Freitag, 18. April 2025

Kreuzweg der Gegenwart 2025

Ein Zitat

Am letztjährigen Kreuzweg der Gegenwart von Karfreitag in St. Gallen beteiligten sich wie jedes Jahr eine grössere Zahl Menschen.
Foto © Jörg Niederer
"Wir tragen ein Kreuz und erinnern dabei an alle Kreuze, die unsichtbar sind. Sie belasten uns als Einzelne, als Gesellschaft, als Glaubende und Zweifelnde. Täglich nehmen wir solche Kreuze auf, tragen sie, vielleicht unbeachtet, und doch durch sie belastet." Matthias Wenk

Ein Bibelvers - Lukas 23,46

"Und Jesus schrie laut: 'Vater, ich lege mein Leben in deine Hand.' Nach diesen Worten starb er."

Eine Anregung

Heute um 12.00 Uhr machen sich Interessierte bei der Kirche Riethüsli an der Gerhardtstrasse 11 in St. Gallen wieder auf den Weg zu Stationen auf dem Kreuzweg der Gegenwart. Der Anlass findet schon seit fast zwei Jahrzehnten jeweils an den Karfreitagen in St. Gallen statt und wird von vielen Kirchen gemeinsam getragen.

Der diesjährige Weg führt über sieben Stationen zur Kirche St. Otmar. Bei jeder Station wird innegehalten. Es folgen Gedanken zu einem Thema, das mit diesem Ort verbunden ist. Dann wird in das mitgeführte Holzkreuz ein Nagel eingeschlagen. Eine Schweigeminute endet mit einem Taizé-Lied. In diesem Jahr werden zudem Sänger:innen unterwegs drei Choräle aus der Johannespassion singen.

Oft hinterlassen die Texte zu den Stationen nachhaltigen Eindruck. Die ökumenische Gemeinschaft ist gerade in der Passionszeit von besonderer Bedeutung.

Zum Kreuzweg der Gegenwart sind alle herzlich eingeladen. Einzige Voraussetzung: Es gilt einen Weg von ca. 5 Kilometern zu bewältigen, wobei es in diesem Jahr kaum Anstiege zu verzeichnen hat. Der Anlass endet um 14.00 Uhr.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Donnerstag, 17. April 2025

Schmerzensmann

Ein Zitat

Von Mária V. Majzik ist dieser dornengekrönte Jesus, der in einer Dauerausstellung in der Methodistenkirche Budakeszi, Ungarn zu sehen ist.
Foto © Jörg Niederer
"Schmerz hat einen Wert, nicht nur Vergnügen. Schmerz ist das, was einen aufhält, was einen zwingt, Dinge zu durchdenken und andere zu verstehen. Wir sind nicht auf der Erde geboren, um voller Freude zu sein, sondern um uns zu verändern, um Lösungen für bestimmte Probleme um uns herum zu finden." Mária V. Majzik (1949-2016)

Ein Bibelvers - Markus 15,29+30

"Die Leute, die vorbeikamen, lästerten über ihn. Sie schüttelten ihre Köpfe und sagten: 'Ha! Du wolltest doch den Tempel abreißen und in nur drei Tagen wieder aufbauen. Rette dich selbst und steig vom Kreuz herab!'"

Eine Anregung

Sie gilt als Erneuerin der sakralen Kunst in Ungarn. Die Werke von Mária V. Majzik (1949-2016) haben etwas Morbides, Fantastisches. Diesen Werken bin ich vor einigen Jahren in der 2012 errichteten modernen Methodistenkirche Budakeszi begegnet. Dort befindet sich eine 2016 mit viel Prominenz eröffnete Dauerausstellung von Werken der Künstlerin. Mária V. Majzik hat auch die künstlerische Gestaltung des Gottesdienstraums übernommen. Zwei Tonnen Ton wurden für die ornamentalen, keramischen Werke verwendet. Sie sind eindrücklich, so wie auch der Schmerzensmann, den die Künstlerin mit der Seitenlehne eines Kirchenbank kombiniert.

Die Dornenkrone lässt keinen Zweifel daran, dass es sich um eine Interpretation von Jesus handelt. Die Arme sind nicht zu sehen. Es ist die Haltung eines Versehrten, eines der Handlungsfähigkeit beraubten. Die Gesichtszüge eingefallen, gezeichnet wie nach dem Tod. Der Körper wirkt zerbrochen, die Zehen schmerzhaft verzerrt, Fremdkörper an den übereinandergelegten Füssen. Sie haften am Holz. Das ganze Elend eines Hingerichteten wird überdeutlich.

Das ist kein Kruzifix, das man sich in Gold giesst und an einer Kette um den Hals hängt. Das ist ein Bildnis, fern von ästhetischem Kitsch. Genau dadurch wird es dem Geschehen um die Kreuzigung von Jesus und vielen weiteren hingerichteten Frauen und Männer so richtig gerecht.

Mit diesem Bild will ich dem Karfreitag entgegengehen.

Und noch dies: In einem Video, das 2012 erstellt wurde, ist die Methodistenkirche Budakeszi zu sehen, und die Künstlerin Mária V. Majzik kommt nebst dem damaligen Pfarrer Gábor Szuhánszky ausführlich zu Wort. Ein Bericht von der Einweihung der Dauerausstellung ist ebenfalls verfügbar.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Mittwoch, 16. April 2025

Kreuzrelikt

Ein Zitat

Das Turmkreuz der von der DDR-Regierung gesprengten Versöhnungskirche in Berlin.
Foto © Jörg Niederer
"Niemals sind wir ungeschützter gegen das Leiden, als wenn wir lieben." Sigmund Freud (1856–1939)

Ein Bibelvers - Lukas 23,26

"Die Soldaten führten Jesus zur Hinrichtung. Unterwegs hielten sie Simon von Kyrene an, der gerade vom Feld zurückkam. Sie luden ihm das Kreuz auf, damit er es hinter Jesus hertrug."

Eine Anregung

Da, wo einst die Mauer Berlin entzweite, steht heute an der Stelle der einstigen evangelischen Versöhnungskirche die Kapelle der Versöhnung. Davor findet sich dieses verunstaltete Kreuz.

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Versöhnungskirche stark beschädigt. Trotzdem wurde sie 1950 wieder aufgebaut und bis 1961 von Gläubigen beider Sektoren zu Gottesdiensten genutzt. Mit dem Mauerbau wurden erst die Westberliner von der im Ostteil befindlichen Kirche ausgeschossen, ab Oktober 1961 dann auch die Gläubigen der DDR. So ungenutzt liess die SED-Regierung 24 Jahre später die Versöhnungskirche am 22. Januar 1985 sprengen. Dabei brach das Kreuz von der Turmspitze ab. Friedhofsarbeiter bargen es heimlich und verwahrten es über das Wendejahr 1989 hinaus. Am Busstag 1995 kam das durch die Sprengung deformierte Kreuz zur Gemeinde zurück. Heute steht es vor der Kapelle der Versöhnung und erinnert an Leiden und Auferstehung, an Untergang und Erneuerung.

(Auf dem Foto wurde aus ästhetischen Gründen die Beschriftungstafel zum Kreuz entfernt.)

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Dienstag, 15. April 2025

60 Jahre Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen

Ein Zitat

Bischof Joseph Maria Bonnemain präsentiert an der Jubiläumsfeier zu 60 Jahre AGCK Zürich seine Vision zur Ökumene.
Foto © Jörg Niederer
"Gemeinsam diese Botschaft [vom Frieden] zu verkörpern bedeutet, dass wie sie selber leben... Dass wir gemeinsam und mutig nationalistische Ideologien, arrogante Imperialismen, Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus, sowie die Ausbeutung der Schöpfung anprangern." Bischof Joseph Maria Bonnemain (Römisch-katholische Kirche)

Ein Bibelvers - Psalm 150,6

"Alles, was lebt durch Gottes Atem, antworte dem Herrn mit Lobgesang! Halleluja!"

Eine Anregung

Am 2. April durfte ich als Vertretung der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (AGCK) St. Gallen und beider Appenzell am Jubiläumsanlass zu 60 Jahren AGCK Zürich mit dabei sein. Die Feier fand in der Neuapostolischen Kirche in der Stadt Zürich statt. Dort erinnerte man sich auch an 1700 Jahre Glaubensbekenntnis von Nicäa. In diesem Zusammenhang formulierten Bischof Frank Bangerter (Christkatholische Kirche), Kirchenratspräsidentin Esther Straub (Evangelisch-reformierte Kirche), Bischof Joseph Maria Bonnemain (Römisch-katholische Kirche) und Bischof Rudolf Fässler (Neuapostolische Kirche) ihre Vision zur Ökumene.

Besonderen Eindruck machte mir der Beitrag von Bischof Bonnemain. Er sagte: 

"Die Realität, die wir im Kanton Zürich erleben, empfinde ich als dauernden Ansporn, die geschwisterliche Eintracht unter den christlichen Konfessionen zu leben und zu fördern.

In einer multikulturellen Gesellschaft, in der Menschen verschiedener Länder, Sprachen, Traditionen und Religionen leben, sind wir, Christinnen und Christen, eingeladen – gerne würde ich sagen, berufen – Zeuginnen und Zeugen einer bescheidenen und lernfähigen Überzeugung zu sein. Wir sind davon überzeugt, dass in Jesus Christus Gott unter uns gegenwärtig sein will. Wir feiern dieses Jahr gemeinsam 1700 Jahre Nicäa. Dies bedeutet, nach meiner Ansicht, das Bewusstsein zu erneuern, dass wir mit unserem Glaubensleben, mit unserer Haltung und Handlungsweise der Welt und den Menschen unserer Zeit die Zuversicht vermitteln können, dass Gott uns nahe ist. Ich meine damit die Zuversicht, dass Gott weiterhin für die Geschicke der Welt Sorge trägt, dass er sich dafür einsetzt, dass das Gute trotz allen Niederlagen obsiegen kann. Die Welt braucht unsere Hoffnung – um nicht zu sagen – unseren Optimismus, aber vor allem auch unsere Empathie, Offenheit, Hilfsbereitschaft, Unterstützung und unbedingte Geschwisterlichkeit. Die Welt, der Mensch braucht Frieden und der Friede – Bruder Klaus zitierend – ist allweg in Gott, denn Gott ist der Friede.

Gemeinsam diese Botschaft zu verkörpern bedeutet, dass wie sie selber leben: 

Dass wir uns gegenseitig sehr schätzen und unterstützen.

Dass wir alles gemeinsam tun, was überhaupt möglich ist.

Dass wir das Leben gemeinsam feiern.

Dass wir gemeinsam Diakonie sind.

Dass wir gemeinsam und mutig nationalistische Ideologien, arrogante Imperialismen, Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus, sowie die Ausbeutung der Schöpfung anprangern.

Und es wäre auch dringend, dass wir uns gemeinsam – mit einer Stimme – für die Abrüstung in unserer Welt einsetzen.

Ist all das utopisch? Mit Helder Camara möchte ich sagen und dies ist mein Wunsch anlässlich dieses 60-järigen Jubiläums: 'Wenn einer allein träumt, bleibt der Traum ein Traum, wenn alle zusammen träumen, wird der Traum Wirklichkeit.'"

Fotos von diesem Anlass und alle Grussworte finden sich nun auf der Webseite der AGCK Zürich.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Montag, 14. April 2025

Der Löffel und die Ente

Ein Zitat

Eine männliche Löffelente rastet bei der Durchreise auf dem Ägelsee.
Foto © Jörg Niederer
"Eile nicht, sorge dich nicht. Du bist hier nur kurz zu Besuch. Verweile also und rieche an den Blumen." Walter C. Hagen (1892-1969)

Ein Bibelvers - 2. Könige 25,15

"Der Kommandant der Leibwache nahm alles mit, was aus reinem Gold und Silber war: die Becken für Kohle und die Schalen zum Besprengen."

Eine Anregung

Der Löffel gehört zum Lebensalltag. Ohne ihn geht beinahe nichts. Ganz besonders gilt dies für die Löffelente, die schon mit besagtem Esswerkzeug auf die Welt kommt. Mit dem Walhai gemeinsam hat sie, dass sie sich von Plankton ernährt, welches durch die Lamellen am Mundwerkzeug herausgefiltert wird.

Der Löffel muss auch für viele Redensarten hinhalten. Also aufgepasst, oder eben: Spitz die Löffel (ja auch Ohren werden ihrer Form wegen so bezeichnet), schreibe es dir hinter die Löffel, bzw. merke es dir am besten für immer!

Es gibt Menschen, die kommen mit goldenen Löffeln im Mund zur Welt. Reich von Geburt an, können sie vor allem mehr verlieren als gewinnen. So kann es gut sein, dass jemand dem, der mit dem goldenen Löffel geboren wurde, besagter goldener Löffel klaut. Ein solcher Dieb hat etwas besonders Schlimmes getan, oder wie man auch sagt: Er hat den Reichen über den Löffel balbiert. Was heute "betrügen", "übervorteilen" bedeutet, war früher eine Praxis junger, ungeschickter Barbiere. Sie rasierten älteren Männern die eingefallenen Wangen mit einem Löffel, der diesen im Mund an die Innenseite der Wange gepresst wurde.

Nun ist manch einer, der sich an fremdem Eigentum vergreift, ein richtiger Löffel, oder anders gesagt: Er hat die Weisheit nicht gerade mit Löffeln gefressen, ist also nicht besonders helle. Wird er dann erwischt, dann hat man ihn zum Löffel gemacht, und er sich blamiert. Ein solcher Gauner hat wohl mehr verdient als nur eins hinter die Löffel. Eine Ohrfeige als Strafe ist zu wenig. Aber er sollte auch nicht gleich den Löffel abgeben, also das Zeitliche segnen müssen. Todesstrafe ist kein probates Mittel gegen Diebe.

Es ist so: Wer mit dem Teufel essen will, braucht einen langen Löffel. Wer sich auf Böses einlässt, ist gezwungen, sich immer wieder anzupassen, ja muss besonders vorsichtig sein.

So ist es doch klüger, seine Suppe mit Anstand zu essen, am Besten mit einem Löffel und ohne zu schlürfen.

Übrigens: Die Bibel kennt auch goldene Löffel. Die Fürsten der zwölf Stämme Israels spendeten je einen goldenen Löffel zur Einweihung des Hauptaltars (4. Mose 7). Doch wie es bei goldenen Löffeln kommen muss: sie wurden Israel später gestohlen. Es war der Kommandant der Leibwache des babylonischen Königs Nebukadnezzar, der sich die goldenen Tempelgeräte unter den Nagel riss, bevor der Tempel und Jerusalem dem Erdboden gleichgemacht wurde.

Gut, dass die Löffelente keinen goldenen Löffelschnabel hat. Schwarze Löffel stehen bei Dieben nicht so hoch im Kurs.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Sonntag, 13. April 2025

Gans mit Nachwuchs

Ein Zitat

Graugans mit vier Küken in einem Weiher bei Bremgarten.
Foto © Jörg Niederer
"Du findest oft in Flüssen, was du im Ozean nicht finden kannst." Erkenntnis der amerikanischen Ureinwohner

Ein Bibelvers - Psalm 91,4

"Er [Gott] breitet seine Schwingen aus über dir. Unter seinen Flügeln findest du Zuflucht. Wie ein Schild schützt dich seine Treue, wie eine Schutzmauer umgibt sie dich."

Eine Anregung

Bei Niederwil an der Reuss, da wo das einstige Kloster Gnadenthal der Landschaft ihr Gepräge gibt, finden sich am Weg zum Altersheim viele Tafeln mit Weisheitssprüchen. Das Zitat von oben ist aus dieser Sammlung.

Unsere Wanderung von Bremgarten nach Niederwil führte am Hegnau-Weiher vorbei. Dort entdeckten wir zwei Graugänsepaare, welche mit fünf beziehungsweise sieben Jungtieren zwischen Land und Wasser wechselten und genüsslich allerlei Grünzeug abgrasten. 

Das Leben geht weiter. Das ist doch schon ein bisschen Ostern an Palmsonntag. Ich wünsche allen einen gesegneten Ruhetag.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Samstag, 12. April 2025

Giftig oder nicht?

Ein Zitat

Huflattich am Wegrand.
Foto © Jörg Niederer
"Wer die Geschichten erzählt, regiert die Welt." Sprichwort der Hopi

Ein Bibelvers - 1. Korinther 8,9

"Gebt aber acht! Die Freiheit, die ihr in Anspruch nehmt, darf die Schwachen nicht zu Fall bringen!"

Eine Anregung

Der Huflattich hat eine Geschichte. Früher wurden seine Blätter geraucht, etwa als Asthmazigaretten. Die Blüten kamen in den Salat oder den Tee. Auch ein Salzersatz kann man aus Huflattich gewinnen. Doch nun haben Forschende herausgefunden, dass der Huflattich Pyrrolizidinalkaloide enthält, die wohl Krebs und Leberschäden verursachen.

Seit jüngster Zeit gilt bei Wein der Hinweis, dass er auch in geringen Mengen schädlich sei.

Und so wird so manches, was man früher für heilsam und gut hielt, heute nicht mehr empfohlen. Vielleicht ist es auch noch komplizierter. Was für die einen giftig ist, ist für die anderen ein Segen, ein Gegengift sozusagen. Auch schon sprichwörtlich ist, dass es auf die Dosis ankomme, ob etwas giftig oder bekömmlich sei.

Wie ist das mit dem Glauben: Kann man sich davon auch eine Überdosis einverleiben? Oder ist die Beziehung zu Gott immer bekömmlich?

Da denke ich an das Buch "Gottesvergiftung", das von Tilmann Moser geschrieben 1976 herausgekommen ist. Darin beschreibt er einen Gottglauben, der in ständige Abhängigkeit und Angst führt. Meine Erfahrung mit Gott ist eine andere: Der Glaube hat mich freier gemacht, hoffnungsvoller und zuversichtlicher. Bei mir stimmt die Dosis "Gott".

Übrigens: Mehr Infos zum Huflattich erhält man in einem umfassenden Beitrag von Buschfunkistan.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Freitag, 11. April 2025

Flirtfaktor Kirchenpersonal

Ein Zitat

Die Kanzel in der Kirche der Propstei Wislikofen.
Foto © Jörg Niederer
"Freunde gewinnen und Freunde erhalten, die neuen sind Silber, doch Gold sind die alten." Sprichwort

Ein Bibelvers - 1. Könige 1,6

"Sein ganzes Leben lang hatte ihn sein Vater nicht zurechtgewiesen. Nie hatte er gefragt: 'Warum handelst du so?' Adonija war außerdem ein schöner Mann und war als nächster Sohn nach Abschalom geboren."

Eine Anregung

Vor Jahren hörte ich am Radio ein Lied, in dem ein Mann die Gottesdienste in einer evangelischen Kirche besuchte, weil ihm die schöne Pfarrerin so gut gefiel. Dabei gelang es ihm bei ihrem Anblick nicht, sich auf den Inhalt der Predigt zu konzentrieren. Dieses Lied ist wohl heute nicht mehr opportun, und so konnte ich es auch nicht in den Weiten des Internets finden.

Damals stellte ich mir die Frage, was das Aussehen einer Pfarrperson bedeutet für den missionarischen Erfolg der Kirche. In der Wirtschaft gibt es ja dieses Bild eines erfolgreichen Managers. Zwar ist kein Sixpack verlangt, aber zumindest schlank und drahtig sollte er sein. Auch weiss man, dass übergewichtige Menschen es oft schwerer haben im sozialen und beruflichen Umfeld.

Sollte man also in der Kirche nur landläufig als schön geltendes Personal einstellen? Daran wurde ich wieder erinnert, als ich in einem Buch der britischen Autorin Barbara Pym mit dem Titel: "Vortreffliche Frauen" lass. Das Buch spielt im England der Nachkriegszeit. Im Abschnitt, den ich meine, wird in der anglikanischen High-Church-Gemeinde gerade ein Flohmarkt durchgeführt. Dabei unterhalten sich zwei unverheiratete, schon etwas ältere Frauen: 

"Schwester Blatt musste wider Willen lachen. 'Die Frau traut sich was, alles was recht ist. Lädt mich zu ihrem Flohmarkt nächste Woche ein und erzählt mir, welch reizender Mann ihr neuer Priester ist, Father Bogart! Als ob mich das locken könnte.'

'Oh, unterschätzen Sie nicht, welche Rolle so etwas spielt und schon immer gespielt hat. Wo stünde die Kirche heute ohne einen `reizenden Mann` hier oder da?'"

Soweit dieser kurze Dialog. Einige Seiten weiter sinniert die Titelheldin über Glanz und Romantik nach und stellte fest:

"In meinem Umfeld gab es herzlich wenige, die als glanzvoll und romantisch durchgehen konnten. Geistliche konnten und mussten gleich ganz aus dem Spiel gelassen werden, beschloss ich, und damit blieben nicht viele übrig."

Schon damals also wurde das Aussehen und der Flirtfaktor der Pfarrpersonen beachtet. Brauchen wir also in der Kirche so etwas wie Supermodels auf den Kanzeln, damit die Bänke und Stühle darunter sich wieder füllen? Aber vielleicht reicht dazu ja auch die Familie der Pfarrperson. Wie heisst es doch in einem sehr bekannten, von Sina gecoverter Song: "Där einzigä wa mich het chännu värfiäru, isch där Sohn vom ä Pfarrär gsi".

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Donnerstag, 10. April 2025

Vom Trost und vom Trösten

Ein Zitat

Blütenpracht der Japanischen Quitte.
Foto © Jörg Niederer
"Du sammelst meine Tränen in deinem Krug Gott, und verwandelst sie. Wende dich um Frau, wende dich um Mensch und sieh: vom Tod ins Leben." Lied: "You are always with me God"

Ein Bibelvers - Psalm 56,9

"[Gott,] mein Elend hast du doch aufgeschrieben! Nun sammle meine Tränen in deinem Krug! Ist nicht alles in deinem Buch festgehalten?"

Eine Anregung

An vielem, das sich in meinem Büro findet, hat der Zahn der Zeit kräftig genagt. Das gilt auch für Texte und Themen. So landet nun manches im Müll. Weniges wird meine Pensionierung überdauern. Dazu gehört auch folgender Segen. Er war Teil eines Abendgebets am 24. Juni 1997 in der Heilandskirche anlässlich der Zweiten Europäischen Ökumenischen Versammlung in Graz. Dieser Abendsegen wurde von Adelheid Berger, Ulrike Frank-Schlamberger, Birgit Lesjak, Iris Trinkler, Barbara Mörtl und Ulrike Saringer vom Österreichisches Frauenforum Feministische Theologie und der ARGE Evangelische Theologinnen formuliert und gestaltet.

Göttliche Kraft stärke deinen Rücken, damit du aufrecht gehen kannst.

Göttliche Kraft bewahre deine Schultern, damit die Last, die du trägst, dich nicht niederdrückt.

Göttliche Kraft bewege deinen Nacken, damit du deinen Kopf frei dorthin neigen kannst, wo deine Zuneigung vonnöten ist.

Göttlicher Segen sei mit dir!

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen 

Mittwoch, 9. April 2025

Im Zahnwurzland

Ein Zitat

Kitaibels Zahnwurz blüht im Wald bei der Täuferhöhle oberhalb von Bäretswil.
Foto © Jörg Niederer
"Was ist Unkraut? Eine Pflanze, deren Vorzüge erst noch entdeckt werden müssen." Ralph Waldo Emerson (1803–1882)

Ein Bibelvers - Sprüche 11,25

"Wer für andere ein Segen ist, wird selbst beschenkt. Wer Getränke reicht, bekommt auch zu trinken."

Eine Anregung

Benannt ist sie nach dem ungarischen Botaniker Pál Kitaibel, der einst "Kitaibels Zahnwurz" im heutigen Nationalpark Plitvicer Seen in Kroatien entdeckte. Im Zürcher Oberland heisst die Pflanze auch "Steinbrecher". Dort habe ich sie auch fotografiert, im Zürcher Oberland, auf dem Wanderweg, der oberhalb der Täuferhöhle durchführt.

Die "Vielblättrige Zahnwurz", wie sie auch genannt wird, kommt nur in wenigen Ländern vor. Zu finden ist sie nebst der Schweiz in Italien, Slowenien, Kroatien sowie Bosnien und Herzegowina. Wir befinden uns also in der Schweiz am nördlichen Rand des Ausbreitungsgebiets. 

Würde man Regionen nach Pflanzenvorkommen einteilen, dann würden Teile der Schweiz mit den Balkanländern zusammengehören. Sicher ist, wir gehören zum "Vielblättrigen Zahnwurzland".

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Dienstag, 8. April 2025

Möge der Herr dich plagen! - ein Segen

Ein Zitat

Abgebrochenes Tännchen bei Fischenthal.
Foto © Jörg Niederer
"Vielfalt ist nicht die Würze des Lebens, sondern das Leben selbst." Bischof Woodie White in "Confessions of a prairie pilgrim"

Ein Bibelvers - Psalm 109,28

"Sollen sie nur fluchen, du aber wirst segnen. Als sie mich angriffen, sind sie gescheitert. So hat dein Knecht allen Grund zur Freude."

Eine Anregung

Gestern ist mir der folgende Segen untergekommen. Er wurde von Bischof Woodie White an der evangelisch-methodistischen Generalkonferenz von 1996 in Denver, Colorado den Delegierten weitergegeben.

"Und nun, möge der Herr dich plagen. Möge der Herr dir die Gesichter der Hungrigen, der Einsamen, der Abgelehnten und der Verachteten vor Augen halten.

Möge der Herr dich mit dem Leid der Verletzten, der Verwundeten, der Unterdrückten, der Misshandelten, der Opfer von Gewalt heimsuchen.

Möge Gott dich mit Schmerz und einem brennenden Durst nach Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit beschenken.

Möge der Herr dir Mut und Kraft und Mitgefühl geben, damit unsere Welt besser wird, damit deine Gemeinde eine bessere Gemeinde wird, damit deine Kirche eine bessere Kirche wird.

Und mögest du dein Bestes tun, um dies zu erreichen, und dann möge der Herr dir Frieden schenken."

Was mir an diesem Segen gefällt: Er nimmt die Gesegneten in die Pflicht und übertüncht die Not dieser Welt nicht mit schönen Worten. Denn wie könnten wir in Frieden leben, wenn es uns nicht gelingt, die Not der Anderen zu mildern und zu beseitigen?

Was mir daran nicht gefällt: Dass der Frieden davon abhängig gemacht wird, dass ich zuerst mein Bestes gegeben habe für die Beseitigung der Not in der Welt. Heisst das nicht, dass ich wohl nie ganz in Frieden leben kann?

Wie denkst du über diesen herausfordernden Segen?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Montag, 7. April 2025

Neuer Bischof für Nordeuropa, Baltikum und die Ukraine

Ein Zitat

Bischof Knut Refsdal von der Evangelisch-methodistischen Kirche Nordeuropa, Baltikum und Ukraine (Foto von der Webseite Zentralkonferenz-Webseite)
Foto © Zentralkonferenz von Nordeuropa und Eurasien der EMK
"Wir treten in eine Zeit des Wandels in der methodistischen Landschaft in Europa ein und wir wollen uns für eine intensivere Gemeinschaft einsetzen. Wenn wir in einer einzigen Zentralkonferenz zusammenkommen wollen, könnte das eine gute Herausforderung für uns sein." Der neu gewählte Bischof Knut Refsdal

Ein Bibelvers - Psalm 37,5

"Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohlmachen."

Eine Anregung

Am 4. April wurde an der Zentralkonferenz für Nordeuropa und Eurasien der Evangelisch-methodistischen Kirche, die vom 3. bis 6. April 2025 in Kopenhagen, Dänemark stattfand, Pfarrer Knut Refsdal zum Bischof über das Bischofsgebiet von Nordeuropa, das Baltikum und die Ukraine gewählt. Er folgt auf Bischof Christian Alsted, der das Ruhestandsalter erreicht hat. Der 55-jährige Knut Refsdal wird das Bischofsamt am 25. Mai aufnehmen.

Bischof Refsdal verfügt über langjährige Erfahrung in der ökumenischen Arbeit. Seit 2024 ist der methodistische Geistliche Pfarrer in der lutherischen Gemeinde Jeløy. In Norwegen sind Methodistenpfarrer:innen berechtigt, in der Kirche von Norwegen als Geistliche zu wirken.

Bischof Refsdal hat mehrere Bücher veröffentlicht. Er hat einen Master in Theologie vom Evangelisch-methodistischen Theologischen Seminar in Oslo und hat sich in den Bereichen Wirtschaft, Personalmanagement, Konfliktmanagement, Führung und Religionswissenschaften weitergebildet.

Mit der Wahl von Knut Refsdal zum Bischof hat sich die methodistische "Bischofslandschaft" in Europa vollständig erneuert. Da sich das Bischofsgebiet von Russland und Eurasien unter der Leitung von Bischof Eduard Khegay von der Evangelisch-methodistischen Kirche abspalten wird, verbleiben nun noch drei Bischofsgebiet in Europa: die Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa mit dem 2022 gewählten Bischof Stefan Zürcher (siehe Beitrag vom 18. November 2022), die Zentralkonferenz von Deutschland mit dem 2025 gewählten Bischof Werner Philipp (siehe Beitrag vom 14. Februar 2025) und dem nun ebenfalls 2025 neu gewählten Bischof Knut Refsdal für die Region Nordeuropa, Baltikum und die Ukraine.

(Die Quellen zu diesem Beitrag: 1. Webseite der Zentralkonferenz von Nordeuropa und Baltikum 2. Bischöfe der United Methodist Church)

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Sonntag, 6. April 2025

Verfolgung und Glaubensfreiheit

Ein Zitat

Jörg Niederer steht in der Täuferhöhle bei Bäretswil, da wo sich die Täufer während der Reformation heimlich zum Gottesdienst treffen mussten.
Foto © Sabine Möckli Niederer

"Die Religionsfreiheit umfasst auch das Recht, keiner Religion anzugehören, nicht an einen Gott zu glauben (Atheismus) oder religiöse Annahmen prinzipiell als unentscheidbar zu bewerten (Agnostizismus)."
Wikipedia

Ein Bibelvers - Galater 5,1

"Christus hat uns befreit, damit wir endgültig frei sind. Bleibt also standhaft und unterwerft euch nicht wieder dem Joch der Sklaverei!"

Eine Anregung

Gestern war ich wieder einmal in der Täuferhöhle Sie liegt versteckt im Wald am Rand der Gemeinde Bäretswil in der Schweiz. Dort also feierten die Täufer:innen heimlich ihre Gottesdienste, immer in Furcht, entdeckt zu werden. Denn Täufer:innen wurden über längere Zeit von den anderen Kirchen und dem Staat verfolgt. Einige von ihnen wurden hingerichtet.

Diese Zeiten sind vorbei. Ich bin froh, dass wir uns in der Schweiz nicht heimlich zum Gottesdienst treffen müssen, sondern bequem in einer geheizten und gut ausgestatteten Kirche. Nur vergesse ich auch nicht, dass es durchaus Christ:innen gibt in anderen Ländern, die ihr Leben riskieren, um Gottesdienste feiern zu können, oder die im Gefängnis landen. An sie will ich auch an diesem Sonntag denken und für sie beten. Überhaupt alle Menschen, die aus Glaubensgründen diffamiert, verfolgt, verstossen inhaftiert oder getötet werden, lassen mich nicht kalt.

Religionsfreiheit ist eine so wichtige Errungenschaft. Wir dürfen sie nicht aufs Spiel setzen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Samstag, 5. April 2025

Versöhnung

Ein Zitat

Jugendliche drücken ihre Solidarität über Grenzen hinaus aus an der 2. Europäischen Ökumenischen Versammlung von 1997 in Graz.
Foto © Jörg Niederer
"Lebe das, was du vom Evangelium verstanden hast. Und wenn es noch so wenig ist. Aber lebe es." Frère Roger (1915-2005)

Ein Bibelvers - 2. Korinther 5,19

"Ja, in Christus war Gott selbst am Werk, um die Welt mit sich zu versöhnen. Er hat den Menschen ihre Verfehlungen nicht angerechnet. Und uns hat er sein Wort anvertraut, das Versöhnung schenkt."

Eine Anregung

Mit der bevorstehenden Pensionierung miste ich auch meine Bücherschränke aus. Dabei kam ich gestern zu den Unterlagen der 2. Europäischen Ökumenischen Versammlung (2EÖV), die 1997 im österreichischen Graz stattfand. Ich durfte im Auftrag der Methodistenkirche daran teilnehmen. "Versöhnung" war das Thema. Nebst den intensiven Gesprächen und Begegnungen denke ich gerne an das abschliessende Fest zurück. Es war eine bunte, fröhliche, tiefgreifende Sache. Besonders viele Menschen aus Rumänien fanden sich dazu ein, nachdem die Visapflicht für dieses einstige Ostblockland weggefallen war.

Wenn ich aus Distanz heute zurückschaue, frage ich mich, wie viel von dieser Aufbruchstimmung und der Hoffnung auf Versöhnung geblieben ist. Die Zeit heile alle Wunden, sagt man. Doch ist es nicht auch so, dass die Zeit so manche Zuversicht zunichte machen kann. Überall sehen wir, wie Grenzen wieder aufgerichtet werden. Strafzölle sind das Thema in den Medien. Invasionsgelüste der Grossmächte bedrohen Freund und Feind. Menschen sterben an Kriegsfronten, darunter viele Zivilist:innen. Missbrauch ist das grosse Thema in den Kirchen. Zugleich verlieren die Religionsgemeinschaften in der westlichen Welt immer mehr an Einfluss.

Was ist von der Versöhnung geblieben? So habe ich mir den Neuanfang und die weitere Entwicklung nicht vorgestellt.

Ich glaube, es ist heute nötiger denn je, dass die Menschen des Glaubens zusammenzustehen, um das Wort von der Versöhnung mitten in der Welt zu leben, gegen alle Trends und Entwicklungen. Lassen wir die theologischen Differenzen beiseite. Das braucht niemand in diesen Tagen, in denen wir zur Hoffnung der Welt beitragen müssen, und dies mit aller Kraft und Ausdauer.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Freitag, 4. April 2025

Vom Nikolaus und Flösserinnen

Ein Zitat

Auf der Aarebrücke bei Döttingen steht eine Statue des Heiligen Nikolaus von Myra, dem Schutzpatron der Flösser.
Foto © Jörg Niederer
"Was nicht kommuniziert wird, ist nicht, und je mehr etwas kommuniziert wird, desto mehr ist es." Vilém Flusser (1920-1991)

Ein Bibelvers - Ezechiel 27.29

"Ruderer verlassen ihre Schiffe. Matrosen und Seeleute bleiben an Land."

Eine Anregung

Für einmal ist es nicht der heilige Nepomuk, dem auf der Brücke bei Döttingen ein Denkmal gesetzt ist, sondern dem bekannten Nikolaus von Myra. Was wie eine seltsame "Dächlikappe" aussieht, ist sein Kopf mit wallendem Bart. Er steht hier unterhalb des Klingnauer Stausees als Schutzheiliger der Flösser. In dieser Funktion wird er in unseren Breitengraden nur noch wenig zu tun haben. Die Flösser sind nahezu ausgestorben. Am Ägerisee gibt es sie noch. Sonst ist die Tradition lediglich in Form historischer Flossfahrten lebendig.

Dem heiligen Nikolaus geht dennoch die Arbeit nicht aus, ist er doch auch Schutzpatron der "Advokaten, Bäcker, Bierbrauer, Weinhändler, Metzger, Steinmetze, Jungfrauen und viele mehr". Interessant an dieser Aufzählung ist, wie die Frauen, von denen es auch Advokatinnen, Bäckerinnen, Bierbrauerinnen, Weinhändlerinnen, Metzgerinnen und Steinmetzinnen gibt, sichtbar werden: als Jungfrauen! Mir scheint, das generative Maskulin kann hier nicht wirklich auf neutrale Weise den Frauen gerecht werden. Nun haben die Frauen auch ihre eigene Schutzheilige. Es ist heilige Jeanne d'Arc, also die Frau, die einen Männerjob in der Armee hatte. Das Flössen war auch Männerarbeit. Sollte es Frauen in diesem Gewerbe gegeben haben, hätten sie die Wahl zwischen dem heiligen Nikolaus und der heiligen Jeanne d'Arc gehabt. Mir würde diese Auswahl nicht behagen. Doch wen würde ich mir als Vorbild und Fürsprecher:in wünschen?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Donnerstag, 3. April 2025

Gewichtig

Ein Zitat

Gewichte im Turm der Reformierten Kirche Heiden treiben das Schlagwerk und die Turmuhr an.
Foto © Jörg Niederer
"Was wir an Liebe geben, verleiht unserem Leben Gewicht, was wir an Liebe bekommen, erleichtert es." Ernst Ferstl (*1955)

Ein Bibelvers - Hiob 31,6

"Gott soll meine Taten gerecht abwägen, dann wird er meine Unschuld erkennen."

Eine Anregung

Gewichte treiben den Glockenschlag und die Uhr der reformierten Kirche Heiden an. Im besteigbaren Glockenturm sind sie gut zu sehen. Der Messmer erklärte mir bei einer Führung, dass man diese Gewichte nach Änderungen beim mechanischen Geläut deutlich verringern mussten. Genau habe ich nicht verstanden, wie das zusammenhängt. Jedenfalls sind sie auch heutzutage noch nötig, diese Gewichte.

Gewichte als Antrieb: Es ist nicht immer so, dass dich das Schwere zu Boden zieht. Gewichte können dich auch weiterbringen.

In meinem ersten Beruf als Mühlenbauer spielten Gewichte in den Plansichtern eine wesentliche Rolle. Plansichter sind grosse Kästen, in denen auf vielen übereinanderliegenden Sieben das Mahlgut sortiert wird. Zentral angeordnet ist eine grosse Unwucht, welche durch Rotation diesen an elastischen Stangen aufgehängten Sichter in kreisende Bewegung versetzt. Dabei kommt es darauf an, das die Unwucht so präzise austariert wird, dass der Sichter möglichst perfekt rund läuft. Einseitige Belastung würde sonst das ganze System früher oder später zerstören. Als Lehrlinge erlebte ich, wie die Bestückung dieser Unwucht  mit Bleigewichten Chefsache war. Der Abteilungsleiter liess uns nicht an diese Arbeit. Wir durften alles machen, nur das nicht. Es war eben eine gewichtige Sache, in doppelter Hinsicht.

Es kann nun sein, dass mir etwas schwer auf der Seele liegt, oder dass mich eine Sache runterzieht wie eine grosse Last. Dann frage ich mich: Gibt es einen Sinn an dieser Schwere? Soll etwas in Bewegung kommen, in mir oder auch in anderen? Wie gewichtig ist, was gerade geschieht?

Zurück zu den Gewichten im Glockenturm. Ihre Bewegungen sind für das menschliche Auge viel zu langsam. Aber was wir sehen und hören können sind die Glocken, die durch sie zur richtigen Zeit in Schwingungen versetzt werden. Dazu gibt es Videos und Tonaufnahmen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Mittwoch, 2. April 2025

Saublume

Ein Zitat

Der Löwenzahn blüht wieder leuchtend gelb.
Foto © Jörg Niederer
"Löwenzahn, Löwenzahn, / fängt jetzt rasch zu blühen an. / Kaum hat er begonnen: / Lauter gelbe Sonnen!" Aus einem Gedicht von Ilona Bodden (1927-1985)

Ein Bibelvers - 1. Mose 1,12

"Die Erde brachte frisches Grün hervor und Pflanzen, die Samen tragen. Sie liess auch Bäume wachsen mit eigenen Früchten und Samen darin. Und Gott sah, dass es gut war."

Eine Anregung

Der Löwenzahn blüht wieder. Bald wird er Felder und Wiesen gelb färben. Ursprünglich kommt die Pflanze aus Europa und Asien, ist heute aber auf der ganzen Nordhalbkugel verbreitet. In unserer intensiv bewirtschafteten Agrarlandschaft ist der Löwenzahn allgegenwärtig. Da die Saublume nährstoffreichen Boden liebt, und ihr Nitrat auf gedüngten Wiesen auch willkommen ist, zeigt sie auch den menschgemachten Artenschwund in der Landwirtschaft an. Zugleich ist sie eine in allen Teilen essbare Pflanze, die auch aus gesundheitlichen Gründen zum Beispiel gegen Nierensteine verabreicht werden kann.

Was mir der Löwenzahl aber auch zeigt: Der Frühling lässt nicht mehr locker. Die Sonne scheint nun immer mehr von oben; und auch im Gelb des Löwenzahns von unten.

Hier ein Gedicht von Reiner Kunze (*1933): 


Warum sind Löwenzahnblüten gelb?

Das weiß jedes Kind. 

Weil Löwenzahnblüten Briefkästen sind.

Wer hat die Briefkästen aufgestellt?

Die grasgrüne Wiese.

Sie steckt in die Briefkästen all ihre Grüße.

Wem werden die Grüße zugestellt?

Das weiß jedes Kind.

Briefträger sind Biene und Wind.


Dem Löwenzahn sagt man auch Saublume. Vielleicht nicht nur, weil sie früher als Schweinefutter verwendet wurde, sondern auch, weil dort, wo die Schweine die Weiden mit ihren Ausscheidungen düngen, der Löwenzahn gerne erblüht.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Dienstag, 1. April 2025

Warum nackt?

Ein Zitat

Steinmetz-Arbeit am GBS-Gebäude in der Kirchgasse in St. Gallen.
Foto © Jörg Niederer
"Eine Putte ist ein religiöses Symbol, das oft in der christlichen Kunst zu finden ist. Diese Figur zeigt meistens ein junges Engelsgesicht oder kindliches Wesen, das als Verkörperung der Unschuld und Reinheit dargestellt wird." Bibels Kirch

Ein Bibelvers - 1. Mose 3,7

"Da gingen den beiden die Augen auf, und sie erkannten, dass sie nackt waren. Sie banden Feigenblätter zusammen und machten sich Lendenschurze."

Eine Anregung

Ich wundere mich immer wieder über diese Vorliebe für nackte Kinder in der Kunst. Besonders eigenartig berührt es mich, wenn dann unbekleidete Buben und Mädchen als Verzierung an einem Gewerbeschulhaus zu sehen sind. Das ist ja nun wirklich kein Haus, in dem Kinder, ob bekleidet oder nicht, ein uns ausgehen. Heute sind in diesem Haus die Bauberufe untergebracht. Das gibt einen gewissen Bezug zur Architektur und zu Steinmetzarbeiten.

Auch Kirchen sind bevölkert mit nackten, kindlichen Putten, und auch da wundere ich mich. Sind das die Auswüchse einer Kompensation zeitgenössischer Prüderie; hat das etwas mit pädophilen Neigungen zu tun? Geht es um die Unschuld paradiesischer Nacktheit, wobei in den Darstellungen von Adam und Eva die Genitalien oft verschämt abgedeckt sind, während dies bei kleinen Kindern nicht nötig zu sein scheint?

Wie denkst du über die Nacktheit von Kindern in der Kunst und in der Kirche?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Montag, 31. März 2025

Johannes weiblich?

Ein Zitat

Geschnitzte Abendmahlsszene mit weiblich wirkender Person rechts neben Jesus.
Foto © Jörg Niederer
"Nichts kann geliebt oder gehasst werden, wenn es nicht zuerst verstanden wird." Leonardo Da Vinci (1452-1519)

Ein Bibelvers - Johannes 13,23

"Einer von seinen Jüngern, den Jesus besonders liebte, lag bei Tisch an der Seite von Jesus."

Eine Anregung

Leonardo Da Vinci war wohl der Erste, der eine Person mit weiblichen Zügen in die Darstellung des letzten Abendmahls einfügte. Das geschah zwischen 1494 und 1497, lange nach dem letzten Abendmahl selbst und nach den darüber vorhandenen ältesten Texten der Bibel. Warum also sollte, wie es der Autor Dan Brown und andere behaupten, Da Vinci mehr wissen? Ich denke eher, dass sich der Renaissance-Maler von den Texten der Bibel inspirieren lies, in denen ein Jesusjünger als "Jünger, den Jesus besonders liebte" bezeichnet wird, in denen also ein besonders inniges Verhältnis von Jesus zu - so nimmt man an - Johannes selbst herausgestrichen wird. Falls Johannes wirklich dieser von Jesus geliebte Jünger war, und das ist nicht ganz sicher, dann entspricht dies einem Selbstzeugnis des Evangelisten. Damit haben wir keine besonders gute und sichere Quellenlage, und es bleiben viele unangenehme Fragen offen, wie z.B.: Rühmt sich Johannes hier selbst als der, welcher von allen Jüngern Jesus am nächsten stand?

Interessant ist auch, dass nach Da Vinci eine grosse Zahl an Künstler:innen seiner Interpretation folgten und folgen, und eine Person, meist diejenige auf den Gemälden rechts neben Jesus, mit weiblichen Zügen darstellen. So auch der Holzbildhauer oder die Holzbildhauerin, welche das von mir fotografierte letzte Abendmahl als Miniatur geschaffen hat. Es steht als Schenkung auf einem Fensterbrett in der methodistischen Kapelle Diepoldsau. Da Vinci war also für die spätere Zeit stilbildend. Seit damals spekuliert man über Frauen an der Seite von Jesus, dichtet ihm sogar eine Maria Magdalena als Ehefrau an.

Ob es nun Maria Magdalena ist, die so an die Seite von Jesus gerückt wird, oder der Jünger, den Jesus liebte, also Johannes mit weiblichen Zügen, ist und bleibt unsicher. Eine Provokation war es auf jeden Fall in einer Zeit, in der Geschlechterrollen eindeutig männlich oder weiblich festgeschrieben waren. Genau das beabsichtigte wohl Leonardo Da Vinci: Er wollte gängige Vorstellungen herausfordern. Selbst heute sind Menschen von einem Mann mit weiblichen Zügen irritiert, genauso wie von einer Frau mit männlichen Zügen. Oder dann wird die männliche Vorherrschaft in Kirchen damit begründet, dass Jesus nur Männer als zwölf Apostel um sich gesammelt habe. Genau dies stellt Da Vinci mit seinem letzten Abendmahl vorsichtig in Frage. Es ist bei ihm nur eine Frauengestalt neben elf männlichen Jüngern. Das ging wohl gerade noch als künstlerische Freiheit durch in jener Zeit. Doch seit dem letzten Abendmahl von Da Vinci und dem Evangelium von Johannes kommt man nicht mehr um eine Frage herum: Was wäre, wenn Jesus einen Jünger mit weiblichen Zügen besonders geliebt hat? Für mich die grösste Herausforderung an dieser Frage ist, ob Jesus wirklich einen Jünger mehr geliebt und bevorzugt hat, vor allen anderen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Sonntag, 30. März 2025

Zwei Seiten

Ein Zitat

Blühende Kirschbäume vor der Offenen Citykirche Sankt Jakob in Zürich.
Foto © Jörg Niederer
"Man muss viel Liebe investieren, wenn Glaube sich entfalten soll, und man muss viel Freiheit riskieren, wenn die Kirche lebendig bleiben soll." Otto Dibelius (1880-1967)

Ein Bibelvers - Joel 2,1

"Blast ins Widderhorn auf dem Zion! Gebt Alarm auf dem Berg meines Heiligtums! Alle Bewohner des Landes sollen aufgeschreckt werden! Denn der Tag des Herrn kommt, bald ist er da."

Eine Anregung

Jetzt blühen sie wieder, die Kirschbäume. Wenn sie dann auch noch vor so schönem sakralem Gemäuer stehen wie vor der Offenen Citykirche Sankt Jakob in Zürich, schaut man doch gerne hin. 

Doch Fotos erzählen selten die ganze Wahrheit. Wer schon einmal vor dieser Kirche gestanden hat, weiss: So idyllisch ist es nicht, dort am Stauffacher. Wer sich von der Kirche um 180 Grad wegdreht, findet sich vor einer der betriebigsten Tramhaltestellen der Stadt. Auf den vorbeiführenden Strassen brummt der Verkehr, dieweil unweit die Langstrasse mit allerlei mehr oder weniger seriösen Vergnügungen lockt. Dort bei der Kirche trifft sich die Welt der Junkies und Obdachlosen mit den Geschäftsleuten und dem Ausgehvolk.

Ich finde, an keiner anderen Stelle sollte mittendrin die Kirche stehen und einladen zu tiefgründigeren, stilleren Momenten.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Samstag, 29. März 2025

Abheben

Ein Zitat

Ein Höckerschwan fliegt entlang der Thur bei Frauenfeld.
Foto © Jörg Niederer
"Droben rudert ein Schwan milchweiß schimmernde Bahn, hell das Gefieder von Sternen, zieht er durch himmlische Fernen, rudert nach Traumland voraus, sucht der Glückseligen Haus." Isolde Kurz (1853-1944)

Ein Bibelvers - Sacharja 5,1-2

"Als ich nochmals aufschaute, sah ich eine fliegende Schriftrolle. Der Engel fragte mich: 'Was siehst du?' Ich antwortete: 'Eine fliegende Schriftrolle. Sie ist zehn Meter lang und fünf Meter breit.'"

Eine Anregung

Ich kenne wenige Vögel, die sich für den Abflug so sehr abmühen müssen, wie die Höckerschwäne. Immerhin müssen sie dabei durchschnittlich um die 12-13 Kilogramm Körpergewicht in die Luft hieven. Dazu gehört die lange Anlaufphase, in der sie erst längere Zeit flügelschlagen über das Wasser laufen. Auch in der Luft gewinnen sie nur langsam an Höhe. Das Ganze geht nicht lautlos vonstatten. Weithin hörbar ist ein rhythmisch zum langsamen Flügelschlag passendes Windgeräusch.

Es kommt vor, dass es mir genauso geht wie einem startenden Schwan. Nur langsam komme ich auf Touren, nur langsam hebe ich ab, nur langsam gewinne ich an Zuversicht, nur langsam komme ich dem Himmel näher. Dann lastet die Trägheit auf mir und jeder reale Schritt, jeder Denkschritt verlangt nahezu übermenschliche Kräfte. 

Zugleich ist es eine Zeit grösserer Veränderungen. Ich werde am Ende dieses "Flugs" nicht mehr am Ausgangspunkt sein. Ich werde Neues sehen. Vielleicht stellt sich dann auch die Zufriedenheit ein, die auf dem Weg dorthin so wenig erfahrbar war. Darum ist es gut, sich abzuheben von der Normalität und dem Aussergewöhnlichen auf die Spur zu kommen.

Dem Schwan gelingt dieser Übergang in den Flug bei aller Schwerfälligkeit zugleich kraftvoll und voller Schönheit. Wie ist das, wenn ich mich aufzuschwingen versuche?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Freitag, 28. März 2025

Marc Chagall in Zürich

Ein Zitat

Das Jakobs- Christus- und Zionsfenster von Marc Chagall im Fraumünster Zürich.
Foto © Jörg Niederer
"Dieses Buch (die Bibel) ist Geschichte und gleichzeitig ist es auch ein Roman, an manchen Stellen ist es reine Poesie. Es ist eine Tragödie, aber oft auch sehr komisch. Nimm zum Beispiel diesen David, er ist nicht so ganz anständig. Er hat ja so viele umgebracht." Marc Chagall (1887-1985)

Ein Bibelvers - Lukas 23,47

"Der römische Hauptmann sah genau, was geschah. Da lobte er Gott und sagte: 'Dieser Mensch war wirklich ein Gerechter.'"

Eine Anregung

Heute vor 40 Jahren starb Marc Chagall im Alter von 97 Jahren. Seine Werke sind auf der ganzen Welt zu finden, auch in Zürich. Dort besuchen jährlich um die 150'000 Tourist:innen das Fraumünster, um ein Alterswerk des Künstlers zu bestaunen. Damit sie vor den fünf Glasfenster meditieren können, müssen sie fünf Franken Eintritt hinlegen. Das sind die Glasmalereien allemal wert. Ihre Leuchtkraft, die besondere Farbgebung, die Gestaltung der Motive erfüllen das Innerste der Betrachtenden.

Besonders bewegt hat mich, dass Marc Chagall im gekreuzigten Christus das "Sinnbild für die verfolgten und ermordeten Juden schlechthin" entdeckte. Chagall schuf ab den 1930er Jahren zahlreiche Bilder des Gekreuzigten.

Mehr über Marc Chagall und die berühmten Glasmalereien in Zürich erfährt man in einem heute erschienen Beitrag von Jens Bayer-Gimm auf ref.ch.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Donnerstag, 27. März 2025

Der Sumpfhase

Ein Zitat

Eine Bisamratte schwimmt und taucht in einem Wasserloch entlang der Thur bei Frauenfeld.
Foto © Jörg Niederer
"Auf Erden herrscht die Liebe, im Himmel die Gnade, nur in der Hölle gibt es Gerechtigkeit." Anaklet II. (1090-1138), Gegenpapst zu Papst Innozenz II.

Ein Bibelvers - Kolosser 3,12+14

"Ertragt euch gegenseitig und vergebt einander, wenn einer dem anderen etwas vorwirft. Wie der Herr euch vergeben hat, so sollt auch ihr vergeben! Vor allem aber bekleidet euch mit der Liebe. Sie ist das Band, das euch zu vollkommener Einheit zusammenschließt."

Eine Anregung

Die Bisamratte gibt es seit etwa 110 Jahren in Europa. Erstmals hörte ich von meinem Vater von diesen schwimmenden Sumpfhasen, sie gehören zur Gruppe der Wühlmäusen, als wir in Bern unweit der Aare lebten. Damals war ich so etwa 4 Jahre alt.

Dass es sie bei uns gibt, hängt damit zusammen, dass das aus Amerika stammende Tier bewusst und mehrfach in Europa ausgesetzt wurde, aber auch, dass Bisamratten aus Pelztierzuchten ausbüxten und sich rasend schnell über ganz Europa ausbreiteten.

Immer wenn ich Bisamratten sehe, freue ich mich, auch wenn ich weiss, dass sie noch immer als Neozoen und unerwünschte Fremdkörper gesehen werden. Es geht lange, bis etwas nicht mehr als fremder, unerwünschter Teil einer Gesellschaft betrachtet wird, bis es ganz dazugehört. Das gilt für Pflanzen, Tiere und Menschen.

Nun hoffe ich, dass es dereinst im Himmel nicht auch so ist, dass die, die schon da sind, misstrauisch auf die schauen, die neu ankommen. Eher wäre das ein Merkmal, bei dem man an die Hölle denken müsste. Wo aber gehört zwischen solcherart Himmel und Hölle da wohl die Erde hin?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen