Freitag, 20. Juni 2025

Vertrauensbeweis

Ein Zitat

Pfarrer Klaus Fietkau spielt an der Jährlichen Konferenz 2025 in Langenthal die Leadgitarre im Musikteam der Methodistenkirche Belp.
Foto © Jörg Niederer
"Lege deine Sorgen nieder, / leg sie ab in meiner Hand. / Du brauchst mir nichts zu erklären / denn ich hab dich längst erkannt." Sefora Nelson

Ein Bibelvers - Apostelgeschichte 15,37-39

"Barnabas wollte auch Johannes Markus dabeihaben. Aber Paulus lehnte es ab, ihn noch einmal mitzunehmen. Er hatte sie ja in Pamphylien im Stich gelassen und nicht weiter bei ihrer Arbeit unterstützt. Es kam zu einer heftigen Auseinandersetzung. Schließlich trennten sich Paulus und Barnabas. Barnabas nahm Markus mit und segelte nach Zypern."

Eine Anregung

Der Donnerstag an der Jährlichen Konferenz der Methodistenkirche in der Schweiz war so vielfältig, dass es gar nicht einfach ist eine Auswahl zu treffen für diesen Blog. Ich habe mich entschieden, eine Geschichte wiederzugeben die am Abend Pfarrer Klaus Fietkau erzählte. Der ausgezeichnete Gitarrist trat zusammen mit der Band der Evangelisch-methodistischen Kirche Belp im Gottesdienst auf und predigte dann auch noch.

An einer Stelle wurde er sehr persönlich. Er wäre wohl nie Pfarrer geworden, wenn es da im schwäbischen Dorf nicht eine Pfarrer gegeben hätte, der ihm mehr Vertrauen entgegenbrachte als etwa der Jugendleiter. Für letzteren war Klaus Fietkau zu wenig fromm, kam nicht aus einer christlichen Familie und liebte Rockmusik. Alles Gründe, ihn nicht für Andachten in der Jugendgruppe vorzusehen. 

Doch Klaus Fietkau hatte damals als einziger einen Zweitschlüssel zur - wie er sagte - "zweitschönsten Kirche" im Schwabenland. Der dortige Pfarrer hatte ihm diesen gegeben, damit er in der Kirche auf der Gitarre üben und mit der dortigen Verstärkeranlage Musik machen konnte. Dieses Vertrauen des Pfarrers sei der Schlüssel gewesen zu seinem heutigen Beruf und seiner Berufung.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Donnerstag, 19. Juni 2025

Himmlische Wurzeln

Ein Zitat

Stefan Pfister, Pfarrer in der Methodistenkirche Langenthal, predigt am Gebetsabend der Jährlichen Konferenz Schweiz-Frankreich-Nordafrika.
Foto © Jörg Niederer
"Atmen ist wichtig. Alles andere hat Zeit." Mika Gustavson

Ein Bibelvers - Epheser 3,17

"Denn Christus soll durch den Glauben in euren Herzen wohnen. Und ihr sollt in der Liebe verwurzelt und fest auf ihr gegründet bleiben."

Eine Anregung

Nach himmlischen Wurzeln fragte Pfarrer Stefan Pfister in der Eröffnungspredigt zur Jährlichen Konferenz Schweiz-Frankreich-Nordafrika der Evangelisch-methodistischen Kirche. Darin äusserte er auch, dass der Atem von himmlischer Herkunft sei. Anknüpfend an den zweiten Schöpfungsbericht (1. Mose 2,7), in dem Gott den Menschen aus dem Staub des Erdbodens formte und ihm dann Lebensatem einhauchte, meinte er: "Gott nimmt Staub, um den Menschen zu formen. Irdischer geht es gar nicht". Doch dann kommt dazu auch der Lebensatem aus Gottes Welt. Man könne den Menschen, so Stefan Pfister, als "hybrides Wesen" bezeichnen. Irdisch und himmlisch zugleich.

Stefan Pfister praktiziert, um sich dessen bewusst zu sein, immer wieder das Atemgebet. Darin kommen Gott und Mensch zusammen. Beim Einatmen bete er zum Beispiel: "Du Gott bist in mir...", und beim Ausatmen: "...und ich in dir". Beim Einatmen: "Du Gott hältst mich..." und beim Ausatmen: "und ich halte dich."

Mit dieser Anregung wünsche ich uns allen einen himmlisch verwurzelten, irdischen Tag.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Mittwoch, 18. Juni 2025

Verwurzelt

Ein Zitat

Jugendliche sammeln in Lagunillas, Chile, Abfall. Foto: Methodistenkirche Chile, zVg
Foto © Methodistenkirche Chile, zVg
"Wir könnten Erfahrungen und Initiativen teilen und uns gemeinsam dem Schutz der Schöpfung verpflichten." Bischof Jorge Merino von der Methodistenkirche Argentinien

Ein Bibelvers - Kolosser 2,7

"Bleibt in ihm [Jesus Christus] verwurzelt und gründet euch als Gemeinde ganz auf ihn. Werdet fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid. Und hört nicht auf, Gott zu danken."

Eine Anregung

Heute beginnt die evangelisch-methodistische Tagung der Jährlichen Konferenz (Synode) Schweiz-Frankreich-Nordafrika in Langenthal mit der Mitgliederversammlung von Connexio hope und Connexio develop. 

Es folgt am Donnerstag die Tagung Teil Schweiz, in der die Anliegen der Kirche innerhalb der Schweiz verhandelt werden. Noch am selben Abend treffen die Delegierten aus Frankreich, Belgien und Nordafrika ein, um den internationalen Teil der Konferenz zu beginnen. Zum Anlass, der von Bischof Stefan Zürcher geleitet wird und unter dem Gesamtthema "Verwurzelt, wie im Himmel so..." steht, sind rund 280 Delegierte und Gäste eingeladen. Fast alle Anlässe und Verhandlungen sind öffentlich.

Am Samstag ab 15.30 Uhr werden Glaubensimpulse gegeben. Referent ist der praktische Theologe Prof. Dr. Maximilian Bühler von der Theologischen Hochschule Reutlingen. Er spricht zum Thema: "Verwurzelt wie im Himmel so auch in der Gesellschaft"

Für Jugendliche gibt es am Konferenzsamstag ab 16.00 Uhr das Angebot der "EMK Young Night".

Der Sonntag findet in der Markthalle Langenthal statt und steht im Zeichen von Begegnungen beim Ordinationsgottesdienst sowie weiteren vielfältigen Möglichkeiten am Nachmittag.

Zurück zu Connexio und der heutigen Mitgliederversammlung: Während Connexio hope Partnerkirchen und Partnerorganisationen weltweit in ihren kirchlichen Aktivitäten unterstützt, ist Connexio develop ZEWO-zertifiziert und "leistet mit gemeinnützigen Projekten und Programmen weltweit einen Beitrag für eine friedvolle, gerechte und inklusive Gesellschaft und setzt sich für die Bewahrung der Schöpfung ein".

In diesem Jahr wird als Connexio-Gast Socheata Chap, Koordinatorin in Kambodscha mit dabei sein.

Nebst der Mitgliederversammlung am heutigen Mittwoch lohnt sich die Teilnahme am Begegnungsanlass von Connexio am Samstag, 16-19 Uhr in der Evangelisch-methodistischen Kirche Langenthal.

Der Jahresbericht 2024 von Connexio hope und develop, der heute vorgestellt und beraten wird, legt den Schwerpunkt auf die Themen Klima, Ökologie und Bewahrung der Schöpfung. Er enthält eine Vielzahl von Beispielen, wie in den verschiedenen Ländern die Menschen unterstützt werden bei den klimabedingten Veränderungen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Dienstag, 17. Juni 2025

Es lauert die Konferenzmüdigkeit

Ein Zitat

Ein Weibchen der Dreiecks-Krabbenspinne lauert am Stängel der Gewöhnlichen Nelkenwurz auf Beute.
Foto © Jörg Niederer
"Wo nichts Gutes ist, da lauert etwas Schlechtes. Leer ist kein Herz." Jeremias Gotthelf (1797-1854)

Ein Bibelvers - Jeremia 9,7

"Ihre Zungen sind tödliche Pfeile. Sie reden Trug. Mit seinem Mund redet einer freundlich zu seinem Nächsten, aber im Herzen lauert er ihm auf."

Eine Anregung

Die winzige Dreiecks-Krabbenspinne lauerte gut versteckt hinter dem Stängel auf ein unvorsichtiges Insekt, das sie erhaschen und vernaschen kann. Sie hat ausgezeichnete Augen. Das ist wichtig. Es passt auch zur ursprünglichsten Bedeutung des Wortes "Lauern". So meint das Wort "lūre" in den verschiedenen Schweizer Dialekten "scharf auf etwas sehen" oder auch "mit zusammengekniffenen Augen etwas anschauen". Zugleich kann das Wort auch einen langsamen, faulen Arbeiter beschreiben. So einer "laueret" herum und wird als "Laueri" bezeichnet.

Die kleine Spinne jedenfalls war hellwach, auch wenn es nicht so aussieht. Wenn immer ich mich mit der Kamera um den Stängel herum bewegte, um sie von Oben oder der Seite zu fotografieren, bewegte sie sich mit mir mit und blieb hinter dem Stängel versteckt. 

Oft ist jedoch nicht ganz klar, ob nun jemand in Lauerstellung hellwach ist, oder ob er oder sie einfach nur mit halbgeschlossenen Augen vor sich hin döst. Vielleicht ist es ja auch so, dass eine Observation so lange dauert, so langweilig ist, dass aus der Aufmerksamkeit Halbschlaf wird, dass das Lauern zum Herumgelauere wird. 

Das geschah mir auch schon als Delegierter an Konferenzen. Da wartet man darauf, dass nun doch einmal etwas Überraschendes geschieht. Nur passiert es halt nicht. Die Spannung weicht der Entspannung, die Augenlieder werden schwer, die Halsmuskeln erschlaffen, der Kopf kippt abrupt nach hinten oder nach vorn, mit dem Ergebnis, dass die Aufmerksamkeit augenblicklich wieder zurück ist. Das kann sich in der Folge mehrfach wiederholen, bis die Pause eingeläutet wird, und der erlösende Kaffee die Langeweile erträglicher macht.

Morgen beginnt in Langenthal die Jährliche Konferenz (Synode) der Evangelisch-methodistischen Kirche. Nur damit das klar ist: die ist natürlich so interessant, dass da niemand beim Lauern auf seinen oder ihren Einsatz von der Müdigkeit heimgesucht wird. Sollte dann doch jemand mit halbgeschlossenen Augen entdeckt werden, dann ist das lediglich ein Zeichen erhöhter Aufmerksamkeit. Denn herumgelauert wir an dieser Tagung ganz bestimmt nicht.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Montag, 16. Juni 2025

Thurbo-Katze

Ein Zitat

Eine schwarze Katze treibt sich auf dem Bahnhof Romanshorn herum.
Foto © Jörg Niederer
"Psychologisch betrachtet wirken Katzenfotos oft stressreduzierend und stimmungsaufhellend." Behauptung von der Künstlichen Intelligenz

Ein Bibelvers - Sprüche 3,7

"Halte dich nicht selbst für klug! Begegne dem Herrn mit Ehrfurcht und meide das Böse!"

Eine Anregung

Nein, die Thurbo-Katze ist nicht besonders schnell. Dann hätte ich von der "Turbo-Katze" gesprochen. Auch die Thurbo-Züge sind nicht sonderlich schnell. Überhaupt sind beide, die Katze und der Thurbo-Zug nicht in Bewegung. Vielmehr ist das, was ich da fotografiert habe, ein Stillleben. Der Katze gefällt es auf dem Prellbock. Wozu sich dann regen.

Hat diese Szene irgend einen tieferen Sinn, so dass es sich lohnt, darüber zu schreiben? Ich glaube nicht. Halt ein Katzenbild. 

Bekanntlich gibt es ja nichts Unnötigeres als ein Katzenfoto. Doch manchmal ist Unnötiges nötig, damit wir Menschen uns nicht in zu viel Nötigem unnötigerweise verlieren.

Ich wünsche uns heute einen guten Mix aus Sinnvollem und Sinnlosem. Die Katze kann sowohl für das eine stehen wie auch für das andere.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Sonntag, 15. Juni 2025

Fischen im Toten Meer

Ein Zitat

Skelett eines Plateosaurier aus Frick im Naturmuseum St. Gallen.
Foto © Jörg Niederer
"Wär' ich ein Wasser / beschützte ich die Insel deiner Einsamkeit / führte dein Boot aufs Meer der Hoffnung / krönte die Wellen deiner Gefühle / spülte als Sturmflut Erneu'rung an Land." Scheinheilig: 3. Strophe des Lieds "Wasser"

Ein Bibelvers - Ezechiel 47,8b+9

"Der Fluss mündet schließlich ins Tote Meer und macht das Wasser darin lebendig. Denn wenn der Fluss ins Meer fliesst, wird aus dem salzigen Meerwasser wieder Süsswasser. Es wird viele Fische geben. Überall, wo der Fluss fliesst, wird es von Lebewesen wimmeln. Ja, überall dort, wo der Fluss vorbeifliesst, wird es Leben geben."

Eine Anregung

Es ist der Prophet Ezechiel, der in einer Vision beobachtet, wie aus Kochen wieder lebende Tiere werden (Ezechiel 37,1-14). Es war wohl, wie wenn man einen Film rückwärts laufen gelassen hätte. 

Daran erinnerte ich mich, als ich nebst der Käferausstellung auch noch die Saurierknochen im Naturmuseum St. Gallen besuchte.

Aber heute werde ich in der Methodistenkirche in Diepoldsau an der Neudorfstrasse 7 nicht über dieses unglaubliche Geschehen predigen. Es ist ein anderer Text aus dem Buch Ezechiel, der im Zentrum steht. Darin geschieht etwas fast ebenso Wunderbares, wie bei der oben beschriebenen Totenerweckung. Das Tote Meer wird zu neuem Leben erweckt, so dass sein Fischreichtum legendäre Züge annimmt.

Was es damit auf sich hat, erfährt man im Gottesdienst. Wer bei dieser auch musikalischen anregenden Performance dabei sein möchte, ist um 10 Uhr herzlich eingeladen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Samstag, 14. Juni 2025

Sprayereien in der Kleinstadt

Ein Zitat

Zeitlich begrenzt entstehen aus Anlass des Internationalen Street Art Festivals im Lindenpark Frauenfeld faszinierende Kunstwerke.
Foto © Jörg Niederer
"Herz auf / Liebe rein, / Herz zu / glücklich sein." Spruch, irgendwo an die Wand gesprayt

Ein Bibelvers - 1. Mose 5,3

"Adam war 130 Jahre alt, da wurde er wieder Vater. Sein Sohn war ihm so ähnlich wie sein Ebenbild. Er gab ihm den Namen Set."

Eine Anregung

Weder Lust auf Frauendemo noch Geburtstagsfeier für einen amerikanischen Präsidenten? Dann gäbe es in Frauenfeld eine echte Alternative.

Seit gestern und noch bis zum Sonntag findet das Internationale Street Art Festival statt, mit viel Kunst und voller Überraschungen. Mehr als 70 Künstler:innen erstellen 16 neue Murals; dazu gibt es eine grosse Zahl von Installationen, Angeboten, temporären Kunstwerken und Vorführungen. Bis zum 30. September 2025 bleiben alle erstellten Kunstwerke zur freien Besichtigung stehen. Sämtliche Murals und einigen Installationen bleiben dauerhaft erhalten im Stadtbild, und ergänzen diejenigen Kunstwerke des ersten Street Art Festivals von 2023.

Ich werde mich bestimmt wieder auf die Suche manchen nach Anzeichen von Religiosität in diesen künstlerischen Welten. Wie etwa beim der Dreiegg-Bar, die 2023 wie ein Kirchenfenster bemalt wurde (Siehe Beitrag vom 2. Juni 2024).

Besonders originell ist, dass einer der Künstler aktuell ein hölzernes Kompostier-WC in ein Kunstwerk verwandelt. Noch war es nicht fertig. Ich bin gespannt, wie es am Ende aussieht, und ob man es dann noch als das, was es ist, erkennen kann.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Freitag, 13. Juni 2025

Man lernt nie aus

Ein Zitat

Raupen des Tagpfauenauges leben gemeinschaftlich an nährstoffärmeren Pflanzen der Grossen Brennnessel.
Foto © Jörg Niederer
"Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wie viel er in sieben Jahren dazugelernt hatte." Mark Twain (1835-1910)

Ein Bibelvers - Psalm 71,17

"Gott, du hast mich von Jugend an unterwiesen. Bis heute mache ich deine Wunder bekannt."

Eine Anregung

Jüngst erzählte ich in einer Gruppe von Pfarrpersonen vom ersten Türkenbund (siehe Beitrag vom 10. Juni 2025!), den ich in diesem Jahre gesehen habe, und war erstaunt, dass die Leute diese ikonische Lilie nicht kannten. Andererseits würden sich einige Kollegen wundern, wie wenig Ahnung ich von Autos habe. Wir alle haben Wissenslücken.

Nun bin ich kürzlich wieder einmal auf die Raupen des Tagpfauenauges (Siehe Beitrag vom 6. August 2024!) gestossen. Meine Frau entdeckte sie an einem Brennnesselzweig. Gleich im Dutzend taten sie sich an den Blätter und Blüten gütlich. In dieser Phase ihrer Entwicklung leben sie gemeinschaftlich. Ihr "Haus" ist ein Gespinst, das sie vor Parasiten und Schlupfwespen schützt.

Diese Schmetterlingsart kenne ich so gut, weil wir sie während der Primarschulzeit als Klasse beobachten und beschreiben mussten, angefangen bei den Raupen, über die Puppen bis zum ausgeschlüpften fertigen Schmetterling. 

Das war vor 55 Jahren, und hat mich, nebst anderem, geprägt. Dort in der Jugend wurden Weichen gestellt. Dort entwickelte sich mein Interesse in ganz bestimmte Richtungen. Ich vermute, das ist nicht nur in meinem Fall so. Viele könnten wohl von prägenden Ereignissen aus ihrer Schulzeit erzählen. Oder auch von verpassten Möglichkeiten. 

Es ist aber nie zu spät, Wissenslücken zu schliessen. Wie heisst es doch: Man lernt nie aus.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Donnerstag, 12. Juni 2025

Wink mit dem Wanderpfahl

Ein Zitat

Jemand hat den Wanderwegweiser inklusiver gestaltet und aus einem stilisierten Wandersmann eine Wandersfrau gemacht.
Foto © Jörg Niederer
"Kronen stellen seltsame Dinge mit den Köpfen darunter an." George R. R. Martin (*1948) in "Das Lied von Eis und Feuer"

Ein Bibelvers - 1. Mose 2,22+23

"Aus der Rippe, die er vom Menschen genommen hatte, bildete Gott der Herr eine Frau. Die brachte er zum Menschen. Da sagte der Mensch: 'Sie ist es! Sie ist von meinem Fleisch und Blut. `Frau` soll sie heißen und ich `Mann`. Von mir ist sie genommen, wir gehören zusammen.'"

Eine Anregung

Oft habe ich sie noch nicht gesehen; die Wanderwegweiser mit einer stilisierten Frau, statt eines stilisierten Mannes auf der Tafel. Auch auf der Webseite der Schweizer Wanderwege findet sich zu diesem neuen Design nichts.

Kein Wunder. Erst zuhause entdecke ich, dass die lustige Frauenfrisur nachträglich täuschend echt aufgemalt wurde. Eigentlich schade, dass es diese inklusivere Version nicht auch offiziell gibt.

Jedoch stellen sich einige Fragen. Warum gibt es nur männliche Wanderer auf den Schweizer Wanderwegweiser? Gibt es im Ausland Beispiele für Frauenfiguren auf Wegweisern? Erfüllt die Abänderung des Wanderwegweisers den Straftatbestand des Vandalismus? Was macht es mit Wanderinnen, wenn sie stehts diesen Männchen auf den Wegweisern nachlaufen?

In der Zeitschrift Bergwelt konnte man im vergangenen Jahr lesen, dass in der Schweiz mehr Frauen als Männer wandern. Auf der Signalisation wird das aber bis heute nicht berücksichtigt.

Wenn das in unserer stärker inklusiven Welt immer noch der Fall ist, wie war das wohl zur Zeit der biblischen Schriften? Gäbe es etwa mehr biblische Frauengestalten und wären mehr von ihnen in der Bibel zu finden, wenn schon damals die Gleichberechtigung stärker im Fokus gestanden hätte?

Geht man nach den biblischen Schöpfungsberichten, kann es nicht an Gott liegen. Er/Sie hat schon von Beginn der Menschheit an den Menschen als Frau und Mann geschaffen. Selbst im zweiten Schöpfungsbericht ist das so. Erst formte Gott den Menschen. Indem er dann aus einem Teil dieses anfänglich geschlechtslosen Wesens die Frau formte, entstand aus dem anderen Teil der Mann. Man könnte also sagen: Erst als Gott den Menschen auseinander nahm, entstanden die Geschlechter. Oder anders gesagt: Erst aus Mangel an "Frau" wurde "Mann".

Mittwoch, 11. Juni 2025

Selbstreferenziell

Ein Zitat

Geschaffen mit einer Kettensäge wurde diese Kettensäge aus dem Holzstamm gearbeitet.
Foto © Jörg Niederer
"Wenn ich mein Gehirn verwende, um darüber zu sinnieren, wie ein Gehirn denkt, ist das selbstreferenziell." Erik Niedling (*1973)

Ein Bibelvers - Johannes 14,9+10

"Jesus antwortete ihm: 'Jetzt bin ich schon so lange bei euch, und du kennst mich immer noch nicht, Philippus? Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen! Wie kannst du da verlangen: Zeig uns den Vater? Glaubst du nicht, dass ich mit dem Vater verbunden bin und der Vater mit mir?'"

Eine Anregung

Meist wird in der Kunst mittels einer Kettensäge ein Adler oder ein Pilz oder ein Eichhörnchen aus einem groben Baumstrunk herausgearbeitet. Wenn aber mit der Kettensäge ein hölzernes Abbild einer Kettensäge geschaffen wird, dann spricht man wohl von selbstreferenzieller Kunst. Das Produkt beschreibt das Werkzeug und die Produktion.

Vielleicht kann man im christlichen Glauben auch solche selbstreferenziellen Aussagen finden. Gott etwas schuf sich nach dem Schöpfungsbericht den Menschen als sein Abbild. Folglich verweist Gott durch die Gottebenbildlichkeit jedes Menschen auf sich selbst. 

Diese auf Gott bezogene Selbstreferenzialität bleibt selbst dann erhalten, wenn Menschen gewalttätig werden und sich asozial verhalten. Denn so wie die Holzkettensäge natürlich in keiner Weise die Funktion und Technik einer richtigen Kettensäge hat, ist uns bei ihrem Anblick dennoch sofort klar, wie das Original aussieht und funktioniert. So ist und bleibt auch durch sterbliche, unvollkommene Menschen ein Verweis gegeben auf den ewigen Gott.

Die christliche Theologie sieht diese Selbstreferenzialität Gottes in Jesus Christus am Vollkommensten erfüllt. wer Jesus Christus sieht, sieht Gott; den fürsorglichen, vergebenden, leidenden, sterbenden, auferstehenden, gerecht richtenden und annehmenden Gott.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Dienstag, 10. Juni 2025

Fake-News-Lilie

Ein Zitat

Türkenbund im Wald bei Turbenthal.
Foto © Jörg Niederer
"Der Fuchs, der nicht an die Trauben herankommt, behauptet, sie wären sauer." Türkisches Sprichwort

Ein Bibelvers - 1. Korinther 13,2

"Oder stellt euch vor: Ich kann reden wie ein Prophet, kenne alle Geheimnisse und habe jede Erkenntnis. Oder sogar: Ich besitze den stärksten Glauben – sodass ich Berge versetzen kann. Wenn ich keine Liebe habe, bin ich nichts."

Eine Anregung

Nun ist die Zeit, in der der Türkenbund blüht. Gestern sah ich diese Lilienart erstmals in diesem Jahr in freier Natur. Die Blüte hat die Form eines Turbans. Von daher kommt wohl der bekannteste Namen. Früher wurde die Pflanze auch oft nach der zwiebelartigen, goldfarbigen Wurzel benannt. Damals hiess sie etwa Goldbölla, Goldapfel, Goldruabn, Goldwurzl, oder Poms d'or. An dieser Zwiebelwurzel wachsen einige Zugwurzeln, welche die Zwiebel bei ungünstiger Witterung in tiefer Erdschichten ziehen können.

Doch zurück zur Bezeichnung. Die wunderschöne Pflanze weckte einst grosse Erwartungen. Wie das im Mittelalter üblich war, glaubte man, dass die Farbe der Wurzel (siehe hier!) etwas von ihrer Eigenschaft preisgibt. Gleiches mit Gleichem bekämpfen oder erzeugen, das war die Devise. So versuchten Alchemisten mit ihrer Hilfe gewöhnliche Metalle in Gold zu verwandeln. In der Medizin nannte man die Hämorrhoiden auch "goldene Ader". So dachte man sich, dass wohl die goldene Wurzel des Türkenbunds gegen die unnatürliche Vergrösserung der Hämorrhoiden hilft. Bauern versuchten durch Zugaben von Türkenbundwurzeln im Viehfutter der Butter eine entsprechende Farbe zu verleihen.

Vermutlich hat alles (bis aufs Goldmachen) sogar etwas geholfen. Allein der Glaube vermag ja Heilungsprozesse und Wahrnehmungsveränderungen auszulösen.

Der Türkenbund erzählt also auch eine Geschichte über Glauben und Aberglauben, oder wie Letzteres heute heisst: über Fake News. So gesehen könnte man die Blume auch als Fake-News-Lilie bezeichnen. Das würde auch den mehr oder weniger unangemessenen Bezug auf stereotype Vorstellungen von als islamisch geltenden Kleidungsstücken umgehen. "Fake-News-Lilie" wäre woke und neutral. Wenigstens für den Moment.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Montag, 9. Juni 2025

Tschir, tiri, djäg und tschret

Ein Zitat

Teichrohrsänger im Schilf am Flachsee. Aus der Beobachtungshütte heraus fotografiert.
Foto © Jörg Niederer
"Je größer das Gewahrsein der bewussten Schichten ist, desto mehr kommen die verborgenen Schichten an die Oberfläche." Krishnamurti (1895-1986)

Ein Bibelvers - Matthäus 6,6

"Wenn du betest, geh in dein Zimmer und schließ die Tür. Bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist. Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird dich dafür belohnen."

Eine Anregung

Ununterbrochen anhaltendes, sich wiederholendes Tschir, Tiri, Djäg und Tschret tönt aus dem Schilf. Zu sehen ist die Quelle dieses Gesangs meist gar nicht. Da stehe ich wohl gerade einmal zwei Meter neben dem Verursacher, und kann beim besten Willen nicht erkennen, wo sich der Teichrohrsänger sein Nest gebaut hat. Das wiederholt sich entlang des Schilfgürtels vielleicht alle zehn Meter.

Der kleine Vogel brütet jedes Jahr bei uns in den Schilfbeständen. Oft zieht er dabei nicht seine eigenen Jungen gross, sondern einen Kuckuck, der bald einmal viermal so gross ist wie seine Stiefeltern. Um diese zu täuschen, kann der junge Kuckuck rufen wie ein ganzes Nest voll junger Teichrohrsänger.

So schön frei wie auf dem Foto sieht man den sperlingsgrossen Vogel mit dem unscheinbaren Gefieder selten. Umso schöner, wenn eine solche Sichtung gelingt.

Ich war mir einer Sache schon deutlich bewusst, sie machte sich mir klar bemerkbar wie der laute Gesang des Teichrohrsängers. Aber genau sagen, was es ist und welche Bedeutung es für mich hat, konnte ich noch lange nicht. Da war eine Ahnung, aber kein Verstehen. Da war der Ton, aber es fehlte die Quelle. 

Gotteserkenntnis kann genau so sein. Laut vernehmlich und offensichtlich bleibt sie mir erklärungsbedürftig und verborgen.

Sonntag, 8. Juni 2025

Die Taube und der Heilige Geist

Ein Zitat

Heinrich Stäubli schuf das Priesterweihe-Fenster in der Katholische Kirche Bruder Klaus in Winkeln, St. Gallen
Foto © Jörg Niederer
"Atme in mir, Heiliger Geist, dass ich Heiliges denke! / Treibe mich, Heiliger Geist, dass ich Heiliges tue! / Locke mich, Heiliger Geist, dass ich Heiliges liebe! / Stärke mich, Heiliger Geist, dass ich Heiliges hüte. / Hüte mich, Heiliger Geist, dass ich das Heilige nie mehr verliere!" Augustinus (354-430)

Ein Bibelvers - Matthäus 3,16

"Als Jesus getauft war, stieg er sofort aus dem Wasser. In diesem Moment öffnete sich der Himmel über ihm. Er sah den Geist Gottes, der wie eine Taube auf ihn herabkam."

Eine Anregung

Wie nur ist die Taube auf den Heiligen Geist gekommen? Das ist eine gute Frage. Grundlegend war sicherlich die Aussage aus dem Taufbericht des Matthäus, in dem die Taube als Bild für den Heiligen Geist diente. Dieser Vergleich war durchaus naheliegend. An den vielen Stellen, in denen die Taube innerhalb und ausserhalb der Bibel beschrieben wird, steht sie für Kommunikation, bzw. für das Überbringen einer Botschaft. Man denke nur an die Brieftaube.

Da wäre erstens die Taube als Friedensbotin, etwa bei Noah. Dort bringt die Taube beim zweiten Ausflug einen Ölzweig auf die Arche zurück. Die Sintflut weicht, Gott bietet dem Menschen Frieden an. 

Dann ist sie das, was zwischen Liebenden geschieht. im Hohelied werden die Augen der oder des Geliebten mit Tauben verglichen die hin- und herfliegen. Das eröffnet einen Blick auf die Heilige Geistkraft als Botschafterin zwischen dem Gott der Liebe und den geliebten Menschen.

Um Austausch ging es auch beim Pfingstwunder in Jerusalem. Dort gelang Verständigung über alle Sprachen hinweg durch die Wirkung des Heiligen Geistes.

Ab dem 5. und 6. Jahrhundert taucht dann die Taube auf Kunstwerken auf als Bild für den Heiligen Geist. Die mit der Taube verbundene Aufgabe und Botschaft, die Kommunikation des Friedens und der Liebe, geht damit auf das Wirken und Erscheinen der Heiligen Geistkraft über. Gott wird verstehbar, als das, was er oder sie ist: Liebe und Frieden über, zwischen und bei den Menschen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Samstag, 7. Juni 2025

Was nachts so faltert

Ein Zitat

Ein Prachtgrüner Bindenspanner ruht sich bei einer Lichtquelle aus.
Foto © Jörg Niederer
"Eine Fliege summt auch dem König um die Nase." Sprichwort

Ein Bibelvers - Jesaja 40,22

"Gott thront so hoch über dem Erdkreis, dass die Menschen darauf wie Heuschrecken erscheinen. Er spannt den Himmel aus wie ein Tuch. Er breitet ihn aus wie ein Zelt, in dem man wohnen kann."

Eine Anregung

3500 nachtaktive Schmetterlinge gibt es in der Schweiz, und er kennt sie alle. Andreas Kopp ist der Insektenspezialist des Naturmuseums St. Gallen. Gestern nahm ich nach der Arbeit an einer Führung mit ihm in der Nähe von Frauenfeld teil. Mittels künstlichen Lichtquellen wurden allerlei Fluginsekten angezogen, viele Wanzen, Zikaden, Libellen, Schmetterlinge und einzelne Totenkäfer. Letztere waren befallen von vielen saugenden Milben. Grossschmetterlinge blieben in dieser Gewitternacht rar. Vielleicht 50-60 Arten bestimmte der Experte. Die Tiere wurden auf zylindrisch um eine spezielle Lichtquelle aufgebauten, leichten und transparenten Tüchern beobachten. Nachts angelockt vom speziellen bläulichen oder ultravioletten Licht sammelte sich die fliegende Schar und konnte zur genaueren Beobachtung vorübergehend in Röhrchen gefangen werden. So sah ich wieder einmal eine Gemeine Blutzikade (Siehe Beitrag vom 22. Mai 2023). Auch der hier abgebildete Prachtgrüner Bindenspanner fand sich ein.

Andreas Kopp hat übrigens viel zur aktuellen Ausstellung "Krabbler – unheimlich faszinierend" beigetragen, die aktuell bis zum 22. Februar 2026 im Naturmuseum St. Gallen zu bewundern ist. Da gehe ich dann auch noch hin, aber auch die neue Ausstellung "Unverblümt – Was Krabbler mit Pflanzen treiben" im Botanischen Garten St. Gallen passt gut zum heutigen Thema.

Und wie wäre es mit einem kurzen Flug aus der Sicht eines Insekts?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Freitag, 6. Juni 2025

Kuh am Waldrand

Ein Zitat

Kuh auf einer Waldlichtung bei Aadorf.
Foto © Jörg Niederer
"Doch d Wält isch so perfid, das si sech sälte oder nie, nach Bilder wo mir vore gmacht hei richtet..." Mani Matter, "Chue am Waldrand" (Doch die Welt ist so perfide, dass sie sich selten oder nie nach Bildern richtet, die wir uns von ihr machen...)

Ein Bibelvers - Lukas 2,28+29

"Simeon nahm das Kind auf den Arm. Er lobte Gott und sagte: 'Herr, jetzt kann dein Diener in Frieden sterben, wie du es versprochen hast.'"

Eine Anregung

Kühe, so stoisch ruhig sie auch erscheinen mögen, lassen sich nicht gern fotografieren. Immer wieder auf meinen Wanderungen geschieht es, dass sie mich neugierig anschauen und näher kommen. Doch wenn ich dann ihre wunderschönen Augen und den Charakterkopf fotografieren möchte, wenden sie sich ab oder senken das Haupt und beginnen zu fressen.

Da gibt es das Lied von Mani Matter, das Ähnliches besingt. "Chue am Waldrand" erzählt die Geschichte eines Landschaftsmalers, der eine Kuh am Waldrand auf die Leinwand bannen möchte. Dabei malt er erst den Wald, dann die Wiese und kommt schlussendlich zur Kuh, welche aber in der Zwischenzeit aus dem Bereich des Bilds getrottet ist. So bleibt an deren Stelle auf der Leinwand ein weisser Fleck zurück, der sich auch nicht füllen lässt zu einer anderen Zeit. Denn keine Situation wiederholt sich so, wie sie schon einmal gewesen ist. 

In unserem Leben gib es beständige Dinge, die sich nicht so schnell oder gar nie ändern. Aber dann gibt es auch die Dinge, die flüchtig sind, vergänglich. Es sind nicht die wichtigen Dinge, auch nicht die Dringenden, sondern die Vergänglichen, denen wir unsere erste Aufmerksamkeit widmen sollten. Es sind die unwiederbringlichen Augenblicke, die so kostbar sind, weil sie einmalig bleiben. Bei mir waren es etwa die Momente, als ich zum ersten mal meiner späteren Frau begegnete, zum ersten Mal meine Kinder auf den Armen hielt, das erste Mal auf einer Kanzel stand und predigte. Auf meinem Bild dürfen diese Dinge nicht fehlen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Donnerstag, 5. Juni 2025

Machtmissbrauch im religiösen Kontext

Ein Zitat

Stefan Loppacher referiert über Machtmissbrauch im religiösen Kontext und kommt dabei auch auf die Methodistenkirche zu sprechen.
Foto © Jörg Niederer
"Jede Organisation sucht den eigenen Lernweg rund um Macht. Dazu gehört eine konstruktive Team- und Fehlerkultur." Webseite MachtRaum

Ein Bibelvers - 1. Petrus 5,1c-3

"Nun ermahne ich die Gemeindeältesten unter euch: Leitet die euch anvertraute Gemeinde Gottes wie ein Hirte seine Herde! Achtet auf sie. Tut dies nicht aus Zwang, sondern freiwillig. Denn so gefällt es Gott. Handelt dabei nicht aus hässlicher Gewinnsucht, sondern tut das bereitwillig. Spielt euch in eurer Gemeinde nicht als Herrscher auf, sondern seid Vorbilder für die Herde."

Eine Anregung

Der Kanton St. Gallen hatte geladen, und etwa 30 Vertreterinnen und Vertreter der religiösen Gemeinschaften waren am gestrigen Mittwoch in den Raum für Literatur St. Gallen gekommen. Thema war der "Machtmissbrauch im religiösen Kontext".

Begrüsst wurden die Anwesenden von der Regierungsrätin Laura Bucher. Dann ging es los mit Beiträgen von Vreni Peterer, einer Betroffenen, von Karin Iten von Swiss Sport Integrity, sowie Chompel Balok, Generalsekretär-Stellvertreter im Departement des Innern. Den grössten Teil der Redezeit aber wurde von Dr. jur. can. Stefan Loppacher bestritten, dem Co-Leiter Fachstelle MachtMissbrauch.

Nun ist die Thematik in methodistischen Kreisen nicht neu, und angesichts meiner baldigen beruflichen Veränderung habe ich mich gefragt, ob es denn Sinn macht, wenn ich da noch hingehe. Im Rückblick kann ich sagen, es hat sich gelohnt.

Besonders habe ich mich gefreut, dass von den einzigen zwei konkreten und positiven Beispielen aus der Kirchenlandschaft Stefan Loppacher auch die Evangelisch-methodistische Kirche hervorhob (nebst dem Bistum Osnabrück). Da war ich doch fast ein bisschen Stolz auf die eigene Kirche und ihre gute Arbeit, die sie bei der Prävention in den vier Bereichen Mobbing, Sexueller Missbrauch, Geistlicher (spiritueller) Missbrauch und Materieller Missbrauch unternimmt.

Der Kanton St. Gallen selbst hat ein Tool entwickelt, das, so Chompel Balok, "Kompass Machtmissbrauch" genannt wird. Mehr darüber kann man aus einem im Web veröffentlichten Text entnehmen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Mittwoch, 4. Juni 2025

Quickfidel im jüngsten Gericht

Ein Zitat

Ausschnitt aus dem Jüngsten Gericht am Hauptportal des Berner Münsters.
Foto © Jörg Niederer
"Du kannst nicht wehren, dass die Vögel hin und her in der Luft fliegen; aber dass sie dir in den Haaren nisten, das kannst du ihnen wohl wehren. Ebenso wird keiner sein, dem nicht böse Gedanken einfallen; aber man soll sie wieder ausfallen lassen, damit sie nicht tief in uns einwurzeln." Martin Luther (1483-1546)

Ein Bibelvers - Matthäus 10,29

"Kann man nicht zwei Spatzen für eine Kupfermünze kaufen? Und doch fällt keiner von ihnen auf die Erde, ohne dass euer Vater es zulässt."

Eine Anregung

Zwei Bilder sind es diesmal, die es braucht, damit man diesen Beitrag ganz verstehen kann. Wieder einmal war ich vor und im Berner Münster. Über dem Hauptportal befindet sich das Tympanon. Es zeigt das Jüngste Gericht in drastischer Darstellungsweise. Mittendrin finden wir den Erzengel Michael mit der Seelenwaage und dem Schwert der Gerechtigkeit. Die spätgotische Darstellung will die Kirchgänger auf den Ernst der Lage hinweisen, und dass es bei der Religion immer um Alles oder Nichts geht. Besonders die Seite der Verdammten ist in üblichem Stil drastisch ausgeformt und ausgemalt. Auch fehlt es dort an "Himmelsgold", das reichlich vorhanden ist auf der rechten Seite der Seligen.

Früher hat das Werk die Gläubigen wohl erschaudern lassen. Heute ist es ein gern fotografierter Selfie-Hintergrund.

Ein Haussperling singt auf dem Schwert des Gerechtigkeits-Engels. Jüngstes Gericht am Berner Münster.
Foto © Jörg Niederer
Schon beim Betreten des Münsters sind mit einzelne Haussperlinge aufgefallen, die sich – ich weiss nicht ob auf der Seite der Verdammten oder der Seite der Gesegneten – nistend niedergelassen haben. Später dann hat sich ein Spatz frech auf das Schwert des Erzengels gesetzt um dort seinerseits den Touristen den Marsch zu blasen.

Faszinierend, wie wohl und zuhause sich die Spatzen im Endgericht fühlen. Mir scheint, es macht ihnen nichts aus, auf welcher Seite der Tragödie sie ihre Jungen grossziehen. Wo immer sie sind und auf welchen Köpfen sie gerade nisten, sie sind in Gottes Hand geborgen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Dienstag, 3. Juni 2025

Reden miteinander

Ein Zitat

Vier Frauen auf der Münsterplattform in Bern. Zwei davon gehören zu einer christlichen Schwesternschaft.
Foto © Jörg Niederer
"Reden ist Silber, Schweigen ist Gold." Sprichwort

Ein Bibelvers - 1. Mose 1,27

"Gott schuf den Menschen nach seinem Bild. Als Gottes Ebenbild schuf er ihn, als Mann und Frau schuf er sie."

Eine Anregung

Wir sind verschieden nach Herkunft, Erziehung, Erscheinung, Erwartung und Lebensweise. Wir haben verschiedene Erwartungen, stehen in unterschiedlichen Beziehungen verdienen den Lebensunterhalt auf je eigene Weise. Das zeigt sich auch in unserer Ausdrucksweise. Da befinden sich diese vier Frauen zur gleichen Zeit auf der Münsterplattform in Bern. Jede von ihnen ist auf einer Lebensreise. Jede auf ihre Weise. Selbst bei den beiden Schwestern ist eine gewisse Individualität erkennbar. Mit oder ohne Rucksack sind sie von einem anderen Ort nach Bern gekommen. Touristinnen, Besucherinnen der ökumenischen Vesper im Berner Münster. Noch schnell einen Blick auf die Aare werfen, auf das Mattenquartier, wo sich einst die Leute in einer eigenen Geheimsprache unterhielten, dem Mattenenglisch. Gut möglich, dass die beiden Schwestern französisch sprechen, die beiden anderen Frauen dagegen Berndeutsch.

Diese Verschiedenheit, sie macht uns Menschen aus.

Worüber würden sich die vier Frauen wohl unterhalten? Würden sie Gemeinsamkeiten über alle Verschiedenheit hinaus entdecken, etwa in Glaubensfragen? Würden sie überhaupt darüber sprechen, oder doch lieber nur über das Wetter?

Da denke ich an meine letzte Fahrt im Sammeltaxi zurück, das den Busbetrieb in der späteren Nacht ersetzt, und alle für wenig Geld bis vor die Haustüren fährt. Mit im Wagen sassen der Taxifahrer, eine junge, müde Frau, und ein etwas angeheiterter, gesprächig eingestellter Mann aus Eritrea. Letzterer versuchte, mit der jungen Frau ins Gespräch zu kommen, was eher nicht gelang. Seine Aussagen aber liessen uns ab und zu schmunzeln. Etwa, als er meinte, Reden sei doch das Beste, was es gäbe, Reden sei super. Ich erinnerte darauf an das Sprichwort "Reden ist Silber, Schweigen ist Gold". Das quittierte er mit einem weiteren Redeschwall. Heute nun denke ich mir: Vielleicht hat er und nicht das Sprichwort recht. Reden miteinander ist das Beste.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Montag, 2. Juni 2025

1700 Jahre Bekenntnis von Nizäa

Ein Zitat

Nationalratspräsidentin Maja Riniker spricht anlässlich der Vesper zu 1700 Jahre Bekenntnis von Nizäa zur Festgemeinde im Berner Münster, während ein Band der Versöhnung in Korbtaschen auf den Altartisch gestellt wird.
Foto © Jörg Niederer

"Wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird, der gesprochen hat durch die Propheten, und die eine heilige, katholische und apostolische Kirche."
Aus dem Glaubensbekenntnis von Nizäa

Ein Bibelvers - Epheser 4,5-6

"Es gibt nur den einen Herrn, den einen Glauben und die eine Taufe. Und ebenso gibt es nur den einen Gott, den Vater von uns allen. Er regiert über alle, wirkt durch alle und erfüllt alle."

Eine Anregung

Es war alles dabei, was man von einer ökumenischen Vesper anlässlich von 1700 Jahren Bekenntnis von Nizäa erwarten konnte, gestern Sonntag um 17.00 Uhr in Bern. Das wunderschöne Ambiente des Berner Münsters; vier hervorragende Chöre; Repräsentanten der unterschiedlichen Kirchen; viele Gäste; sinnige Grussworte; die Predigt von Pfarrer Jerry Pillay, Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen; Gebete; Fürbitten; natürlich das von allen gesprochene Glaubensbekenntnis von Nizäa; eine Zeichenhandlung: ein gelbes Band wurde durch die Reihen geführt, das Band des Friedens, und schlussendlich wieder aufgesammelt und auf dem Altartisch platziert, genau in der Zeit, in der die Nationalratspräsidentin Maja Riniker vom Bergsturz in Blatten sprach, und an die Interreligiöse Ökumene erinnerte, und was die Kirchen so alles gut machen in der Gesellschaft. Ganz gefehlt hatte natürlich auch das Sündenbekenntnis nicht, angesichts der beschworenen Einheit, die durch das Nizäanische Glaubensbekenntnis einst gegeben war, und heute eben nicht mehr ist; gerade auch durch die Schuld der einzelnen Kirchen.

Danach gab es einen Apéro in der Christkatholischen Kirche, mit der Möglichkeit zu Begegnungen, Gesprächen und Selfies mit Freund:innen.

Es war eben alles dabei, was man von einer ökumenischen Vesper erwarten konnte. Und das meine ich nur positiv.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Sonntag, 1. Juni 2025

Wasser predigen

Ein Zitat

Der Abschnitt der Simmenfälle bei der Barbarabrücke in der Lenk.
Foto © Jörg Niederer
"Wär' ich ein Wasser / tränte ich alle Traurigkeit aus deinen Augen / spiegelte alle Sonne in dein Herz / löschte das Feuer deiner Sehnsucht / füllte den Brunnen deines Glücks" Scheinheilig: 4. Strophe des Lieds "Wasser"

Ein Bibelvers - Ezechiel 47,9b

"Überall, wo der Fluss fliesst, wird es von Lebewesen wimmeln. Ja, überall dort, wo der Fluss vorbeifliesst, wird es Leben geben."

Eine Anregung

Reden wir über das Wasser. Hören wir thematische Musik zum Wasser. Und erfahren wir dabei, warum in der Bibel immer wieder Wasser an prominenter Stelle vorkommt.

Wer sich auf den Gottesdienst in der Methodistenkirche St. Gallen vom heute Sonntag vorbereiten möchte, kann das mit den folgenden Musikstücken tun:

Die Predigt dazu kann im Verlauf des Morgens als Text mit Anhängen heruntergeladen werden.

Am meisten hat man von diesem Gottesdienst natürlich, wenn mal live dabei ist. 10.15 Uhr in der Methodistenkirche St. Gallen an der Kapellenstrasse 6. Herzlichen Willkommen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Samstag, 31. Mai 2025

Streit

Ein Zitat

Eine Mittelmeermöwe vertreibt einen Mäusebussard aus dem Umfeld ihres Nests.
Foto © Jörg Niederer
"Wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte." Sprichwort

Ein Bibelvers - Sprüche 26,21

"Kohlen schüren die Glut, Holz entfacht das Feuer und Streitsucht heizt den Streit an."

Eine Anregung

Meist sind es ja Rabenkrähen, die hinter den Greifvögeln herhassen, wenn diese in ihr Revier eindringen. Am Flachsee beobachtete ich diese Verfolgungsjagd zwischen einer Mittelmeermöwe und einem Mäusebussard. Streit hat immer eine Ursache. In diesem Fall verteidigte die Mittelmeermöwe wohl ihr Nest. Dabei ist die Mittelmeermöwe selbst eine Räuberin, und greift sich schon mal die frisch geschlüpften Jungen aus den Nestern anderer Vögel.

Entweder hatte der Mäusebussard bei früheren Luftkämpfen schon die eine oder andere Feder verloren, oder er befand sich in der Mauser, erneuerte also schrittweise sein Gefieder. Seine Flugfähigkeit ist damit nicht eingeschränkt.

Für mich sind diese Luftkämpfe spannende und unterhaltsame Momente. Für die Vögel ist das aber Arbeit und bitterer Ernst.

Ich bleibe gerne in der Beobachterrolle und überlasse den Streit den andern. Streit belastet mich. Wenn ich ihn vermeiden kann, tue ich es. Wenn es aber unumgänglich ist, dann bin ich auch bereit dazu. Was unumgänglich ist, ist von Person zu Person verschieden. Die einen haben eine kurze Zündschnur, andere bringt man kaum aus der Ruhe. Ich befinde mich so irgendwo zwischen diesen Extremen. Wo ordnest du dich ein?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Freitag, 30. Mai 2025

Neugier und Mitgefühl

Ein Zitat

Zwei neugierige Dohlen schauen neugierige von einem Altstadthaus in Bremgarten auf die Passanten herunter.
Foto © Jörg Niederer
"Die Menschen sind dankbar dafür, dass so viel Wohlwollen, so viel Solidarität da sind. Zum Beispiel, dass Nachbarn sie, ohne zu zögern, bei sich aufgenommen haben." Thomas Pfammatter, Pfarrer von Blatten

Ein Bibelvers - Apostelgeschichte 17,21

"Die Athener und auch die Fremden, die dort lebten, waren nämlich sehr neugierig. Sie kannten keinen besseren Zeitvertreib, als stets das Neueste in Erfahrung zu bringen und es weiterzuerzählen."

Eine Anregung

Immer, wenn etwas sehr Seltenes oder Einmaliges geschieht, schaut die Welt neugierig hin. Gerade ist dies wieder der Fall. Ein gewaltiger Bergsturz und Gletscherabbruch hat das Dorf Blatten unter sich begraben. Sofort ist da diese Mischung aus Sensationslust und Mitleid, aus Unglauben und "ich habe es immer schon gesagt". Ich merke, wie auch ich mich nicht ganz diesen ambivalenten Gefühlen entziehen kann. Die Medien bedienen den Gwunder, das Schauern. Gegen das ungute Gefühl, das schlechte Gewissen kann man ja an die Glückskette spenden. Hinschauen will man schon, will wissen, ob nun die Lonza noch weiteren Schaden anrichtet.

Den Betroffenen hilft das wenig. Für sie ist eine Welt zusammengebrochen. Was sie sich oft über Generationen aufgebaut haben, wurde mit einem lauten Getöse infernal wegradiert. Überlebt hat man gerade so, aber auch nicht mehr.

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Bergsturz ein Dorf, eine Siedlung unter sich begraben hat. Goldau hat es schon erlebt, Mattmark genauso. Aber all das ist Geschichte und Vergangenheit. Mit Blatten ist es jetzt, vor unseren Augen, geschehen. Dort im Tal haben viel ihren Urlaub verbracht, "einen unvergesslichen Bergsommer" im Lötschental erlebt, haben pittoreske, handgefertigte Masken erstanden und sie zuhause an die Wand gehängt. Vielleicht war man an einer Tschäggättä dabei, ist den wilden Gesellen begegnet, die in der Fastnachtszeit lärmend oder leise die Bewohner der Dörfer in Angst und Schrecken versetzt und sie mit Russ beschmierten haben. 

In einem Beitrag über den alten Brauch heisst es, man müsse dieses Treiben als "Überlebensstrategie" verstehen. Darum geht es nun in noch viel existenziellerer Weise: Um das Überleben in einer aus den Fugen geratenen Welt. Beten wir, für die Menschen aus Blatten, und beten wir dafür, dass es nun nicht noch Schlimmer wird dort hinten im Lötschental.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen