Dienstag, 25. Februar 2025

Von ganz jung bis ganz alt

Ein Zitat

Im mit der Venus gekrönten Schauspielhaus Zürich befindet sich auch ein Venen-Zentrum.
Foto © Jörg Niederer
"Im Haus der Tränen lächelt Venus nicht." William Shakespeare (1582-1616)

Ein Bibelvers - Jakobus 1,11

"Wenn die Sonne emporsteigt, kommt mit ihr die Hitze und lässt das Gras verdorren. Dann fällt die Blüte ab und von ihrer Schönheit bleibt nichts übrig. So wird auch der Reiche vergehen, noch während er seinen Geschäften nachgeht."

Eine Anregung

Das Schauspielhaus von Zürich, auch Pfauen genannt, wird zentral gekrönt mit der Venus, wie sie soeben dem Meer entsteigt. Die römische Göttin der Liebe, Schönheit und Fruchtbarkeit hat in Aphrodite eine griechische Vorläuferin. Diese, so der Mythos, sei aus dem Schaum geboren, der sich bildete, als der abgeschnittene Geschlechtsteil des Uranus ins Meer gefallen sei. Mit der Venus sind wir also ganz am Anfang des prallen Lebens und ganz bei der jugendlichen Schönheit.

Nun ist aber im Schauspielhaus seltsamerweise auch ein Venenzentrum untergebracht. Und damit sind wir bei typischen Altersbeschwerden. Stichworte sind Krampfadern, nächtliche Wadenkrämpfe, Besenreiser, geschwollene schwere sowie offene und schmerzende Beine.

So gesehen ist am Schauspielhaus Zürich in mahnender Weise der Weg von der Venus zum Venenzentrum, von der blühenden Jugend zur welkenden Last des Alters, von der Vitalität und Potenz zur Krankheit und Erschlaffung vorgezeichnet. Es geht abwärts im Leben. Einst oben die Venus, nun unten der Doktor, der verspricht, sich um die Venen zu kümmern.

Es fehlt nur noch, dass am Schauspielhaus das bekannte Theaterstück "Der eingebildete Kranke" von Molière aufgeführt wird. Das wäre wohl das Tüpfelchen auf dem i an dieser Fassadengeschichte.

Wünschen wir uns doch heute ein bisschen mehr Venus, und viel weniger Venenzentrum.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

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