, wir leben in schwierigen Zeiten. Da sind und waren mitunter auch die Gotteshäuser, in denen ich wirke oder gewirkt habe, nicht 24 Stunden zugänglich.

Wenn schon Kirchentüren nicht immer offen stehen können, dann sollten es doch unsere Herzen im Blick auf unsere Nächsten und Fernsten sein. Ganz im Sinn des nun schon alten Leitspruchs der United Methodist Church: "Mit offenen Herzen, offenen Sinnen und offenen Türen".

Mögen die Türen, durch die du heute gehen möchtest, sich vor dir öffnen und hinter dir nicht mehr verschliessen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Samstag, 2. August 2025

Aufblühen

Ein Zitat

Ein Gemeiner Bläuling tarnt sich für die Nacht als Blüte im Hohen trockenen Gras.
Foto © Jörg Niederer
"Liebe zu empfangen bedeutet, sich selbst als Gegenstand der Besorgnis zu fühlen: Unsere Anwesenheit wird wahrgenommen, unser Name wird registriert, unsere Ansichten werden angehört, unsere Fehler werden mit Nachsicht behandelt und unsere Bedürfnisse werden bedient. Und unter solcher Fürsorge blühen wir auf." Alain de Botton (*1969) Schriftsteller

Ein Bibelvers - Psalm 32,11

"Freut euch über den Herrn und jubelt, ihr Gerechten! Seid alle fröhlich, die ihr aufrichtig seid!"

Eine Anregung

Zugegeben, dem Gemeinen Bläuling, einer Schmetterlingsart, gelingt es leichter, sich als Blüte auszugeben. Er setzt sich auf die Spitze eines Grashalms oder einer Dolde, und schon könnte man ihn mit seinen schönen Farben und Musterungen auf der Aussenseite seiner Flügel für ein mehr oder weniger unscheinbares Blümchen halten. Das harmlose Insekt tarnt sich für die Nacht.

Auch von uns Menschen sagt man, dass wir gelegentlich aufblühen. Jedenfalls wünsche ich es uns allen, dass wir aufblühen können, dass wir neue Freude am Leben erhalten, dass wir Lachen und Lieder singen und voller Lust am Leben abhängen können. Denn darum geht es doch: um die Freude, die wir uns und gegenseitig bereiten.

Am Morgen dann wird der kleine Schmetterling seine Flügel öffnen und einer Blume gleich blau erblühen. Dann schwingt er sich auf zu einem der wenigen neuen Tagen seines kurzen Lebens.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Freitag, 1. August 2025

Viel Himmel, viel Wolken über der Schweiz

Ein Zitat

Die Schweizerfahne weht beim Wasserreservoir der Ortschaft Oberwagenburg im Kanton Zürich.
Foto © Jörg Niederer
"Wir müssen dankbar sein für ein so schönes Land wie die Schweiz." Älterer Mann, der mutterseelenallein auf einer Leiter balancierende eine Schweizerfahne an einer Scheunenwand anbringt im kleinen Weiler Obermettmenstetten.

Ein Bibelvers - 3. Mose 20,24a

"Daher habe ich euch versprochen: Das Land soll euch gehören. Ich werde es euch geben, und ihr sollt es in Besitz nehmen. Es ist ein Land, in dem Milch und Honig fließen. Ich bin der Herr, euer Gott."

Eine Anregung

Heute feiert die Schweiz zum 134. Mal den Nationalfeiertag und erinnert damit an den Bundesbrief von 1291. Die aktuelle und offizielle Nationalhymne singen wir nun schon seit 64 Jahren. Zuvor war der Schweizerpsalm noch nicht eidgenössische anerkannt, und bis 1981 auch nur provisorisch eingeführt, weil die Vorgängerhymne sich der Melodie des englischen Königlieds "God save the King" bedient hatte, was natürlich auf Dauer nicht gehen konnte in der zweitältesten, durchgehenden Demokratie der Welt. (Die älteste ist die der USA. "Switzerland second" halt!)

An den Tagen um den Nationalfeiertrag brennen Höhenfeuer, finden politische Reden statt, werden Lampions durchs Land getragen, wird auf Bauernhöfen geschlemmt, da werden Tellspiele aufgeführt, es wird gejasst und seit 1994 wird nur ausnahmsweise erwerbstätig gearbeitet.

Eher chinesisch mutet die Feuerwerksknallerei an, die in letzter Zeit wieder etwas mehr in die Kritik gekommen ist. Besinnlich und feierlich ist der Nationalfeiertag in einigen dunklen Nachtstunden also nicht mehr. Nun, wir werden es wohl auch in diesem Jahr überstehen, diese Lust aufs Zeuseln. Und da Gewitter angesagt sind heute Abend, wird manchenorts der Himmel selbst ein Feuerwerk veranstalten.

Apropos Himmel. Das wünsche ich der Schweiz: Viel Himmel für alle, die in den engen Grenzen meines Heimatlands leben, ob sie nun Hiesige sind oder nicht.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen