Donnerstag, 13. Februar 2025

Die Nacht zum Tag machen

Ein Zitat

Mobiltelefon-Nachtaufnahme einer Landschaft in der Allmend Frauenfeld.
Foto © Jörg Niederer
"…und in der schwärzesten Nacht meines Lebens sah ich Sterne." Carlos Ruiz Zafón (1964-2020) im Buch: "Der Schatten des Windes"

Ein Bibelvers - Psalm 42,9

"Am Tag schenkt der Herr mir seine Güte und in der Nacht dank ich ihm mit einem Lied – mit einem Gebet zum Gott meines Lebens!"

Eine Anregung

Die Nacht zum Tag machen; Mobiltelefone können das. Sie kombinieren mehrere Aufnahmen zu einem Bild und übertreffen so die Sehfähigkeit des menschlichen Auges. Das Foto hier ist so ein Bild. Doch nicht alles darauf ist so, wie es in Wirklichkeit ist. Da gibt es Fehlfarben, etwa beim Baum auf der rechten Seite im Hintergrund.

In der Nacht sehen wir Dinge, die es gibt und solche, die es nicht gibt. Physikalisch ist das leicht erklärbar. Psychologisch auch. Die Nacht hat ihre speziellen Geräusche. Wie soll man da das Knacken von Ästen eindeutig zuordnen. Streicht da ein Reh vorbei, oder lauert schon der Unhold im Gebüsch?

Nebenbei: In mir sträubt sich alles, beim Wort "Unhold" auch die Frauen einzubeziehen. "Unholdin" klingt schräg, auch wenn das Adjektiv "hold" wiederum fast ausschliesslich auf Frauen angewendet wird.

Gestern auf einer Nachttour mit Wildhüter und Ranger gab es auch die Möglichkeit, mit dem Nachtsichtgerät nach Tieren Ausschau zu halten. Da sahen (und hörten) wir Bekassinen und Rehe, Hasen und schlafende Vögel in Astgabeln. Wir hörten aufgescheuchte Stockenten, Krähen, die Alarm schlugen und den Waldkauz auf der Balz.

Ich werde wieder einmal die Nacht zum Tag machen. Vielleicht auch, um mir die Zeit fürs Meditieren und Beten zu nehmen. Denn auch dazu ist die Nacht gut geeignet.

Und wer weiss, vielleicht macht mich das nicht nur nachtsichtiger, sondern auch nachsichtig.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen