Donnerstag, 3. Juli 2025

Schweben

Ein Zitat

Ein Weibchen der Gemeinen Schattenschwebefliege sitzt auf der Blüte eines Storchenschnabels.
Foto © Jörg Niederer
"Zu schweben vor Glück ist die schönste Art der Fortbewegung." Angelika Emmert (*1968), Standesbeamtin

Ein Bibelvers - Hiob 26,6+7

"Nackt liegt die Unterwelt vor Gottes Augen. Keine Decke verbirgt den abgründigen Ort. Er spannt den Himmel aus über dem Nichts, verankert die Erde in vollkommener Leere."

Eine Anregung

Männchen der Gemeinen Schattenschwebefliege können oft schwebend in der Luft an einer Stelle verharren. Weibchen dagegen sind eher flugfaul. Schön sind sie allemal. 7-11 Millimeter kleine Juwelen.

"Kleines und Grosses in Wort und Bild" heisst das Thema im Club 60+ vom 10. Juli in der Evangelisch-methodistischen Kirche Bäretswil. Dann werde ich um 14.30 Uhr so einige Beobachtungen von Kleinem und Grossem präsentieren. Diese Schwebefliege wird auch dazugehören. So etwas Schönes kann man nur bewundernd teilen. 

Die harmlosen Insekten sind nicht nur schön, sondern auch nützlich. Ihre Larven ernähren sich von Blattläusen. Und die Fliegen selbst helfen bei der Bestäubung der Pflanzen, die sie besuchen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Mittwoch, 2. Juli 2025

Frauenfussball ist besser

Ein Zitat

St. Gallen ist bereit für die Frauenfussball-Europameisterschaft. Beflaggung zur UEFA-Women's-Euro Switzerland 2025 in der Altstadt.
Foto © Jörg Niederer
"Die wahre Größe eines Menschen zeigt sich in der Niederlage, nicht im Triumph." Marcel Roffler (*1969)

Ein Bibelvers - 2. Korinther 12,10

"Deshalb freue ich mich über meine Schwäche – über Misshandlung, Not, Verfolgung und Verzweiflung. Ich erleide das alles gern wegen Christus. Denn nur wenn ich schwach bin, bin ich wirklich stark."

Eine Anregung

Heute beginnt in der Schweiz die Frauenfussball-Europameisterschaft. In St. Gallen, einem der Austragungsorte, ist die Altstadt entsprechend beflaggt.

Interessant finde ich, dass noch immer über die Verschiedenheit von Frauen- und Männerfussball diskutiert wird. Da ist ein Kommentar von Stefan Schmid im St. Galler Tagblatt überschrieben mit "Frauenfussball: Jeder Vergleich mit Männern ist Schwachsinn". Und dann folgt genau das: Ein Vergleich von Frauen- und Männerfussball. Heisst das, dass das was im im Kommentar geschrieben steht, nun Schwachsinn ist? Lassen wir das einmal so dahingestellt.

Ich finde, Frauenfussball ist besser. Er ist weniger kommerzialisiert. Er ist idealistischer. Die Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter müssen sich weniger vor Gewalt fürchten. Frauenfussball ist ein Familienfest mit deutlich weniger Aggression in den Fansektoren. Frauenfussball ist auch inklusiver, sowohl in den Köpfen wie auch in der Realität.

So, jetzt habe ich es auch getan. Ich habe verglichen. Habe ich damit Schwachsinn produziert? Lassen wir auch das so dahingestellt.

Wie schreibt doch Paulus in der Bibel: "Denn nur wenn ich schwach bin, bin ich wirklich stark." Auf den Sport übertragen hiesse dass wohl: "Die wahre Größe eines Menschen zeigt sich in der Niederlage." 

Da hoffe ich nun, dass das Schweizer Frauenteam (fast hätte ich "Frauennationalmannschaft" geschrieben) im Turnier nicht zu schnell und nicht zu oft ihre wahre Grösse zeigen muss.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Dienstag, 1. Juli 2025

Der nackte Jesus

Ein Zitat

Das Altarbild nach einem Entwurf von Martin Disteli in der christkatholischen Stadtkirche Olten.
Foto © Jörg Niederer
"Wie schad, dass ich kein Pfaffe bin / Das wäre so mein Fach. / Ich bummelte durchs Leben hin / Und dächt' nicht weiter nach." Wilhelm Busch (1832-1908)

Ein Bibelvers - Matthäus 25,31-32

Jesus: "Der Menschensohn wird wiederkommen in seiner Herrlichkeit mit allen Engeln. Dann wird er sich auf seinen Herrscherthron setzen. Alle Völker werden vor dem Menschensohn versammelt. Er wird sie in zwei Gruppen aufteilen – wie ein Hirte, der die jungen Ziegenböcke von der Herde trennt."

Eine Anregung

"Ich kann es mir einfach nicht vorstellen, dass Jesus Christus, einem Putin oder indischem Guru gleich, mit nackten Oberkörper dereinst die Menschen richten wird." Solche Gedanken gingen mir durch den Kopf, als ich das von Martin Disteli entworfene und von Sebastian Gutzwiller 1845 erstellte Altarbild des Jüngsten Gerichts in der Stadtkirche Olten betrachtete.

Nun weiss ich nicht, ob Martin Disteli in seinen Skizzen Jesus wirklich so darstellen wollte. Gutzwiller hat einige der Figuren, die im Original nackt dargestellt sind, bekleidet (siehe Ausschnitt der Originalskizze!). So etwa der Mann und die Frau, welche rechts im Bild an einem Ast hängend dargestellt sind. Gutzwillers Eingriffe in das Bild haben es für die fromme Seele "bekömmlicher" werden lassen. Der liberale Disteli, als Vater der Schweizer Karikatur bekannt und seiner Religionskritik wegen als Pfaffenfresser verschrien, war sowieso eine ungewöhnliche Wahl für die Erstellung eines geistlichen Gemäldes.

Zurück zum nackten oder halbnackten Jesus. Dort in der Stadtkirche Olten bemerkte ich, dass Jesus auch sonst mehr nackt als bekleidet dargestellt wird. Auf einem Gemälde ist er als nacktes Jesuskind mit Maria abgebildet. Auf einem anderen hängt er nur mit Lendenschurz bekleidet nackt am Kreuz. Auch auf zwei Kruzifixen, die vor den beiden Gemälden stehen, hat der Heiland nicht mehr viel an. Dann ist da das Bild von der Darbringung Jesu im Tempel. Auch da ist das Jesuskind unbekleidet. Lediglich auf einem der Gemälden in der Kirche ist Jesus bekleidet.

Während die Nacktheit bei Geburts- und Kreuzigungsszenen noch nachvollziehbar ist, fällt sie beim Weltenrichter Christus schon etwas aus dem Rahmen. Vermutlich musste der Oberkörper teilweise oder ganz entblösst sein, damit man als Erkennungszeichen die Narbe auf der linken Brustseite sieht. Diese wurde dem Gekreuzigten ja durch römische Soldaten zugefügt. Zwingend nötig ist diese Nacktheit nicht. Da ist der Lichtglanz und die ganze Szenerie, die keinen andern Schluss zulassen, als dass es sich hier um den endzeitlich richtenden Christus handelt.

Also warum diese Obsession der kirchlichen Kunst an der Nacktheit von Jesus Christus? Vielleicht hat jemand, der das hier liest, eine einleuchtende Erklärung.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen