Ein Zitat
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Foto © Jörg Niederer |
"Wie schad, dass ich kein Pfaffe bin / Das wäre so mein Fach. / Ich bummelte durchs Leben hin / Und dächt' nicht weiter nach." Wilhelm Busch (1832-1908)
Ein Bibelvers - Matthäus 25,31-32
Jesus: "Der Menschensohn wird wiederkommen in seiner Herrlichkeit mit allen Engeln. Dann wird er sich auf seinen Herrscherthron setzen. Alle Völker werden vor dem Menschensohn versammelt. Er wird sie in zwei Gruppen aufteilen – wie ein Hirte, der die jungen Ziegenböcke von der Herde trennt."
Eine Anregung
"Ich kann es mir einfach nicht vorstellen, dass Jesus Christus, einem Putin oder indischem Guru gleich, mit nackten Oberkörper dereinst die Menschen richten wird." Solche Gedanken gingen mir durch den Kopf, als ich das von Martin Disteli entworfene und von Sebastian Gutzwiller 1845 erstellte Altarbild des Jüngsten Gerichts in der Stadtkirche Olten betrachtete.
Nun weiss ich nicht, ob Martin Disteli in seinen Skizzen Jesus wirklich so darstellen wollte. Gutzwiller hat einige der Figuren, die im Original nackt dargestellt sind, bekleidet (siehe Ausschnitt der Originalskizze!). So etwa der Mann und die Frau, welche rechts im Bild an einem Ast hängend dargestellt sind. Gutzwillers Eingriffe in das Bild haben es für die fromme Seele "bekömmlicher" werden lassen. Der liberale Disteli, als Vater der Schweizer Karikatur bekannt und seiner Religionskritik wegen als Pfaffenfresser verschrien, war sowieso eine ungewöhnliche Wahl für die Erstellung eines geistlichen Gemäldes.
Zurück zum nackten oder halbnackten Jesus. Dort in der Stadtkirche Olten bemerkte ich, dass Jesus auch sonst mehr nackt als bekleidet dargestellt wird. Auf einem Gemälde ist er als nacktes Jesuskind mit Maria abgebildet. Auf einem anderen hängt er nur mit Lendenschurz bekleidet nackt am Kreuz. Auch auf zwei Kruzifixen, die vor den beiden Gemälden stehen, hat der Heiland nicht mehr viel an. Dann ist da das Bild von der Darbringung Jesu im Tempel. Auch da ist das Jesuskind unbekleidet. Lediglich auf einem der Gemälden in der Kirche ist Jesus bekleidet.
Während die Nacktheit bei Geburts- und Kreuzigungsszenen noch nachvollziehbar ist, fällt sie beim Weltenrichter Christus schon etwas aus dem Rahmen. Vermutlich musste der Oberkörper teilweise oder ganz entblösst sein, damit man als Erkennungszeichen die Narbe auf der linken Brustseite sieht. Diese wurde dem Gekreuzigten ja durch römische Soldaten zugefügt. Zwingend nötig ist diese Nacktheit nicht. Da ist der Lichtglanz und die ganze Szenerie, die keinen andern Schluss zulassen, als dass es sich hier um den endzeitlich richtenden Christus handelt.
Also warum diese Obsession der kirchlichen Kunst an der Nacktheit von Jesus Christus? Vielleicht hat jemand, der das hier liest, eine einleuchtende Erklärung.
Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen