Ein Zitat
"Die Menschen sind dankbar dafür, dass so viel Wohlwollen, so viel Solidarität da sind. Zum Beispiel, dass Nachbarn sie, ohne zu zögern, bei sich aufgenommen haben." Thomas Pfammatter, Pfarrer von BlattenFoto © Jörg Niederer
Ein Bibelvers - Apostelgeschichte 17,21
"Die Athener und auch die Fremden, die dort lebten, waren nämlich sehr neugierig. Sie kannten keinen besseren Zeitvertreib, als stets das Neueste in Erfahrung zu bringen und es weiterzuerzählen."
Eine Anregung
Immer, wenn etwas sehr Seltenes oder Einmaliges geschieht, schaut die Welt neugierig hin. Gerade ist dies wieder der Fall. Ein gewaltiger Bergsturz und Gletscherabbruch hat das Dorf Blatten unter sich begraben. Sofort ist da diese Mischung aus Sensationslust und Mitleid, aus Unglauben und "ich habe es immer schon gesagt". Ich merke, wie auch ich mich nicht ganz diesen ambivalenten Gefühlen entziehen kann. Die Medien bedienen den Gwunder, das Schauern. Gegen das ungute Gefühl, das schlechte Gewissen kann man ja an die Glückskette spenden. Hinschauen will man schon, will wissen, ob nun die Lonza noch weiteren Schaden anrichtet.
Den Betroffenen hilft das wenig. Für sie ist eine Welt zusammengebrochen. Was sie sich oft über Generationen aufgebaut haben, wurde mit einem lauten Getöse infernal wegradiert. Überlebt hat man gerade so, aber auch nicht mehr.
Es ist nicht das erste Mal, dass ein Bergsturz ein Dorf, eine Siedlung unter sich begraben hat. Goldau hat es schon erlebt, Mattmark genauso. Aber all das ist Geschichte und Vergangenheit. Mit Blatten ist es jetzt, vor unseren Augen, geschehen. Dort im Tal haben viel ihren Urlaub verbracht, "einen unvergesslichen Bergsommer" im Lötschental erlebt, haben pittoreske, handgefertigte Masken erstanden und sie zuhause an die Wand gehängt. Vielleicht war man an einer Tschäggättä dabei, ist den wilden Gesellen begegnet, die in der Fastnachtszeit lärmend oder leise die Bewohner der Dörfer in Angst und Schrecken versetzt und sie mit Russ beschmierten haben.
In einem Beitrag über den alten Brauch heisst es, man müsse dieses Treiben als "Überlebensstrategie" verstehen. Darum geht es nun in noch viel existenziellerer Weise: Um das Überleben in einer aus den Fugen geratenen Welt. Beten wir, für die Menschen aus Blatten, und beten wir dafür, dass es nun nicht noch Schlimmer wird dort hinten im Lötschental.
Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen
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