Samstag, 31. Mai 2025

Streit

Ein Zitat

Eine Mittelmeermöwe vertreibt einen Mäusebussard aus dem Umfeld ihres Nests.
Foto © Jörg Niederer
"Wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte." Sprichwort

Ein Bibelvers - Sprüche 26,21

"Kohlen schüren die Glut, Holz entfacht das Feuer und Streitsucht heizt den Streit an."

Eine Anregung

Meist sind es ja Rabenkrähen, die hinter den Greifvögeln herhassen, wenn diese in ihr Revier eindringen. Am Flachsee beobachtete ich diese Verfolgungsjagd zwischen einer Mittelmeermöwe und einem Mäusebussard. Streit hat immer eine Ursache. In diesem Fall verteidigte die Mittelmeermöwe wohl ihr Nest. Dabei ist die Mittelmeermöwe selbst eine Räuberin, und greift sich schon mal die frisch geschlüpften Jungen aus den Nestern anderer Vögel.

Entweder hatte der Mäusebussard bei früheren Luftkämpfen schon die eine oder andere Feder verloren, oder er befand sich in der Mauser, erneuerte also schrittweise sein Gefieder. Seine Flugfähigkeit ist damit nicht eingeschränkt.

Für mich sind diese Luftkämpfe spannende und unterhaltsame Momente. Für die Vögel ist das aber Arbeit und bitterer Ernst.

Ich bleibe gerne in der Beobachterrolle und überlasse den Streit den andern. Streit belastet mich. Wenn ich ihn vermeiden kann, tue ich es. Wenn es aber unumgänglich ist, dann bin ich auch bereit dazu. Was unumgänglich ist, ist von Person zu Person verschieden. Die einen haben eine kurze Zündschnur, andere bringt man kaum aus der Ruhe. Ich befinde mich so irgendwo zwischen diesen Extremen. Wo ordnest du dich ein?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Freitag, 30. Mai 2025

Neugier und Mitgefühl

Ein Zitat

Zwei neugierige Dohlen schauen neugierige von einem Altstadthaus in Bremgarten auf die Passanten herunter.
Foto © Jörg Niederer
"Die Menschen sind dankbar dafür, dass so viel Wohlwollen, so viel Solidarität da sind. Zum Beispiel, dass Nachbarn sie, ohne zu zögern, bei sich aufgenommen haben." Thomas Pfammatter, Pfarrer von Blatten

Ein Bibelvers - Apostelgeschichte 17,21

"Die Athener und auch die Fremden, die dort lebten, waren nämlich sehr neugierig. Sie kannten keinen besseren Zeitvertreib, als stets das Neueste in Erfahrung zu bringen und es weiterzuerzählen."

Eine Anregung

Immer, wenn etwas sehr Seltenes oder Einmaliges geschieht, schaut die Welt neugierig hin. Gerade ist dies wieder der Fall. Ein gewaltiger Bergsturz und Gletscherabbruch hat das Dorf Blatten unter sich begraben. Sofort ist da diese Mischung aus Sensationslust und Mitleid, aus Unglauben und "ich habe es immer schon gesagt". Ich merke, wie auch ich mich nicht ganz diesen ambivalenten Gefühlen entziehen kann. Die Medien bedienen den Gwunder, das Schauern. Gegen das ungute Gefühl, das schlechte Gewissen kann man ja an die Glückskette spenden. Hinschauen will man schon, will wissen, ob nun die Lonza noch weiteren Schaden anrichtet.

Den Betroffenen hilft das wenig. Für sie ist eine Welt zusammengebrochen. Was sie sich oft über Generationen aufgebaut haben, wurde mit einem lauten Getöse infernal wegradiert. Überlebt hat man gerade so, aber auch nicht mehr.

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Bergsturz ein Dorf, eine Siedlung unter sich begraben hat. Goldau hat es schon erlebt, Mattmark genauso. Aber all das ist Geschichte und Vergangenheit. Mit Blatten ist es jetzt, vor unseren Augen, geschehen. Dort im Tal haben viel ihren Urlaub verbracht, "einen unvergesslichen Bergsommer" im Lötschental erlebt, haben pittoreske, handgefertigte Masken erstanden und sie zuhause an die Wand gehängt. Vielleicht war man an einer Tschäggättä dabei, ist den wilden Gesellen begegnet, die in der Fastnachtszeit lärmend oder leise die Bewohner der Dörfer in Angst und Schrecken versetzt und sie mit Russ beschmierten haben. 

In einem Beitrag über den alten Brauch heisst es, man müsse dieses Treiben als "Überlebensstrategie" verstehen. Darum geht es nun in noch viel existenziellerer Weise: Um das Überleben in einer aus den Fugen geratenen Welt. Beten wir, für die Menschen aus Blatten, und beten wir dafür, dass es nun nicht noch Schlimmer wird dort hinten im Lötschental.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Donnerstag, 29. Mai 2025

Emporgehoben

Ein Zitat

Ein Abendrot-Foto sieht aus, als würde eine Hand vom Himmel hinuntergestreckt, um etwas oder jemand emporzuheben.
Foto © Jörg Niederer
"gehen / und / warten / dass licht einbricht / ins Dunkel / dass der Himmel / sich öffnet / dass die gnade / mich stützt" Harald Klein

Ein Bibelvers - Lukas 24,50+51

"Jesus führte sie aus der Stadt hinaus bis nach Betanien. Dann hob er die Hände und segnete sie. Noch während er sie segnete, entfernte er sich von ihnen und wurde zum Himmel emporgehoben."

Eine Anregung

Von diesem Foto weiss ich nicht, wo es fotografiert wurde und ob die Bildausrichtung der Realität vom 24. November 2019 entspricht. Gefunden habe ich es, als ich im Programm, mit dem ich meine Fotos ordne, der künstlichen Intelligenz den Auftrag erteilte, nach Himmelfahrt oder Auffahrt zu suchen. Viel Sinnvolles ist dabei nicht zusammengekommen. Unter anderen Bildern war auch ein Foto einer Karikatur von Donald Trump, und der hat nun wirklich nicht viel mit Himmelfahrt zu tun.

Wenn ich dieses Foto betrachte, dann sehe ich, wie jemand im Himmel seinen warm erleuchteten Arm zur Erde hinunterstrecken, um in seiner Hand etwas zu ergreifen und emporzutragen. Mir scheint, dass das ganz gut zum heutigen Feiertag passt, an dem wir an die Himmelfahrt Christi denken.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Mittwoch, 28. Mai 2025

Maifreuden

Ein Zitat

Gelbe Schwertlilien in einem Feuchtgebiet der Reussebene.
Foto © Jörg Niederer
"Eine verschenkte Iris [auch Schwertlilie genannt] sagt dem Beschenkten 'Ich stehe bedingungslos zu dir' und ist so ein Zeichen der Treue." Sprache der Blumen

Ein Bibelvers - Hohelied 2,1

"Ich bin eine Blume der Ebene Scharon, eine Lilie, die in den Tälern wächst."

Eine Anregung

Jetzt blühen sie wieder, die Gelbe Schwertlilie und ihre Schwester, die blaue Sibirische Schwertlilie. Für einmal sind wir ihretwegen extra in den Aargau gereist, in die Reussebene südlich des Flachsees. Gelbe und blaue Farbtupfen verstreut auf den weiten Nasswiesen verzauberten den Weg, den wir gingen. Das Schöne sprang ins Auge. Eine Wohltat für die Sinne.

Das wünsche ich uns allen: Dass wir die Blicke auch auf das Schöne und Gute richten können, ohne dass wir dadurch die Nöte dieser Welt aus den Augen verlieren.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Dienstag, 27. Mai 2025

Klimaentwicklung Schweiz

Ein Zitat

Neubauquartiere im Grossraum Zürich.
Foto © Jörg Niederer
"Wir fordern Taten, weil mit zu wenig Klimaschutz Menschenrechte verletzt werden." KlimaSeniorinnen Schweiz

Ein Bibelvers - Jesaja 24,5

"Die Erde wurde von ihren Bewohnern entweiht. Sie haben sich über Gottes Weisungen hinweggesetzt und seine Ordnungen missachtet. Sie haben den Bund gebrochen, der für immer gilt."

Eine Anregung

Es ist faszinierend, in den Karten auf der neuen Webseite OK KLIMA zu stöbern. Gemeinden und Kantone lassen sich dabei nach vielen Kriterien durchsuchen. So erfährt man etwa, das in der Gemeinde Wettingen 56% der Strassen mit Tempo 30 oder weniger signalisiert sind; sieht aber auch, dass noch fast die ganze Schweiz in dieser Sache überhaupt nicht vorangekommen ist. Wie gemessen wird, kann man unten links auf der Webseite abfragen, indem man auf den Knopf "Mehr erfahren" klickt.

Die Rubriken, die das Klima beeinflussen, lauten: Landmobilität, Gebäude, Energieversorgung, Ernährungssystem und Grünflächen, Konsumgüter und Freizeit, sowie Durchschnitt aller Bereiche.

Bei der Bodenversiegelung sieht es ähnlich aus wie bei Tempo 30. Da gibt es einige positive Ausreisser, wie etwa Cham, Oberrieden, Erlen oder Gaiserwald, die aber allesamt mit um die 60% undurchlässigem Boden immer noch schlechter abschneiden als etwa die englische Metropole London (50%). Randa ist dabei ein Musterschüler. In diesem Walliser Dorf sind nur gerade einmal 30% der Siedlungsfläche zubetoniert.

Auch spannend: Das Bundesamt für Umwelt empfiehlt, den Verbrauch von Elektrogeräte um 2/3 zu reduzieren von durchschnittlich CHF 588.- auf CHF 196 pro Jahr und Person. Nur ein Kanton bekommt hier die Note Genügend, nämlich der Kanton Waadt. Der Kanton St. Gallen gehört zu den Schlusslichtern mit der Note "Sehr schlecht". Nur leicht besser schliessen die beiden Kantone Appenzell und der Thurgau ab mit der Note "Ungenügend".

Im Moment ist auf dieser Webseite noch keine Entwicklung abfragbar. Dazu werden in der kommenden Zeit laufend neue Daten erhoben. Wer dabei mitwirken will, kann sich bei OK KLIMA melden.

Hinter dem Projekt und dem Prototypen stehen die Klima-Allianz Schweiz und die Alliance Digitale. Auch involviert ist die Universität St. Gallen und der Migros Pionierfonds.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Montag, 26. Mai 2025

Wie gefährlich wohnst du?

Ein Zitat

Überschwemmung in Reinach AG durch die hochgehende Wyna im Mai 1994.
Foto © Jörg Niederer
"Deine Sache wird gefährdet, wenn das Nachbarhaus brennt." Horaz (65-8 v.Chr.)

Ein Bibelvers - 4. Mose 16,31+32

"Gerade hatte Mose aufgehört zu reden, da spaltete sich der Erdboden unter Datan und Abiram. Die Erde öffnete ihren Rachen und verschlang sie alle: sie selbst mit ihren Familien, Korachs Leute und ihren ganzen Besitz."

Eine Anregung

Der Bergsturz bei Blatten wirft die Frage auf, wie sicher dass wir wohnen. Experten gehen davon aus, dass es Gefahren gibt, welche heute schon nahezu alle Regionen und Standorte in der Schweiz betreffen. Während in den Bergen Gerölllawinen und Bergstürze drohen, ist es im nördlichen Mittelland vor allem extreme Hitze. Überschwemmungen sind fast in der ganzen Schweiz wegen des zunehmenden Starkregens ein Problem.

Wer wissen möchte, wie gefährlich er oder sie wohnt, kann das auf einer Webseite über Naturgefahren hausgenau herausfinden. Zum Beispiel habe ich die Methodistenkirchen in St. Gallen und Weinfelden auf Naturgefahren abgefragt. Für die Wassergasse 19 in St. Gallen gibt keine Gefahren, einmal abgesehen von einem leicht erhöhten Erdbebenrisiko und der Möglichkeit, dass bei Starkregen oberflächlich eine Wassertiefe von 10-25 cm anfallen kann. Für die Hermannstrasse 10 in Weinfelden kann Hochwasser ein Problem werden, da vom angrenzenden Stadtbach Giessen eine geringe Gefährdung ausgeht. Auch Hagel ist ein Thema, und was auf dieser Webseite nicht ersichtlich ist: Es gibt hier ein grosses Hitzeproblem.

Letztlich ist aber kein Mensch ganz sicher und war es wohl auch noch nie. Wie gehst du damit um?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Sonntag, 25. Mai 2025

Ein Tag- und Nachtfalter

Ein Zitat

Ein Ockergelber Blattspanner, gefunden in der Reussebene bei Unterlunkhofen.
Foto © Jörg Niederer
"Erziehung ist alles. Der Pfirsich war einst eine Bittermandel, und der Blumenkohl ist nichts als ein Kohlkopf mit akademischer Bildung." Mark Twain (1835-1910)

Ein Bibelvers - Psalm 66,20

"Gepriesen sei Gott! Er hat mein Gebet nicht abgewiesen und seine Güte nicht von mir genommen."

Eine Anregung

Sonntage erinnern an die Auferstehung. Dafür sind Schmetterlinge oft Symboltiere.

Heute Sonntag grüsse ich mit einem Foto des Ockergelben Blattspanners. Der Nachfalter fliegt auch tagsüber. Sonst gibt es nicht viel Besonderes von ihm zu erzählen. Schön ist er allemal. Grossartig, würde ich sagen, wäre er nicht nur 30 Millimeter gross.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Samstag, 24. Mai 2025

Geisterunterscheidung

Ein Zitat

Am Kormoran scheiden sich die Geister. Bei Romanshorn gibt es um die 130 Brutpaare.
Foto © Jörg Niederer
"Und am 14. Juni 1946 blickte Gott auf sein geplantes Paradies und er sprach: 'Ich brauche einen Bewahrer, einen Hirten.' Also hat Gott Trump geschaffen." Aus einem Wahlkampfvideo, das von Donald Trump selbst geteilt wurde.

Ein Bibelvers - 1. Korinther 12,4+10

"Es gibt zwar verschiedene Gaben, aber es ist immer derselbe Geist... Ein anderer hat die Fähigkeit, Wunder zu tun. Ein anderer kann als Prophet reden. Und wieder ein anderer kann die Geister unterscheiden. Der Nächste redet in verschiedenen unbekannten Sprachen, ein weiterer kann diese Sprachen deuten."

Eine Anregung

Bei Romanshorn ist vielleicht die grösste Kormoran-Brutkolonie auf Schweizer Seite des Bodensees zu bestaunen. Hoch in den Wipfeln brüten an die 130 Brutpaare. Es ist ein Kommen und Gehen. Den einen gefällts, andere störts. An Kormoranen scheiden sich die Geister. Besonders den Berufsfischern sind sie ein Dorn im Auge. Denn Kormorane fressen Fische.

Es gibt noch mehr, an dem sich die Geister scheiden. Etwa Muslimische Gräberfelder auf dem Friedhof, oder Tempo-3o-Zonen, Autoposer, die Zeitumstellung, veganes Essen, usw.

Die Redensart von der Unterscheidung der Geister spielt auch in der Bibel eine grosse Rolle. Gemeint ist, dass jemand die Fähigkeit besitzt, zu erkennen, ob etwas von Gott kommt und in christlicher Sicht gewünscht ist, oder eben nicht. In Zeiten von Fake-News und urbanen Legenden ist es von zunehmender Wichtigkeit, genau diese Fähigkeit der Geistesunterscheidung zu haben.

Dass einige der einflussreichste Persönlichkeiten auf Unsinn anspringen, als wäre es die pure Wahrheit, ist ausgesprochen gefährlich. Dass es aber gerade viele Christ:innen sind, welche diese Menschen an die Macht gebracht haben oder bringen, zeugt davon, dass es in den frömmsten Kreisen oft nicht weit her ist mit der Unterscheidung der Geistern.

Notorischen Lügner haben nichts verloren in verantwortungsvollen Positionen, selbst wenn sie dann Gebetskreise im Regierungsgebäude einrichten, gegen die Abtreibung und Wokeness sind, und vieles mehr, was manchen christlichen Kreisen schmeichelt. Denn wie heisst es in der Bibel über die Lüge. "Der Herr verabscheut Lippen, die lügen. Tritt einer für die Wahrheit ein, gefällt es ihm." (Sprüche 12,22) Und Jesus selbst nennt in Johannes 8,44 den Teufel als Vater der Lüge: "Wenn er [der Teufel] lügt, so entspricht das genau seinem Wesen. Denn er ist ein Lügner, und alle Lüge stammt von ihm."

In Sache "Scheiden der Geister" sind Kormorane ein kleines Problem. Es gibt viel Dringlicheres, vor allem, dass christliche Kreise nicht immer wieder auf die Lügen der übelsten Zeitgenossen hereinfallen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Freitag, 23. Mai 2025

Dompfarrer Beat Grögli ist der neue Bischof

Ein Zitat

Beat Grögli (rechts) an der Vernissage der Fotoausstellung in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen, zusammen mit dem 2023 verstorbenen Fotografen Peter Frei.
Foto © Jörg Niederer
"Der Glaube an Jesus Christus hat mich zu einem herzlicheren Menschen gemacht." Bischof Beat Grögli (*1970)

Ein Bibelvers - Römer 12,10+11

"Liebt einander von Herzen als Brüder und Schwestern. Übertrefft euch gegenseitig an Wertschätzung. Lasst nicht nach in eurem Eifer. Lasst euch vom Geist anstecken und dient dem Herrn."

Eine Anregung

"In concordiam Christi", so lautet der Wahlspruch des neuen Bischofs von St. Gallen.

Seit heute wissen es die Gläubigen des Bistums St. Gallen; Dompfarrer Beat Grögli tritt die Nachfolge von Bischof Markus Büchel an. "Herzlich in Christus" ist ein schöner, passender Wahlspruch. Mich freut Beat Gröglis Wahl und Ernennung sehr, kenne ich ihn nun doch schon acht Jahre, und habe mit ihm gemeinsam verschiedene ökumenische Anlässe vorbereiten und durchführen dürfen. Ich denke gerne an die gediegenen, einfachen Essen bei ihm in der Wohnung im Dombezirk, an seine Herzlichkeit und Offenheit für neue Ideen, aber auch an seine analytische Begabung, besonders, wenn es darum geht, Situationen zu beurteilen und nach Wegen zu suchen, die weiterführen. Dass er sich für die weitere Öffnung der katholischen Kirche für Frauen in Leitungsaufgaben einsetzt, nehme ich im ab, auch wenn das wohl eine Knacknuss bleiben wird während seiner Amtszeit. Doch das liegt nicht an ihm, sondern an der weltweiten Römisch-katholischen Kirche mit ihren vielen verschiedenen Strömungen.

Bischöfe treten mit 75 Jahren in den Ruhestand, sofern der Papst ihnen nicht noch mehr Jahre oder Beförderungen "aufbrummt". Somit liegen nun 21 Jahre als Bischof vor Beat Grögli. Mögen es Segensjahre werden für ihn, das Bistum St. Gallen, die ganze Römisch-katholische Kirche und die ökumenische Christenheit.

Mehr über Bischof Beat Grögli erfährt man auf der Seite des Bistums St. Gallen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Donnerstag, 22. Mai 2025

20 Jahre Bibelgarten Gossau

Ein Zitat

Die Seerose ist einer der 110 Pflanzen im Bibelgarten Gossau. Vor 20 Jahren wurde er auf Initiative von Alois Schaller angelegt.
Foto © Jörg Niederer
"Ein Glanzstück von unserem Bibelgarten... Das ist die einzige Originalpflanze, die von Israel selbst kommt, und zwar von einem biblischen Ort. Beim Jakobsbrunnen ist sie gewachsen..." Alois Schaller, Initiant des Bibelgartens, über den Papyrus.

Ein Bibelvers - 2. Chronik 4,2f+­5

"Danach fertigte er das 'Meer' an. Das war ein aus Bronze gegossenes Wasserbecken... Die Wand des 'Meeres' war eine Handbreit dick. Sie hatte die Form eines Blütenkelches, etwa so wie eine Lotusblüte. Es fasste 60.000 Liter Wasser."

Eine Anregung

Der Bibelgarten in Gossau feiert sein zwanzigjähriges Bestehen. Rund 110 in der Bibel vorkommende Pflanzen können frei zugänglich besichtigt werden.

In der Schweiz gibt es nicht viel Ebenbürtiges. Am ehesten kommen die Klostergärten noch in Frage, wobei dort nicht die Spezialisierung auf biblische Pflanzen geschieht, sondern darauf, was als Gewürz, Nahrung und Heilkräuter traditionell angepflanzt wurde. Der jüngst auf Initiative eines Methodisten entstandenen Religionsgarten in Aarburg beinhaltet auch Pflanzen, die in den islamischen und jüdischen Schriften zu finden sind.

Das Jubiläum wird gefeiert. So findet am Freitag, 23. Mai 2025 von 17.30 - 20.30 Uhr ein Anlass für Familien und Erwachsene statt. Den Bibelgarten gilt es mit allen Sinnen zu entdecken. Am Sonntag, 31. August findet um 10.30 Uhr ein Gottesdienst statt, und am Samstag, 4. Oktober, dem Tag des Heiligen Franziskus von Assisi, werden im Bibelgarten Tiere gesegnet.

Aber auch sonst lohnt sich ein Spaziergang durch den schön gestalteten Bibelgarten. Es gibt dabei viel zu entdecken.

Wer will, kann den Garten auch von Zuhause aus besuchen. Fernsehen SRF hat zum 10-jährigen Jubiläum eine Reportage gestaltet, die man hier abrufen kann.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Mittwoch, 21. Mai 2025

Ein Himmel aus Schürzen

Ein Zitat

Der Bahnhof St. Gallen ist beflaggt mit 2000 gebrauchten Schürzen aus feinsten Spitzen.
Foto © Jörg Niederer
"Während der Arbeit gab es viele schöne Momente. Die Mithelfer freuten sich, Teil des Projekts zu sein." Projekt-Initiantin Denise Hofer

Ein Bibelvers - Psalm 78,26

"Dann liess er [Gott] den Ostwind am Himmel auffrischen und führte den Südwind mit Macht herbei."

Eine Anregung

Was macht man mit 8000 gebrauchten Servierschürzen aus feinsten St. Galler Spitzen? Besonders dann, wenn die Empfängerorganisation Offcut sich die Wiederverwertung und den bewussten Umgang mit Materialien zum Ziel gesetzt hat.

Nachdem 2000 der Schürzen nun im Bahnhof St. Gallen an einer 1500 Meter langen Girlande aufgehängt sind, wissen wir es. Daraus ist ein Kunstprojekt entstanden, um die Wegwerfmentalität zu thematisieren. Die Schürzen wurden zuvor alle gewaschen und faltenfrei gebügelt. Nun flattern sie im Wind. Zu einer Girlande geknüpft haben sie die Pensionär:innen der Alters- und Pflegeheime Sömmerli, GHG Rosenberg und Wienerberg sowie der Verein Mosaik.

Entstanden ist das "Schösslimeer" am Bahnhof, wo es bis Ende Juni bestaunt werden kann. "Verknüpft" nennt sich das Projekt, auch weil es Menschen im Entstehen der Girlanden und darüber hinaus verbunden hat. Die Installation sei der Abschluss. Entscheidend sei aber der gemeinsame Prozess der Gestaltung gewesen, so die Projekt-Initiantin Denise Hofer.

Besonders faszinierend ist es, wenn der Wind die Schössli wellenartig in Bewegung versetzt. Dazu lohnt es sich, einige Zeit zu diesem Himmel hinaufzuschauen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen 

Dienstag, 20. Mai 2025

Nach der Papst- die Bischofswahl

Ein Zitat

Der Bahnhof St. Gallen ist beflaggt mit unzähligen Schürzen.
Foto © Jörg Niederer
"Ach wie möchte ich eine arme Kirche für die Armen!" Bischof Markus Büchel (*1949)

Ein Bibelvers - 1. Samuel 10,21

"Dann liess er den Stamm Benjamin antreten, geordnet nach seinen Grossfamilien. Das Los fiel auf die Grossfamilie des Matri. Dann liess er die Grossfamilie des Matri antreten, und zwar Mann für Mann. Das Los fiel auf Saul, den Sohn des Kisch. Man suchte nach ihm, doch er war nirgends zu finden."

Eine Anregung

Nun ist es endlich soweit. Heute wird in St. Gallen der neue Bischof gewählt. Sechs Kandidaten wurden dafür benannt. Weiter wurde der Bahnhof St. Gallen dazu aufwändig und passend beflaggt.

Nein, natürlich steht die dort aufgehängte kilometerlange Girlande aus Serviceschürzen nicht im Zusammenhang mit dem neuen Bischof. Obwohl, ein Zeichen für Frauenrechte in der Römisch-katholischen Kirche könnte damit schon gegeben sein.

Auch wenn heute ein neuer Bischof für das Bistum St. Gallen gewählt wird, muss man sich noch zwei, drei Tage gedulden, bis sein Name bekannt gegeben wird. Denn erst muss Papst Leo XIV. die Wahl bestätigen.

Der Bischof von St. Gallen ist auch Apostolischer Administrator für die Kantone Appenzell Innerrhoden und Appenzell Ausserrhoden.

Der Tag der Bischofwahl beginnt um 9.00 Uhr in der Kathedrale mit einer öffentlichen Messfeier. Wie es dann weiter geht, darüber gibt eine spezielle Webseite Auskunft.

Übrigens: Morgen werde ich dann die Bedeutung der Schürzen im Bahnhof St. Gallen erklären.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Montag, 19. Mai 2025

Schmarotzende Schönheit

Ein Zitat

Zwischen den Gelben Frauenschuhen in Häuslenen gedeiht auch eine Vogel-Nestwurz.
Foto © Jörg Niederer
"Eliten beuten die Gesellschaft nach ihren extravaganten Bedürfnissen aus, sie haben einen hohen Verbrauch, sind meist unproduktiver in einem positiven Sinn für Mensch und Natur. Es sind Parasiten, die den Rest viel Energie und Entbehrungen kosten." Alonso Minas

Ein Bibelvers - Sprüche 29,4

"Durch das Recht bewahrt ein König das Land, durch hohe Steuern richtet er es zugrunde."

Eine Anregung

Auf den ersten Blick gleicht sie einer verwelkten Pflanze. Von den Pilzen, von denen die Vogel-Nestwurz schmarotzt, scheint sie nicht nur die Nahrung zu beziehen, sondern auch die Farbe. Die Orchidee ist häufig, aber auch häufig übersehen, besonders, wenn der Gelbe Frauenschuh sie eingekreist hat, und ihr farblich und auch sonst den Rang abläuft.

Die Vogel-Nestwurz ist ein Vollschmarotzer, ein Holoparasit. Das kann man leicht daran festmachen, dass sie kein grünes Chlorophyll für den Bezug von Nahrung aus der Sonnenenergie erzeugt. Stattdessen bezieht sie Wasser, Nährsalze und Assimilate unterirdisch von den umstehenden Bäumen, welche durch unterirdische Pilze diese Nährstoffe der Orchidee zuführen. Es handelt sich dabei um eine orchideentypische Mykorrhiza, eine Symbiose von Pilz und Pflanze. 

Die Vogel-Nestwurz kann sich vegetativ durch Ableger vermehren, aber auch durch Selbst- und Fremdbestäubung. Weiter kann sie unterirdisch blühen und sich befruchten. Bis sie aber blüht, dauert es 9 Jahre. Dann findet man die Orchidee häufig in Gesellschaft mit Seggen und Rotbuchen.

Schmarotzertum oder symbiotische Zusammenarbeit? Bei der Vogel-Nestwurz ist beides denkbar. Vermutlich ist es so, dass auch die mit ihr gekoppelten Bäume und Pilze etwas von der Orchidee haben. Vielleicht entgiftet sie den Boden in deren Umgebung. Von anderen Pflanzen ohne Chlorophyll kennt man diese Funktion.

Eines ist sicher: Es gibt in Gottes Welt noch viel zu entdecken.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Sonntag, 18. Mai 2025

Eine Frau für die Frauenschuhe

Ein Zitat

Versteckt im Wald finden sich bei Häuslenen wunderschöne Frauenschuh-Orchideen.
Foto © Jörg Niederer
"Eine Orchidee in einem tiefen Wald verströmt ihren Duft, auch wenn niemand in der Nähe ist, der ihn zu schätzen weiß." Konfuzius (551-479 v.Chr.)

Ein Bibelvers - Ezechiel 16,14

"Deine Schönheit war bei allen Völkern bekannt. Sie wurde durch meinen Schmuck vollendet, den ich dir angelegt hatte. – So lautet der Ausspruch von Gott, dem Herrn."

Eine Anregung

Heute haben wir die Frauenschuh-Orchideen in Häuslenen besucht. Die meisten von ihnen stehen in voller Blütenpracht. Einige sind noch kurz davor.

An besagtem Ort trafen wir zufällig auch die Frau, welche seit Jahren dafür sorgt, dass es den Frauenschuhen gut geht. Ursula Graf ist die Herrin der Orchideen von Häuslenen. Meinen Respekt hat die Seniorin, die, wie sie sagt, noch kein Foto "ihrer" Frauenschuhe zuhause hat. Das wird sich nun aber bald ändern.

Ich wünsche allen einen gesegneten, blühenden Sonntag.

Nebenbei: Unter den Frauenschuhen von Häuslenen hat sich noch eine weitere verwunderliche Orchidee versteckt. Über sie gibt es dann morgen mehr zu erfahren.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Samstag, 17. Mai 2025

Fenster

Ein Zitat

Fenster an einem baufälligen Haus in Montmirail.
Foto © Jörg Niederer
"In Wahrheit gibt es nur ein einziges Licht, das durch unterschiedliche Fenster scheint und uns durch die Person jedes einzelnen Propheten erreicht." Rumi (1207-1273)

Ein Bibelvers - Daniel 6,11

"Als Daniel von der Vorschrift erfuhr, ging er in sein Haus. Im oberen Stockwerk hatte es offene Fenster, die in Richtung Jerusalem zeigten. Dreimal am Tag kniete er dort nieder, um zu beten und Gott zu preisen. Das machte er schon immer so."

Eine Anregung

Manche kaputten Dinge funktionieren nicht mehr. Bei den Fenstern ist das anders. Selbst aus kaputten Fenstern kann man schauen, und Licht dringt durch ihre Öffnungen in die Räume dahinter. Fenster bleiben Fenster.

Vielleicht ist das auch ein Bild für uns Menschen. Wir sind vielfältig versehrt, haben manche Macken, können grausam sein und selbstzerstörerisch, doch bleiben wir geschaffen nach dem Bild Gottes. Doch kann das göttliche Licht uns erhellen und verzaubern.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Freitag, 16. Mai 2025

Hoffnung

Ein Zitat

Aussicht von Montmirail über das Mittelland zu den Alpen. Am Himmel fahren die Wolkenschiffe.
Foto © Jörg Niederer
"Hoffen macht innerlich weit." Ernst Bloch (1885-1977)

Ein Bibelvers - Sprüche 13,12

"Unerfüllte Hoffnung zermürbt das Herz. Aber ein erfüllter Wunsch ist ein Baum des Lebens."

Eine Anregung

Die folgenden Textausschnitte stammen aus einem Interview mit der Philosophieprofessorin Claudia Blöser. Das ganze Gespräch ist abgedruckt im Magazin der Reformierten "bref" Nr.3/2025 vom 11. April (Hinter der Paywall). Claudia Blöser denkt darin über Hoffnung nach auf der Basis ihrer Erfahrung und der Gespräche mit ihrer Schwester, welche sehr früh an Krebs verstorben ist. Unvermeidliches wird dabei zur Basis reflektierter Hoffnung.

"Es gibt Menschen, die noch Autos kaufen, obwohl sie wissen müssten, dass sie sehr bald sterben werden." (Mein Kommentar dazu: Bei dieser Aussage frage ich mich, ob das nicht Ähnliches ist, was im Luther (fälschlicherweise) zugeschriebenen Zitat ausgesagt wird: "Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.")  

"Die einen sagen: Wenn sich Hoffnung auf etwas bezieht, was ganz klar nicht mehr erfüllt werden kann, ist es keine Hoffnung mehr, sondern Illusion. Andere sagen: Man kann auf auf das Unmögliche hoffen, obwohl das unvernünftig ist. Auch eine Illusion kann jemandem guttun."

"... das macht Hoffnung auch aus: Sie ist flexibel, ein Prozess. Jemand gibt eine Hoffnung auf, dadurch kann eine neue entstehen. Auch verschiedene, nicht kompatible Hoffnungen können gleichzeitig da sein. Hoffnung ist ein bunter Flickenteppich."

"Ich denke schon, dass man hoffen kann, ohne religiös zu sein. Auch in dem Fall nimmt man an, dass die Zukunft von Faktoren abhängt, die man nicht kontrollieren kann. Zum Beispiel von der Natur oder von anderen Menschen, aber nicht von einer höheren Macht."

"Hoffnung und Angst gehen oft Hand in Hand, sind aneinandergekettet, so hat es Spinoza ausgedrückt."

"Es gibt ja diesen Satz des Tschechen Václav Havel, der in letzter Zeit viel zitiert wird: 'Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.'"

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen 

Donnerstag, 15. Mai 2025

Verhunzt oder Vermenschlicht

Ein Zitat

Auf einem Spaziergang mit einem Hund aus dem Tierheim.
Foto © Jörg Niederer
"Unter hundert Menschen liebe ich nur einen, unter hundert Hunden neunundneunzig." Marie von Ebner-Eschenbach (1830-1916)

Ein Bibelvers - Apostelgeschichte 27,3

"Und am nächsten Tag kamen wir in Sidon an; und Julius verhielt sich freundlich gegen Paulus und erlaubte ihm, zu seinen Freunden zu gehen und sich pflegen zu lassen."

Eine Anregung

Gestern meinte jemand, man könne auch kirchliche Lieder verhunzen. "Verhunzen", woher kommt dieses Wort. Ich habe nachgeschaut. DWDS, der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute gibt folgende Erklärung: "hunzen Vb. (heute ungeläufig, doch noch mundartlich) ‘jmdn. einen Hund nennen, wie einen Hund behandeln, wie einen Hund beschimpfen’; danach ‘schinden, plagen’ und ‘verderben’ ..., wofür heute allgemein verhunzen Vb. (um 1700; literatursprachlich durch Lessing). Das Verb ist eine nhd. Bildung zu Hund wie duzen zu du, siezen zu Sie."

Genau so habe ich es vermutet. Eine solche Herleitung wirft auch ein Licht auf den schlechten Umgang insbesondere mit Hunden und im Allgemeinen mit Tieren. Hunde werden krankgezüchtet, ausgesetzt, getreten, mit Steinen beworfen, vergiftet, man ertränkt sie in einem Sack, sie werden ins Tierheime gebracht, eingeschläfert und noch in manch weiterem Mass misshandelt. Zugleich seien Hunde die besten Freunde der Menschen. Wie geht das zusammen?

Auf der anderen Seite der Skala spricht man davon, dass Hunde oft vermenschlicht würden. Eigenartiger Weise hat hier der Bezug auf den Menschen eine zwiespältige Bedeutung. Wenn Menschen wie Menschen behandelt werden, dann ist das gut. Aber wenn das mit Tieren geschieht, dann ist es, als würde man diesen zu viel Ehre antun.

Andererseits sind es doch gerade wir Menschen, die überhaupt erst etwas verhunzen können. Einen Hund vermenschlichen würde folglich bedeuten, dass auch dem Hund zugetraut wird, dass er Hund und Menschen verhunzen kann. Sprache ist kompliziert.

Bleibt die Ausgangsfrage: Kann ein Lied verhunzt, also ausgesetzt, getreten, mit Steinen beworfen, vergiftet, ertränkt, ins Liedheim gebracht, eingeschläfert und misshandelt  werden? Kann es verhätschelt werden, verwöhnt, überfüttert...?

Eines haben Hunde und Menschen gemeinsam, sie können beide singen, wie dieses Video beweist. Oder auch, wie dieser Dackel, der es auf Kommando tut.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen


Mittwoch, 14. Mai 2025

Christlicher Spass

Ein Zitat

Dennis Thielmann, angeleuchtet von bunten Farben, stellt sich an der Pfarrweiterbildung der Methodist:innen vor.
Foto © Jörg Niederer
"Der ganze Gottesdienst hat eine Körpersprache." Dennis Thielmann

Ein Bibelvers - Psalm 116,17

"Dir will ich ein Dankopfer darbringen und dabei den Namen des Herrn anrufen."

Eine Anregung

Dennis Thielmann ist Musikproduzent, Bandcoach und Theologe. Am gestrigen Dienstag referierte er zum Thema "Musik und Glaube - über Harmonie und Dissonanz" an der Pfarrweiterbildung der Evangelisch-methodistischen Kirche in Montmirail. Im Folgenden gebe ich einige seiner Kern- und Nebensätze wieder. 

"Unser Lobpreis hat ein bestimmtes theologisches Rückgrat." 

(Sinngemäss) "Da singen wir Lieder mit Texten wie 'So bist nur du, Gott. Wer kann uns jemals hindern.' Spätestens im Stau auf der Autobahn weiss man es besser."

Zur Täufermentalität: "Wenn es Spass macht, ist es nicht christlich." 

Auch in der Lobpreiskultur gilt: "Man kann auf beiden Seiten vom Pferd fallen."

"'Selig sind die, die euch schmähen und verfolgen...' wer will schon darüber singen?"

Im Blick auf seine durch Forschung verlorene Unbeschwertheit beim Singen von Lobpreisliedern: "Ich kann nicht mehr in einen Gottesdienst gehen, ohne Lieder zu analysieren. Ich muss für mich eine ganz andere Form von Anbetung finden."

Musikerwitz: "Wie bringt man einen Violinisten dazu, nicht mehr zu spielen? Man nimmt ihm die Noten. Wie bringt man einen Gitarristen dazu, nicht mehr zu spielen? Man gibt ihm Noten."

"Viele leiten den Lobpreis mit den Worten ein: 'Wir kommen jetzt in die Gegenwart Gottes'. Dann kommt der Lobpreis. Wen wir diese einleitende Floskel ernst nehmen, müsste es doch nach dem Lobpreis heissen: 'Wir verlassen nun die Gegenwart Gottes.' Es folgt die Predigt..."

Zur Aufforderung, bei manchen Musikstücken die Augen zu schliessen: "Kann man Gott auch mit offenen Augen sehen, oder nur mit geschlossenen?"

Lobpreis als Anbetung und Huldigung Gottes: "Das braucht Gott nicht. Ich brauche das."

"Die Bibel ist das Problem." (Mein Kommentar: Genau habe ich nicht verstanden warum. Aber gesagt ist gesagt.)

"Die Qualität der Musik ist enorm wichtig. Aber wichtiger ist die Qualität des Miteinanders."


Zu Dennis Thielmann (*1978): Aufgewachsen ist er in einer mennonitischen Gemeinschaft in Paraguay. Seit 2017 arbeitet er als Bildungsreferent im Bereich Musik & Theologie am Bildungszentrum Bienenberg und leitet zusammen mit seiner Frau Karin seit 2020 das von ihnen gegründete Musikprojekt "Songs of Peace". Er studierte Pop- und Jazzmusik in Argentinien und Theologie in Paraguay und in der Schweiz, und lebt mit seiner Familie auf dem Bienenberg in Liestal, Schweiz.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen


Dienstag, 13. Mai 2025

Ein Trank, der heilt

Ein Zitat

Ein Goldstaub-Taggecko labt sich im Gewächshaus des Botanischen Gartens St. Gallen am Nektar einer Dyckia-Blüte.
Foto © Jörg Niederer
"Jeder braucht Brot, das ihn sättigt; / jeder den Trank, der ihn heilt; / jeder ein Wort, das ihn froh macht; / jeder ein Leben, das bleibt." Hartmut Handt (*1940)

Ein Bibelvers - Sprüche 30,28

"Die Eidechse kann man mit Händen fangen, aber sogar in Königspalästen geht sie ein und aus."

Eine Anregung

Nein, ich war nicht schnell einmal in Madagaskar, und auch nicht im Terrarium eines Zoos. Ich war im Botanischen Garten St. Gallen. Dort gedeihen nicht nur viel Pflanzen, sondern unerwarteter Weise auch einige Tierchen. Dem Goldstaubgecko gefällt es offensichtlich gut. Er findet alles, was es zum Leben braucht. Die bunten kleinen Tierchen huschen überall herum und geniessen die Vielfalt der Pflanzen und das feuchtwarme Klima. Wer weiss, vielleicht finden die Geckos unter dem Glasdach genau den Trank, der sie nicht nur stärkt, sondern auch heilt.

Übrigens: Im Botanischen Garten findet am 2. September 2025 der Eröffnungsanlass zur Schöpfungszeit statt mit einer Flechten-Spezialistin, Führungen durch die Pflanzenwelt, einer gottesdienstlichen Feier und natürlich auch mit "Brot, das ... sättigt" und mehr. Thema: "Konkurrenz und Symbiose". Am Besten reserviert man sich diesen Abend ab 18.00 Uhr schon einmal in der Agenda.

Montag, 12. Mai 2025

Musik in Montmirail

Ein Zitat

Eine Gewitterwolke bildet sich in der Drei-Seen-Region über Montmirail zwischen Bieler und Neuenburgersee.
Foto © Jörg Niederer
"Ich frage mich dann, warum es in vielen gottesdienstlichen Liedern (und auch Predigten) so oft um 'immer mehr' und 'immer höher' und 'immer weiter' geht. Ist es denn nie gut genug? Warum können wir nicht öfters einfach dankbar feststellen, was bereits ist, was wir schon sind und haben?" Dennis Thielmann (*1978)

Ein Bibelvers - Hebräer 4,14

"Der Herr, dein Gott, ist in deiner Mitte, er ist ein starker Held, der Rettung bringt. Er freut sich sehr über dich und geht in seiner Liebe über deine Fehler hinweg. Er jubelt über dich voller Begeisterung."

Eine Anregung

Heute beginnt die freiwillige Pfarrweiterbildung der Evangelisch-methodistischen Kirche im Gästehaus der Communität Don Camillo in Montmirail. Hier befand sich von 1766-1988 ein Mädchenpensionat der Herrnhuter Brüdergemeine. Danach übernahm die Communität Don Camillo Schloss und Länderei.

Der Ort ist eine Wohltat. Hier kann man sich in die Gemeinschaft der Communität einfügen, oder auch die vielen touristischen Möglichkeiten in der Region nutzen. Aber in den knapp zwei Tagen Schulung wird es für die Pfarrpersonen zuerst um Musik gehen. "Musik und Glaube - über Harmonie und Dissonanz" lautet das Schulungsthema. Als Gast dabei ist Musikproduzent, Bandcoach und Theologe Dennis Thielmann (*1978). Als Vorbereitung habe ich einige seiner Blog-Beiträge, geschrieben im Rahmen der Mennonitischen Bibelschule Bienenberg, überflogen. Nun freue ich mich auf diese Zeit, auch wenn ich wohl kaum selbst gross in die Lieder einstimmen kann. Noch wirkt die Erkältung unangenehm auf die Klarheit der Stimme ein. Mit der Singstimme ist es bei mir aber sowieso nicht weit her. Ich bin keine Sänger. Dafür hat Gott, so bin ich überzeugt, die Vögel erschaffen. Aber musikinteressiert bin ich schon. Bei Vögeln und bei Menschen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Sonntag, 11. Mai 2025

Mehr Leben

Ein Zitat

Der trapezförmige Kreuzgang des ehemaligen Klosters Gnadenthal ist für die Senior:innen des heutigen Altersheims reserviert.
Foto © Jörg Niederer
"Nicht dem Leben mehr Tage geben, sondern den Tagen mehr Leben." Cicely Saunders (1918-2005)

Ein Bibelvers - Hebräer 4,14

"Am Glückstag sei guter Dinge, am Unglückstag aber denke daran: Den einen wie den anderen hat Gott gemacht."

Eine Anregung

In der vergangenen Woche habe ich im Altersheim, in dem meine Mutter zu Gast sein darf, einen Abend besucht, an dem der Umgang mit Palliative Care im Haus erklärt wurde. Nebst Angehörigen waren auch einige Pensionär:innen anwesend. Ich sass neben einer sehr gebrechlich wirkenden Frau.

Die Präsentation endete mit einer Folie eines Sonnenaufgangs und dem oben abgedruckten Zitat von Cicely Saunders, der Begründerin der modernen Palliativmedizin. Da meinte die Pensionärin zu mir: "Das ist ein gutes Zitat."

Recht hat sie. Und so wünsche ich uns, und vor allem auch den Frauen und Müttern, für diesen Sonntag, dass es ein Tag wird voller Leben.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Samstag, 10. Mai 2025

Rosarote Erkältung

Ein Zitat

Ein Graureiher steht im Bodensee, während die Sonne das Wasser rosarot färbt.
Foto © Jörg Niederer
"Stets trug nur ein Tuch statt des Wamses auch bei Regen der selige Ramses. Er erkältet sich sehr und verlor sein Gehör. Da sagte sein Arzt: Na, da hamses!" Edward Lear (1812-1888)

Ein Bibelvers - Psalm 51,9

"Reinige mich mit einem Büschel Ysop, dass ich von meiner Schuld frei werde. Wasch mich rein, weisser als Schnee!"

Eine Anregung

Manchmal beginnt das Leben im wunderbaren Schein der Morgensonne zu leuchten, und manchmal ist man erkältet. In meinem Fall dürft ihr dreimal raten.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Freitag, 9. Mai 2025

Das Jenseits im Radio- und Fernsehstudio

Ein Zitat

Bücher beim Schweizer Radio und Fernsehen, Studio Zürich Leutschenbach, mit "Jenseits"-Ablage für die Entsorgung.
Foto © Jörg Niederer
"Mensch, wirst du nicht ein Kind, so gehst du nimmer ein, / wo Gottes Kinder sind: Die Tür ist gar zu klein." Angelus Silesius (1624-1677)

Ein Bibelvers - 1. Petrus 3,18+19

"Christus hat einmal für die Sünden gelitten: Der Gerechte litt für die Ungerechten. So sollte er euch zu Gott führen: Sein Körper wurde zwar am Kreuz getötet, aber durch den Geist Gottes wurde er wieder lebendig. Dabei ging er auch zu den Geistern ins Gefängnis und verkündete die Gute Nachricht."

Eine Anregung

Gestern besuchten Vertreter:innen der Arbeitsgemeinschaften Christlicher Kirchen von Zürich und St. Gallen-Appenzell das Radio- und Fernsehstudio Zürich Leutschenbach. Nebst einer Führung durch die Aufnahmeräume kam es auch zu einem längeren Gespräch mit dem SRF-Religionsexperten Norbert Bischofberger. Dass dieses Gespräch zustande kam, ist dem Konklave in Rom zu verdanken. Hätten die Kardinäle den neuen Papst Leo XIV. noch schneller gewählt, wären es wohl nicht mehr zur Audienz gekommen bei diesem sympathischen Redaktor und Moderator des Schweizer Fernsehens.

Doch mir ist während der Führung ein Detail ins Auge gesprungen, von dem ich erzählen will. Dort im SRF-Studio gibt es nicht nur Elektronik, sondern auch gewöhnliche Bücher. Es sind für diesen grossen Betrieb nicht besonders viele, aber sie laden ein zum Lesen. Seit ich an diesem Bücherschrank vorbeigekommen bin, weiss ich, dass das Jenseits im Leutschenbach zu finden ist. Dort auf einer Kiste steht: "JENSEITS" und etwas kleiner darunter: "BÜCHER ZU ENTSORGEN". "Jenseits" und "Entsorgen"; zwei religiöse Begriffe an einem unverdächtigen Ort. Die Leute dort scheinen Humor zu haben. 

Ob das Kästchen ein magischer Durchlass ins Jenseits ist? In ihr lagen gerade keine Bücher. Verschwinden sie, wenn sie hineingelegt werden, und tauchen auf der anderen Seite der Wirklichkeit wieder auf, entweder im Himmel oder in der Hölle oder im Nirvana? Vermutlich geht das nicht magisch vor sich, sondern händisch. So ist doch die Aussage "Bücher zu entsorgen" eher als Imperativ zu verstehen. Sonst müsste es "Bücher zum Entsorgen" heissen.

Nun überlege ich, ob ich meine nun nicht mehr benötigten Bücher, die ich am Ende meiner beruflichen Laufbahn entsorgen will, nicht ins Radio- und Fernsehstudio bringe. Dann finden sie bestimmt einen sorgenfreien Weg ins Jenseits und damit in den Bücherhimmel.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Donnerstag, 8. Mai 2025

Waffenschweigen

Ein Zitat

Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin setzt mit ihrer Turmruine ein ein beeindruckendes Zeichen gegen den Krieg.
Foto © Jörg Niederer
"Friede, Friede, Friede sei mit dir. Nicht jenes Warten wenn die Waffen schweigen, wenn sich noch Furcht mit Hass die Waage hält, wenn sich Verlierer vor den Siegern beugen, nicht der Friede dieser Welt." Manfred Siebald

Ein Bibelvers - Jesaja 32,17+18

"Die Gerechtigkeit sorgt für Frieden, sie bringt Ruhe und Sicherheit für alle Zeiten. Dann wohnt mein Volk an einem Ort des Friedens, es lebt in Sicherheit und sorgloser Ruhe."

Eine Anregung

Es war der 8. Mai vor 80 Jahren, als Deutschland bedingungslos kapitulierte. Doch der 2. Weltkrieg war damit noch nicht zu Ende. Es dauerte in einigen Weltteilen noch weitere Wochen und Monate, bis am 2. September 1945 die Waffen überall schwiegen.

Wobei: Wann sind schon auf der ganzen Welt die Waffen verstummt? Seit dem Ende des 2. Weltkriegs haben unzählige Stellvertreterkriege getobt, und gerade jetzt sind weitere aktuelle Kriege im Bewusstsein der Welt. Am Schlimmsten ist es wohl gerade im Sudan. Uns näher sind die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten. in der Demokratischen Republik Kongo sind auch Methodist:innen von den Kämpfen um Macht und Rohstoffe betroffen. Und dann wäre da noch der Zollkrieg, der das gegenwärtige Gefüge der Welt untergräbt. Ein weiterer Krieg, an dem wir im Westen mitwirken, findet gegen flüchtende Menschen statt. Längst schon geht es darum, möglichst zu verhindern, dass die Not der andern uns im wohlhabenden und nun schon 80 Jahre lang sicheren Westen zu nahe kommt.

Der 2. Weltkrieg ist zu Ende. Dafür können wir dankbar sein. Aber Frieden ist noch immer in weiter Ferne. Wie sehr sehnen sich doch viele Menschen danach. Beten wir fürs Waffenschweigen. Beten wir, dass Frieden werde.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen