Freitag, 9. Mai 2025

Das Jenseits im Radio- und Fernsehstudio

Ein Zitat

Bücher beim Schweizer Radio und Fernsehen, Studio Zürich Leutschenbach, mit "Jenseits"-Ablage für die Entsorgung.
Foto © Jörg Niederer
"Mensch, wirst du nicht ein Kind, so gehst du nimmer ein, / wo Gottes Kinder sind: Die Tür ist gar zu klein." Angelus Silesius (1624-1677)

Ein Bibelvers - 1. Petrus 3,18+19

"Christus hat einmal für die Sünden gelitten: Der Gerechte litt für die Ungerechten. So sollte er euch zu Gott führen: Sein Körper wurde zwar am Kreuz getötet, aber durch den Geist Gottes wurde er wieder lebendig. Dabei ging er auch zu den Geistern ins Gefängnis und verkündete die Gute Nachricht."

Eine Anregung

Gestern besuchten Vertreter:innen der Arbeitsgemeinschaften Christlicher Kirchen von Zürich und St. Gallen-Appenzell das Radio- und Fernsehstudio Zürich Leutschenbach. Nebst einer Führung durch die Aufnahmeräume kam es auch zu einem längeren Gespräch mit dem SRF-Religionsexperten Norbert Bischofberger. Dass dieses Gespräch zustande kam, ist dem Konklave in Rom zu verdanken. Hätten die Kardinäle den neuen Papst Leo XIV. noch schneller gewählt, wären es wohl nicht mehr zur Audienz gekommen bei diesem sympathischen Redaktor und Moderator des Schweizer Fernsehens.

Doch mir ist während der Führung ein Detail ins Auge gesprungen, von dem ich erzählen will. Dort im SRF-Studio gibt es nicht nur Elektronik, sondern auch gewöhnliche Bücher. Es sind für diesen grossen Betrieb nicht besonders viele, aber sie laden ein zum Lesen. Seit ich an diesem Bücherschrank vorbeigekommen bin, weiss ich, dass das Jenseits im Leutschenbach zu finden ist. Dort auf einer Kiste steht: "JENSEITS" und etwas kleiner darunter: "BÜCHER ZU ENTSORGEN". "Jenseits" und "Entsorgen"; zwei religiöse Begriffe an einem unverdächtigen Ort. Die Leute dort scheinen Humor zu haben. 

Ob das Kästchen ein magischer Durchlass ins Jenseits ist? In ihr lagen gerade keine Bücher. Verschwinden sie, wenn sie hineingelegt werden, und tauchen auf der anderen Seite der Wirklichkeit wieder auf, entweder im Himmel oder in der Hölle oder im Nirvana? Vermutlich geht das nicht magisch vor sich, sondern händisch. So ist doch die Aussage "Bücher zu entsorgen" eher als Imperativ zu verstehen. Sonst müsste es "Bücher zum Entsorgen" heissen.

Nun überlege ich, ob ich meine nun nicht mehr benötigten Bücher, die ich am Ende meiner beruflichen Laufbahn entsorgen will, nicht ins Radio- und Fernsehstudio bringe. Dann finden sie bestimmt einen sorgenfreien Weg ins Jenseits und damit in den Bücherhimmel.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

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